Kundmachung des Landesrates des Landes Salzburg
vom 9. November 1918 (LGuVoBl.
59/1918),
betreffend die Verlautbarung einer neuen
Verfassung für das Land Salzburg.
geändert bzw. ergänzt durch
(Staats-)Gesetz vom
14. November 1918, betreffend die Übernahme der Staatsgewalt in den Ländern (StGBl. Nr.
24/1918)
Gesetz vom 22. Februar 1919,
betreffend die Einberufung und die Aufgaben des konstituierenden Landtages
(LGuVoBl.
15/1919)
(Staats-)Gesetz vom
14. März 1919 über die Volksvertretung (StGBl. Nr.
179/19198)
aufgehoben durch
Gesetz vom 16. Februar 1921, über die
Verfassung des Landes Salzburg (Landes-Verfassungsgesetz) (LGuVoBl.
44/1921 und
LGuVoBl.
58/1921)
Die Landesversammlung für das Land Salzburg hat in der Eröffnungssitzung am 7. November 1918 nachstehende Verfassung für das Land Salzburg beschlossen:
1. Das geschlossene deutsche Siedlungsgebiet des ehemaligen Kronlandes (Herzogtumes) Salzburg bildet unter dem "Land Salzburg" eine gesonderte eigenberechtigte Provinz des Staates Deutschösterreich, vollzieht hiemit den Beitritt zu diesem Staate, anerkennt die Montag, den 21. Oktober 1918, im Landhause zu Wien konstituierte Nationalversammlung als ihre oberste Gewalt, die von ihr und den folgenden Versammlungen gefaßten Beschlüsse als bindende Gesetze, den von ihr eingesetzten Staatsrat sowie die von ihr eingesetzten Behörden als ihre übergeordneten Behörden.
2. Das deutschösterreichische Land Salzburg tritt zu gleichem Rechte und zu gleichen Pflichten den Ländern Niederösterreich, Oberösterreich, Steiermark, Kärnten, Tirol und Vorarlberg, Deutschböhmen, Deutschmähren und Deutschschlesien zur Seite, gelobt, deren Schicksal in unverbrüchlicher Gemeinschaft und brüderlicher Zusammengehörigkeit zu teilen und erwartet, daß deren gesetzliche Vertretung dieses Gelöbnis annimmt und in gleichem Geiste erwiedert.
Bis zu dem Zeitpunkte der Neuregelung der Verfassung und Verwaltung für den ganzen Staat Deutschösterreich durch die konstituierende Nationalversammlung gibt sich das Land Salzburg folgende provisorische Verfassung:
1. Das Land übernimmt als Rechtsnachfolger der alten staatlichen und autonomen Verwaltung alle bisher geltenden Rechte und Pflichten.
2. Es bleiben sämtliche Verfassungsgesetze, insbesondere das Gesetz vom 3. Oktober 1861, R.-G.-Bl. Nr. 98, betreffend die Immunität, und das Gesetz vom 21. Dezember 1867, R.-G.-Bl. Nr. 141, in Geltung, insoweit sie den vorliegenden Bestimmungen nicht widersprechen.
3. Die auf Grund der Stimmenergebnisse der Reichsratswahl 1911 von den drei großen Parteien berufenen Vertreter (Landes-Abgeordnete), insgesamt 38, welche die provisorische Landesversammlung bilden, üben die Funktion des Landtages aus. Die Landesversammlung wählt über Vorschlag der Parteien soviel Landräte, als jeder einzelnen Partei nach dem Stimmenverhältnisse von 1911 zukommen. Die Abordnungsfähigkeit in die Landesversammlung ist mit Vollendung des 24. Lebensjahres gegeben.
Die Landesversammlung wird von den drei Präsidenten bezw. deren Stellvertretern nach freiem Entschlusse, oder wenn ein Drittel der Landesversammlung es fordert, einberufen. Sitz der Landesversammlung, des Landesrates und der Landesregierung bleibt die Landeshauptstadt Salzburg.
Durch (Staats-)Gesetz
vom 14. November 1918 wurde bestimmt:
"§ 3. Jede provisorische Landesversammlung wählt aus ihrer Mitte mit
Stimmenmehrheit den Landeshauptmann und durch Verhältniswahlen zwei bis vier
Stellvertreter.
Der Landeshauptmann und seine Stellvertreter führen in der provisorischen
Landesversammlung den Vorsitz und leiten deren Verhandlungen sowie die
Amtsführung des Landesrates.";
damit wurde die Ziffer 3 Abs. 2 dahingehend geändert, dass an stelle der drei
gleichberechtigten Präsidenten dann ein Landeshauptmann und zwei
Landeshauptmann-Stellvertreter durch die provisorische Landesversammlung gewählt
werden mussten; von den bisherigen
drei gleichberechtigten Präsidenten wurde der bis 7.11.1918 amtierende
"kaiserliche" Landeshauptmann Winkler als Vertreter der stärksten Partei zum
Landeshauptmann und die beiden anderen bisherigen Präsidenten zu deren
Stellvertretern bestimmt.
Die provisorische Landesversammlung bestand aus 19 Christsozialen, aus 10 Vertretern der fortschrittlichen Parteien (Deutschnationale, Deutschliberale; ab 1920 vereinigt als "Großdeutsche Volkspartei") und 9 Sozialdemokraten.
Durch Gesetz vom 22.
Februar 1919 wurde bestimmt:
"§ 1. Der konstituierende Landtag wird für drei Jahre gewählt und 16 Tage
nach dem Wahltage vom Landeshauptmann der provisorischen Landesversammlung nach
Salzburg einberufen.
Über die Dauer der Tagung, beziehungsweise über Vertagungen entscheidet der
Landtag.
Das Mandat der Mitglieder der provisorischen Landesversammlung läuft am 15. Tage
nach dem Wahltag ab.
...
§ 7. Der Landtag wählt unter dem Vorsitze des Alterspräsidenten aus
seiner Mitte den Landeshauptmann mit einfacher Mehrheit, dem die Leitung der
Geschäfte des Landtages, des Landesrates und der Landesregierung obliegt, sodann
drei Stellvertreter, sechs Mitglieder des Landesrates ("Landesräte") und deren
Ersatzmänner in einem Wahlgang nach dem Verhältniswahlrecht, wobei das Mandat
des Landeshauptmannes einzurechnen ist.
Sämtliche Amtsträger werden für die Dauer der Landtagsperiode gewählt und führen
nach Ablauf der Periode ihre Geschäfte bis zur Neuwahl fort.
Sie dürfen der Nationalversammlung nicht angehören.
§ 8. Der Landeshauptmann hat seinen Wohnsitz in Salzburg oder in dessen
nächster Umgebung zu nehmen. Die Landeshauptmannstellvertreter und die
Landesräte haben ihren Wohnsitz so zu wählen, daß sie ihrem Amte voll und
regelmäßig nachkommen können.";
damit wurde Ziffer 3 geändert und ergänzt.
4. Die provisorische Landesversammlung wählt aus ihrer
Mitte über Vorschlag der Parteien den aus 14 Mitgliedern bestehenden Landesrat
in vier gesonderten Wahlgängen, und zwar
a) die 3 Präsidenten,
b) die 3 Präsidenten-Stellvertreter,
c) weitere 8 Mitglieder (Landräte),
d) vier Ersatzmänner.
Durch (Staats-)Gesetz
vom 14. November 1918 wurde bestimmt:
"§ 2. An Stelle der bisherigen Landesausschüsse treten die von den
provisorischen Landesversammlung gewählten "Landesräte". Ihre Mitglieder führen
den Titel "Landesräte."";
damit war die Ziffer 4 lit. a, b und c der Verfassung von 1918 (in Verbindung
mit einem Beschluss der provisorischen Landesversammlung vom 29. November 1918)
wie folgt faktisch abgeändert:
"a) der Landeshauptmann,
b) die 3 Landeshauptmann-Stellvertreter,
c) weitere 6 Mitglieder Landräte"
Durch Gesetz vom 22.
Februar 1919 wurde bestimmt:
"§ 9. Der Landeshauptmann, seine drei Stellvertreter und die sechs gemäß
Artikel II, § 7, vom Landtage gewählten Landtagsabgeordneten (Landesräte),
beziehungsweise deren Ersatzmänner bilden den Landesrat, welchem die gesamte
Verwaltung des Landes und die Ausführung der vom Landtage gefaßten Beschlüsse
unter persönlicher Verantwortung der Mitglieder des Landesrates gegenüber dem
Landtage obliegt. Der Landeshauptmann, seine Stellvertreter, sowie die im
Bedarfsfalle zur Geschäftsführung zugezogenen Landesräte bilden die
Landesregierung, welche für die Führung der Verwaltung eine Geschäftsordnung
auszuarbeiten hat.":
damit wurde der § 11 und die Ziffer 4 der Verfassung von 1918 aufgehoben.
5. Die Landesverwaltung wird ungeteilt vom Landesrate ausgeübt. Die Scheidung von landesfürstlicher und autonomer Verwaltung ist für das Gebiet des Landes aufgehoben. Die k. k. Landesregierung geht auf die autonome Landesregierung über.
6. Die bisher der autonomen Verwaltung zugezählten Aufgaben werden von Landräten unter persönlicher Verantwortung gegenüber dem Landesrate erfüllt.
Die bisher bestandene landesfürstliche Verwaltung obliegt der autonomen Landesregierung. Diese besteht aus drei Präsidenten und deren Stellvertretern, die berechtigt sind, aus den Landräten Mitarbeiter heranzuziehen. Die Landesversammlung beschließt, welche Angelegenheiten der Kollegialentscheidung der Präsidenten oder deren Stellvertreter und welche der Entscheidung des Landesrates unterliegen.
Die Landesregierung und der Landesrat sind der Landesversammlung für ihre Geschäftsführung verantwortlich, soweit sie nicht in bloßem Vollzuge von Gesetzen oder gesetzlich erlassenen Verordnungen, Verfügungen und Weisungen handeln.
Durch (Staats-)Gesetz
vom 14. November 1918 wurde bestimmt:
"§ 3. Jede provisorische Landesversammlung wählt aus ihrer Mitte mit
Stimmenmehrheit den Landeshauptmann und durch Verhältniswahlen zwei bis vier
Stellvertreter.
Der Landeshauptmann und seine Stellvertreter führen in der provisorischen
Landesversammlung den Vorsitz und leiten deren Verhandlungen sowie die
Amtsführung des Landesrates.";
damit wurde die Ziffer 6 Abs. 2 dahingehend geändert, dass an stelle der drei
gleichberechtigten Präsidenten dann ein Landeshauptmann und zwei
Landeshauptmann-Stellvertreter durch die provisorische Landesversammlung gewählt
werden mussten.
7. Die finanzielle Gebarung des Landesrates unterliegt der Überwachung durch einen aus der Landesversammlung bestellten ständigen Überwachungsausschß von drei nicht dem Landesrate angehörenden Mitgliedern.
Bis zur Erlassung neuer Finanzgesetze bleiben die bisherigen Steuer- und Gebührengrundlagen bestehen.
8. Die Landesregierung führt die Verhandlungen mit der k. k. Liquidationsregierung der ehemals im Reichsrate vertretenen Königreiche und Länder, soweit sie nicht durch den Staatsrat erledigt werden, im Einvernehmen mit diesem durch. Im übrigen ist sie an die Gesetze, Verordnungen, Verfügungen und Erkenntnisse, die von der Nationalversammlung ausgehen, gebunden.
9. Dem Landesrate und der Landesregierung sind sämtliche örtliche Verwaltungsorgane untergeordnet. Sie sind an deren Verordnungen, Erlässe, Erkenntnisse und Weisungen gebunden.
Die Lokalverwaltung üben Bezirksräte mit Bezirksleitern, Gemeindevertretungen mit Gemeindevorstehern aus.
Die Verwaltungseinrichtung der Landeshauptstadt bleibt bis auf weiteres unberührt.
Die Einrichtung und Zuständigkeit der Lokalverwaltungsorgane wird durch ein besonderes Landesgesetz geregelt werden.
10. Der Landesrat errichtet ein Landesschützenkorps und ernennt dessen Befehlshaber.
Die Landesabgeordneten erhalten Reisevergütung durch freie Fahrt bezw. Entschädigung sowie Anwesenheitsgelder. Für die Präsidenten, deren Stellvertreter, die als ständige Referenten tätigen Landräte, sowie für die übrigen Landräte wird die Entschädigung gesondert festgestellt. Ein Verzicht auf diese Bezüge ist nicht zulässig.
Das Land Salzburg, das durch wiederholten Staatswechsel infolge des Krieges in
seiner Lebensfähigkeit stark geschwächt wurde, behält sich die Antragstellung
behufs Veränderung seiner Grenzen und seiner Ausdehnung nach natürlichen
Verhältnissen und Bedürfnissen unter Berücksichtigung seiner
Verkehrsverhältnisse und Lebensmittelbedürfnisse vor. Es beansprucht seinen
Anteil an der Ausnützung seiner Gewässer und seiner Bodenschätze (Holz, Kupfer,
Eisen, Salz, Gold, u. s. w.), die seine Lebensfähigkeit sichern. Es erklärt sich
zu einer Bodenreform bereit, welche zu Ungunsten unserer Hochweiden bestehende
übertriebene Jagd- und Besitzrechte beseitigt und somit einer Wirtschaftsform
zustrebt, die Industrie, Landwirtschaft und Arbeit auf bessere Grundlagen
stellt.
Die Präsidenten:
Ott. Preußler.
Winkler.
Quellen:
Landes-Gesetz- und Verordnungs-Blatt für das Land Salzburg, Jahrgang 1918 Nr. 59
© 26. Dezember 2012 - 28. Dezember 1912