Gesetz
vom 1. Oktober 1920,
womit die Republik Österreich als Bundesstaat eingerichtet wird
(Bundes-Verfassungsgesetz)

mit den Änderungen durch das
Bundesverfassungsgesetz vom 30. Juli 1925, B.G.Bl. 268/1925

das Bundes-Verfassungsgesetz wurde am 26. September 1925 in der Fassung vom 30. Juli 1925 wiederverlautbart,
B.G.Bl. 367/1925

Bundesverfassungsgesetz vom 27. Juli 1926, B.G.Bl. 191/1926
Bundesverfassungsgesetz vom 1. Februar 1928, B.G.Bl. 62/1928
Bundesverfassungsgesetz vom 2. Juli 1929, B.G.Bl. 295/1929
Bundesverfassungsgesetz vom 7. Dezember 1929, B.G.Bl. 392/1929

das Bundes-Verfassungsgesetz wurde am 1. Januar 1930 in der Fassung vom 7. Dezember 1929 wiederverlautbart,
B.G.Bl. 1/1930

Die Nationalversammlung hat beschlossen:

Erstes Hauptstück.
Allgemeine Bestimmungen.

Artikel 1. Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus.

Artikel 2. (1) Österreich ist ein Bundesstaat.

(2) Der Bundesstaat wird gebildet aus den selbständigen Ländern: Burgenland, Kärnten, Niederösterreich (Niederösterreich-Land und Wien), Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Tirol, Vorarlberg.

Durch BVG vom 30. Juli 1925 (§ 1) erhielt der Artikel 2 Absatz 2 folgende Fassung:
"(2) Der Bundesstaat wird gebildet aus den selbständigen Ländern: Burgenland, Kärnten, Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Tirol, Vorarlberg, Wien."

Artikel 3. (1) Das Bundesgebiet umfaßt die Gebiete der Bundesländer.

(2) Eine Änderung des Bundesgebietes, die zugleich Änderung eines Landesgebietes ist, ebenso die Änderung einer Landesgrenze innerhalb des Bundesgebietes kann - abgesehen von Friedensverträgen - nur durch übereinstimmende Verfassungsgesetze des Bundes und jenes Landes erfolgen, dessen Gebiet eine Änderung erfährt.

(3) Die für Niederösterreich-Land und Wien geltenden Sonderbestimmungen enthält das vierte Hauptstück.

Durch BVG vom 30. Juli 1925 (§ 2)  wurde der Artikel 3 Absatz 3 gestrichen.

Artikel 4. (1) Das Bundesgebiet bildet ein einheitliches Währungs-, Wirtschafts- und Zollgebiet.

(2) Innerhalb des Bundes dürfen Zwischenzollinien oder sonstige Verkehrsbeschränkungen nicht errichtet werden.

Artikel 5. (1) Bundeshauptstadt und Sitz der obersten Organe des Bundes ist Wien.

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 1) wurde dem Artikel 5 folgender Absatz angefügt:
"(2) Für die Dauer außergewöhnlicher Verhältnisse kann der Bundespräsident auf Antrag der Bundesregierung den Sitz oberster Organe des Bundes in einen anderen Ort des Bundesgebietes verlegen."

Artikel 6. (1) Für jedes Land besteht eine Landesbürgerschaft. Voraussetzung der Landesbürgerschaft ist das Heimatrecht in einer Gemeinde des Landes. Die Bedingungen für Erwerb und Verlust der Landesbürgerschaft ist in jedem Land gleich.

(2) Mit der Landesbürgerschaft wird die Bundesbürgerschaft erworben.

(3) Jeder Bundesbürger hat in jedem Land die gleichen Rechte und Pflichten wie die Bürger des Landes selbst.

Durch BVG vom 30. Juli 1925 (§ 3) wurde dem Artikel 6 folgender Absatz angefügt:
"(4) Ein Ausländer erwirbt durch Antritt eines öffentlichen Lehramtes an einer inländischen Hochschule die Landesbürgerschaft jenes Landes, in welchem die Lehranstalt gelegen ist, und gleichzeitig das Heimatrecht an seinem Amtsorte."

Artikel 7. (1) Alle Bundesbürger sind vor dem Gesetz gleich. Vorrechte der Geburt, des Geschlechtes, des Standes, der Klasse und des Bekenntnisses sind ausgeschlossen.

(2) Den öffentlichen Angestellten, einschließlich der Angehörigen des Bundesheeres, ist die ungeschmälerte Ausübung ihrer politischen Rechte gewährleistet.

Artikel 8. Die deutsche Sprache ist, unbeschadet der den sprachlichen Minderheiten bundesgesetzlich eingeräumten Rechte, die Staatssprache der Republik.

Artikel 9. (1) Die allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechtes gelten als Bestandteile des Bundesrechtes.

Artikel 10. (1) Bundessache ist die Gesetzgebung und die Vollziehung in folgenden Angelegenheiten:

1. Bundesverfassung, insbesondere Wahlen zum Nationalrat, Volksabstimmungen auf Grund der Bundesverfassung; Verfassungsgerichtsbarkeit;

2. äußere Angelegenheiten mit Einschluß der politischen und wirtschaftlichen Vertretung gegenüber dem Ausland, insbesondere Abschluß aller Staatsverträge; Grenzvermarkung; Waren- und Viehverkehr mit dem Ausland; Zollwesen;

3. Regelung und Überwachung des Eintrittes in das Bundesgebiet und des Austrittes aus ihm; Ein- und Auswanderungswesen; Paßwesen; Abschiebung, Abschaffung, Ausweisung und Auslieferung aus dem Bundesgebiet sowie Durchlieferung;

4. Bundesfinanzen, insbesondere öffentliche Abgaben, die ausschließlich oder teilweise für den Bund einzuheben sind; Monopolwesen;

5. Geld-, Kredit-, Börse- und Bankwesen; Maß- und Gewichts-, Normen- und Punzierungswesen;

6. Zivilrechtswesen einschließlich des wirtschaftlichen Assoziationswesens; Strafrechtswesen mit Ausschluß des Verwaltungsstrafrechtes und Verwaltungsstrafverfahrens in Angelegenheiten, die in den selbständigen Wirkungsbereich der Länder fallen; Justizpflege; Verwaltungsgerichtsbarkeit; Urheberrecht; Pressewesen; Enteignung, soweit sie nicht Angelegenheiten betrifft, die in den selbständigen Wirkungsbereich der Länder fallen; Angelegenheiten der Notare, der Rechtsanwälte und verwandter Berufe;

7. Vereins- und Versammlungsrecht;

8. Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie; Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes; Patentwesen sowie Schutz von Mustern, Marken und anderen Warenbezeichnungen; Angelegenheiten der Patentanwälte; Ingenieur- und Ziviltechnikerwesen; Kammern für Handel, Gewerbe und Industrie;

9. Verkehrswesen bezüglich der Eisenbahnen, der Schiffahrt und der Luftfahrt; Angelegenheiten der wegen ihrer Bedeutung für den Durchzugsverkehr durch Bundesgesetz als Bundesstraßen erklärten Straßenzüge; Strom- und Schiffahrtspolizei; Post-, Telegraphen- und Fernmeldewesen;

10. Bergwesen; Regulierung und Instandhaltung der schiffbaren und flösbaren Gewässer, dann solcher Gewässer, die die Grenze gegen das Ausland oder zwischen Ländern bilden oder die zwei oder mehrere Länder durchfließen; Bau und Instandhaltung derjenigen Wasserstraßen, die das Inland mit dem Ausland oder mehrere Länder verbinden; allgemeine technische Maßnahmen für die zweckdienliche Nutzbarmachung der Wasserkräfte ausschließlich der landwirtschaftlichen und kleingewerblichen Triebwerke; Normalisierung und Typisierung elektrischer Anlagen und Einrichtungen, Sicherheitsmaßnahmen auf diesem Gebiete; Starkstromwegerecht, soweit sich die Leitungsanlage auf zwei oder mehrere Länder erstreckt; Dampfkessel- und Kraftmaschinenwesen; Vermessungswesen; Vermessungswesen;

11. Arbeitsrecht, sowie Arbeiter- und Angestelltenschutz, soweit es sich nicht um land- und forstwirtschaftliche Arbeiter handelt; Sozial- und Vertragsversicherungswesen;

12. Gesundheitswesen mit Ausnahme des Leichen- und Bestattungswesens sowie des Gemeindesanitätsdienstes und Rettungswesens, hinsichtlich der Heil- und Pflegeanstalten, des Kurortewesens und der Heilquellen jedoch nur die sanitäre Aufsicht; Veterinärwesen; Ernährungswesen einschließlich der Nahrungsmittelkontrolle;

13. wissenschaftlicher und fachtechnischer Archiv- und Bibliotheksdienst; Angelegenheiten der künstlerischen und wissenschaftlichen Sammlungen und Einrichtungen; Denkmalschutz; Angelegenheiten des Kultus; Volkszählungswesen sowie sonstige Statistik, soweit sie nicht nur den Interessen eines einzelnen Landes dient; Stiftungs- und Fondswesen, soweit es sich um Stiftungen und Fonds handelt, die nach ihren Zwecken über den Interessenbereich eines Landes hinausgehen und nicht schon bisher von den Ländern autonom verwaltet wurden;

14. Bundespolizei und der Bundesgendarmerie;

15. militärische Angelegenheiten; Kriegsschadenangelegenheiten und Fürsorge für Kriegsteilnehmer und deren Hinterbliebene; aus Anlaß eines Krieges oder im Gefolge eines solchen zur Sicherung der einheitlichen Führung der Wirtschaft notwendig erscheinende Maßnahmen, insbesondere auch hinsichtlich der Versorgung der Bevölkerung mit Bedarfsgegenständen;

16. Einrichtung der Bundesbehörden und sonstigen Bundesämter; Dienstrecht der Bundesangestellten;

Durch BVG vom 30. Juli 1925 (§ 4) wurde der Artikel 10 wie folgt geändert:
- in Ziffer 7 wurde nach den Worten: "Vereins- und Versammlungsrecht;" eingefügt: "Personenstandsangelegenheiten einschließlich des Matrikenwesens und der Namensänderung; Fremdenpolizei und Meldewesen, Waffenwesen;"
- in Ziffer 8 wurde nach den Worten: "Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie" einfügen: "öffentliche Agentien und Privatgeschäftsvermittlungen;"
- in Ziffer 9 wurde nach den Worten: "Verkehrswesen bezüglich der Eisenbahnen, der Schiffahrt und der Luftfahrt;" eingefügt: "Kraftfahrwesen;"
- in Ziffer 10 wurde nach dem Worte "Bergwesen;" eingefügt: "Forstwesen, einschließlich des Triftwesens; Wasserrecht;", weiter wurde statt der Worte "Regulierung und Instandhaltung der schiffbaren und flösbaren Gewässer, dann solcher Gewässer, die die Grenze gegen das Ausland oder zwischen Ländern bilden oder die zwei oder mehrere Länder durchfließen; Bau und Instandhaltung derjenigen Wasserstraßen, die das Inland mit dem Ausland oder mehrere Länder verbinden; allgemeine technische Maßnahmen für die zweckmäßige Nutzbarmachung der Wasserkräfte ausschließlich der landwirtschaftlichen und kleingewerblichen Triebwerke;" gesetzt: "Regulierung und Instandhaltung der Gewässer zum Zwecke der unschädlichen Ableitung der Hochfluten oder zum Zwecke der Schiffahrt und Flöserei; Wildbachverbauung; Bau und Instandhaltung von Wasserstraßen;"
- in Ziffer 11 wurden die Worte "Kammern für Arbeiter und Angestellte;" angefügt
- in Ziffer 13 wurde vor dem Worte "Denkmalschutz" eingefügt: "alle Angelegenheiten der Bundestheater;"

Durch BVG vom 27. Juli 1926 wurde im Artikel 10 Ziffer 13 nach den Worten "allen Angelegenheiten der Bundestheater" eingefügt: ", worin jedoch die Bestimmung der Baulinie und des Niveaus sowie die baubehördliche Behandlung von Herstellungen, die das äußere Ansehen der Theatergebäude betreffen, nicht inbegriffen sind"

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 2) wurde der Artikel 10 wie folgt geändert:
- in Ziffer 3 entfallen die Worte "aus dem Bundesgebiet"
- in Ziffer 6 wurde nach dem Wort: "Justizpflege;" die Worte eingefügt: "Einrichtungen zum Schutz der Gesellschaft gegen verbrecherische, verwahrloste oder sonst gefährliche Personen, wie Zwangsarbeits- und ähnliche Anstalten;" ferner wurde anstelle des Wortes "Enteignung," gesetzt: "Enteignung zu Zwecken der Assanierung, sonstige Enteignung,"
- in Ziffer 7 wurde vor den Worten: "Vereins- und Versammlungsrecht;" eingefügt: "Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, ausgenommen die örtliche Sicherheitspolizei;"; weiter wurde an die Stelle des letzten Wortes "Waffenwesen;" gesetzt: "Waffen-, Munitions- und Sprengmittelwesen, Schießwesen;"
- in Ziffer 8 wurde angefügt: "Einrichtung beruflicher Vertretungen, soweit sie sich auf das ganze Bundesgebiet erstrecken, mit Ausnahme solcher auf land- und forstwirtschaftlichem Gebiet;"
- in Ziffer 13 wurde nach den Worten "allen Angelegenheiten der Bundestheater" eingefügt: ", worin jedoch die Bestimmung der Baulinie und des Niveaus sowie die baubehördliche Behandlung von Herstellungen, die das äußere Ansehen der Theatergebäude betreffen, nicht inbegriffen sind"
- die Ziffer 14 erhielt folgende Fassung:
"14. Organisation und Führung der Bundespolizei und der Bundesgendarmerie; Regelung der Errichtung und der Organisation sonstiger Wachkörper, einschließlich ihrer Bewaffnung und des Rechtes zum Waffengebrauch;"
- in Ziffer 15 wurde nach den Worten "und deren Hinterbliebene;" eingefügt: "Fürsorge für Kriegsgräber;"
- folgender Absatz wurde angefügt:
"(2) In den nach Absatz 1 Z. 10, ergehenden Bundesgesetzen kann die Landesgesetzgebung ermächtigt werden, zu genau zu bezeichneten einzelnen Bestimmungen Ausführungsbestimmungen zu erlassen. Für diese Landesgesetze sind die Bestimmungen des Artikels 15 Absatz 6, sinngemäß anzuwenden. Die Vollziehung der in solchen Fällen ergehenden Ausführungsgesetze steht dem Bund zu, doch bedürfen die Durchführungsverordnungen, soweit sie sich auf die Ausführungsbestimmungen des Landesgesetzes beziehen, des vorherigen Einvernehmens mit der betreffenden Landesregierung."

Bis zum Inkrafttreten des § 42 des Übergangsgesetzes von 1920 in der Fassung vom 30. Juli 1925 am 1. Oktober 1925 war der Artikel 10 aufgrund de § 42 des Übergangsgesetzes von 1920 in der ursprünglichen Fassung außer Kraft, da das Verfassungsgesetz nach Artikel 14 B-VG in der Fassung von 1920 - 1925 fehlte. Somit galt der Absatz 2 des genannten § 42 im Übergangsgesetz an Stelle des Artikels 10 B-VG, und somit § 11 und § 12 des Staatsgrundgesetzes vom 21. Dezember 1867, wodurch das Grundgesetz über die Reichsvertretung vom 26. Februar 1861 abgeändert wird, R.G.Bl. 141/1867, für die Verteilung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern fort.

Artikel 11. (1) Bundessache ist die Gesetzgebung, Landessache die Vollziehung in folgenden Angelegenheiten:

1. Staatsbürgerschaft und Heimatrecht; Personenstandsangelegenheiten einschließlich des Matrikenwesens und der Namensänderung; Fremdenpolizei;

2. berufliche Vertretungen, soweit sie nicht unter Art. 10 fallen, jedoch mit Ausnahme jener auf land- und forstwirtschaftlichem Gebiet;

3. öffentliche Agentien und Privatgeschäftsvermittlung;

4. hinsichtlich der öffentlichen Abgaben, die nicht ausschließlich oder teilweise für den Bund eingehoben werden: Anordnungen zur Verhinderung von Doppelbesteuerungen oder sonstigen übermäßigen Belastungen, zur Verhinderung von Erschwerungen des Verkehres oder der wirtschaftlichen Beziehungen im Verhältnis zum Ausland oder zwischen den Ländern und Landesteilen, zur Verhinderung von übermäßigen oder verkehrserschwerenden Belastung der Benutzung öffentlicher Verkehrswege und Einrichtungen mit Gebühren und zur Verhinderung der Schädigung der Bundesfinanzen;

5. Munitions-, Schieß- und Sprengmittelwesen, soweit es nicht dem Monopol unterliegt, sowie Waffenwesen; Kraftfahrwesen;

6. Volkswohnungswesen;

7. Verwaltungs- und Verwaltungsstrafverfahren einschließlich der Zwangsvollstreckung sowie die allgemeinen Bestimmungen des Verwaltungsstrafrechtes auch in Angelegenheiten, in denen die Gesetzgebung den Ländern zusteht.

(2) Die Durchführungsverordnungen zu den nach dem Absatz 1 ergehenden Bundesgesetzen sind, soweit in diesen Gesetzen nicht anderes bestimmt ist, vom Bund zu erlassen.

Durch BVG vom 30. Juli 1925 (§ 5) wurde der Artikel 11 wie folgt geändert:
- in Ziffer 1 wurden die Worte "Personenstandsangelegenheiten einschließlich des Matrikenwesens und der Namensänderung; Fremdenpolizei;" gestrichen.
- die Ziffer 3 wurde gänzlich gestrichen und die Ziffern 4 bis 7 erhielten daher die Bezeichnung Ziffern 3 bis 6;
- in der nunmehrigen Ziffer 4 wurden die Worte "sowie Waffenwesen; Kraftfahrwesen;" gestrichen.
- der Absatz 2 erhielt folgende Fassung:
"(2) Die Durchführungsverordnungen zu den nach dem Absatz 1 ergehenden Gesetzen sind, soweit in diesen Gesetzen nicht anderes bestimmt ist, vom Bund zu erlassen. Die Handhabung der gemäß Absatz 1 Z. 6, ergehenden Gesetze und der hiezu erlassenen Durchführungsverordnungen steht im übrigen dem Bund oder den Ländern zu, je nachdem ob die den gegenstand des Verfahrens bildende Angelegenheit der Vollziehung nach Bundes- oder Landessache ist."

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 3) wurde der Artikel 11 wie folgt geändert:
- im Absatz 1 wurden die Ziffern 3, 4 und 6 gestrichen und die Ziffer 5 wurde demnach Ziffer 3.
- der Absatz 2 wurde durch folgende Bestimmungen ersetzt:
"(2) Das Verwaltungsverfahren, die allgemeinen Bestimmungen des Verwaltungsstrafrechtes, das Verwaltungsverfahren und die Verwaltungsvollstreckung werden durch Bundesgesetz geregelt, und zwar, soweit ein Bedürfnis nach Erlassung einheitlicher Vorschriften als vorhanden erachtet wird, auch in den Angelegenheiten, in denen die Gesetzgebung den Ländern zusteht, insbesondere auch in den Angelegenheiten des Abgabenwesens.
(3) Die Durchführungsverordnungen zu den nach den Absätzen 1 und 2 ergehenden Bundesgesetzen sind, soweit in diesen Gesetzen nicht anderes bestimmt ist, vom Bund zu erlassen.
(4) Die Handhabung der gemäß Absatz 2 ergehenden Gesetze und der hiezu erlassenen Durchführungsverordnungen steht dem Bund oder den Ländern zu, je nachdem, ob die den Gegenstand des Verfahrens bildende Angelegenheit der Vollziehung nach Bundes- oder Landessache ist.
(5) Die Rechtsprechung oberster Instanz im Verfahren vor den Verwaltungsbehörden wegen Verwaltungsübertretungen steht Verwaltungsstrafsenaten zu, die bei den zuständigen Behörden zu bilden sind. Die Mitglieder der Senate sind in Ausübung ihres Amtes unabhängig und an keine Weisungen gebunden. Den Vorsitz führt der Vorstand der Behörde oder ein von ihm entsendeter Vertreter, der rechtskundig sein muß. Der Bund bestellt zwei Mitglieder auch in den Fällen, in denen die Senate nicht bei Bundesbehörden gebildet werden. Zur Handhabung des gesetzlich vorgesehenen Gnadenrechtes sind auf Grund der Anträge der Verwaltungsstrafsenate in den Verwaltungsstrafsachen der mittelbaren Bundesverwaltung die Landeshauptmänner, in den Angelegenheiten des selbstständigen Wirkungsbereiches der Länder die Landesregierungen berufen. Das Nähere über die Einrichtung der Verwaltungsstrafsenate und ihre Tätigkeit werden durch Bundesgesetz geregelt."

Bis zum Inkrafttreten des § 42 des Übergangsgesetzes von 1920 in der Fassung vom 30. Juli 1925 am 1. Oktober 1925 war der Artikel 11 aufgrund de § 42 des Übergangsgesetzes von 1920 in der ursprünglichen Fassung außer Kraft, da das Verfassungsgesetz nach Artikel 14 B-VG in der Fassung von 1920 - 1925 fehlte. Somit galt der Absatz 2 des genannten § 42 im Übergangsgesetz an Stelle des Artikels 10 B-VG, und somit § 11 und § 12 des Staatsgrundgesetzes vom 21. Dezember 1867, wodurch das Grundgesetz über die Reichsvertretung vom 26. Februar 1861 abgeändert wird, R.G.Bl. 141/1867, für die Verteilung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern fort.

Artikel 12. (1) Bundessache ist die Gesetzgebung über die Grundsätze, Landessache die Erlassung von Ausführungsgesetzen und die Vollziehung in folgenden Angelegenheiten:

1. Organisation der Verwaltung in den Ländern;

2. Armenwesen; Bevölkerungspolitik; Volkspflegestätten; Mutterschafts-, Säuglings- und Jugendfürsorge; Heil- und Pflegeanstalten; Kurortewesen und Heilwesen;

3. Einrichtungen zum Schutz der Gesellschaft gegen verbrecherische, verwahrloste oder sonst gefährliche Personen, wie Zwangsarbeits- und ähnliche Anstalten; Abschiebung und Abschaffung aus einem in ein anderes Land;

4. öffentliche Einrichtungen zur außergerichtlichen Vermittlung von Streitigkeiten;

5. Arbeiterrecht sowie Arbeiter- und Angestelltenschutz, soweit es sich um land- und forstwirtschaftliche Arbeiter und Angestellte handelt;

6. Bodenreform, insbesondere agrarische Operationen und Wiederbesiedelung;

7. Forstwesen einschließlich des Triftwesens; Schutz der Pflanzen gegen Krankheiten und Schädlinge;

8. Elektrizitätswesen und Wasserrecht, soweit sie nicht unter Artikel 10 fallen;

9. Bauwesen;

10. Dienstrecht der Angestellten der Länder, die behördliche Aufgaben zu besorgen haben.

(2) Die Entscheidung oberster Instanz in Angelegenheiten der Bodenreform (Absatz 1, Z. 6) wird einer vom Bund eingesetzten, aus Richtern, Verwaltungsbeamten und Sachverständigen bestehenden Kommission übertragen.

Durch BVG vom 30. Juli 1925 (§ 6) wurde der Artikel 12 wie folgt geändert:
- in Ziffer 7 wurden die Worte "Forstwesen einschließlich des Triftwesens," gestrichen
- die Ziffer 8 erhielt folgende Fassung:
"8. Elektrizitätswesen, soweit es nicht unter Artikel 10 fällt;"
- die Ziffer 9 erhielt folgende Fassung:
"9. Straßenpolizei, soweit sie sich nicht auf Bundesstraßen bezieht und daher unter Artikel 10 Z. 9, fällt"
- folgender Absatz wurde angefügt:
"(3) Wenn und insoweit in den Angelegenheiten des Elektrizitätswesens die Bescheide der Landesinstanzen voneinander abweichen oder die Landesregierung als einzige Landesinstanz zuständig war, geht die Zuständigkeit in einer solchen Angelegenheit, wenn es eine Partei innerhalb der bundesgesetzlich festzusetzenden Frist verlangt, an das fachlich zuständige Bundesministerium über. Sobald dieses entscheiden hat, treten die bisher gefällten Bescheide der Landesbehörden außer Kraft."

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 4) wurde der Artikel 12 wie folgt geändert:
- in Absatz 2 wurde die Ziffer 3 gestrichen und daher wurden die Ziffern 4 bis 10 als Ziffern 3 bis 9 bezeichnet.
- der Absatz 2 erhielt folgende Fassung:
"(2) In den Angelegenheiten der Bodenreform (Absatz 1 Z. 5) steht die Entscheidung in oberster Instanz und in der Landesinstanz Senaten zu, die aus dem Vorsitzenden und aus Richtern, Verwaltungsbeamten und Sachverständigen als Mitgliedern bestehen; der in oberster Instanz zur Entscheidung berufene Senat wird beim zuständigen Bundesministerium eingesetzt. Die Einrichtung, die Aufgaben und das Verfahren der Senate sowie die Grundsätze für die Einrichtung der mit den Angelegenheiten der Bodenreform sonst noch befaßten Behörden werden durch Bundesgesetz geregelt."

Bis zum Inkrafttreten des § 42 des Übergangsgesetzes von 1920 in der Fassung vom 30. Juli 1925 am 1. Oktober 1925 war der Artikel 12 aufgrund de § 42 des Übergangsgesetzes von 1920 in der ursprünglichen Fassung außer Kraft, da das Verfassungsgesetz nach Artikel 14 B-VG in der Fassung von 1920 - 1925 fehlte. Somit galt der Absatz 2 des genannten § 42 im Übergangsgesetz an Stelle des Artikels 10 B-VG, und somit § 11 und § 12 des Staatsgrundgesetzes vom 21. Dezember 1867, wodurch das Grundgesetz über die Reichsvertretung vom 26. Februar 1861 abgeändert wird, R.G.Bl. 141/1867, für die Verteilung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern fort.

Artikel 13. (1) Bundessache ist die Gesetzgebung und die Vollziehung hinsichtlich der Regelung, welche Abgaben dem Bund, den Ländern und den Gemeinden zustehen, der Regelung der Anteilnahme der Länder und der Gemeinden an den Einnahmen des Bundes und der  Regelung der Beiträge und Zuschüsse aus Bundesmitteln zu den Ausgaben der Länder und der Gemeinden.

(2) Landessache ist die Gesetzgebung und die Vollziehung hinsichtlich der Regelung, welche Abgaben der Länder den Gemeinden übertragen werden, der Regelung der Anteilnahme der Gemeinden an den Einnahmen der Länder und der Regelung der Beiträge und der Zuschüsse aus Landesmitteln zu den Ausgaben der Gemeinden.

Durch BVG vom 30. Juli 1925 (§ 7) erhielt der Artikel 13 folgende Fassung:
"Artikel 13. Die Zuständigkeiten des Bundes und der Länder auf dem Gebiete des Abgabenwesens werden durch ein eigenes Bundesverfassungsgesetz ("Finanz-Verfassungsgesetz") geregelt."

Bis zum Inkrafttreten des § 42 des Übergangsgesetzes von 1920 in der Fassung vom 30. Juli 1925 am 1. Oktober 1925 war der Artikel 13 aufgrund de § 42 des Übergangsgesetzes von 1920 in der ursprünglichen Fassung außer Kraft, da das Verfassungsgesetz nach Artikel 14 B-VG in der Fassung von 1920 - 1925 fehlte. Somit galt der Absatz 2 des genannten § 42 im Übergangsgesetz an Stelle des Artikels 10 B-VG, und somit § 11 und § 12 des Staatsgrundgesetzes vom 21. Dezember 1867, wodurch das Grundgesetz über die Reichsvertretung vom 26. Februar 1861 abgeändert wird, R.G.Bl. 141/1867, für die Verteilung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern fort.

Artikel 14. Auf dem Gebiet des Schul-, Erziehungs- und Volksbildungswesens wird der Wirkungsbereich des Bundes und der Länder durch ein besonderes Bundesverfassungsgesetz geregelt.

Artikel 15. (1) Soweit eine Angelegenheit nicht ausdrücklich durch die Bundesverfassung der Gesetzgebung oder auch der Vollziehung des Bundes übertragen ist, verbleibt sie im selbständigen Wirkungsbereich der Länder.

(2) Soweit dem Bund bloß die Gesetzgebung über die Grundsätze vorbehalten ist, liegt innerhalb des bundesgesetzlich festgelegten Rahmens die nähere Ausführung der Landesgesetzgebung ob. Das Bundesgesetz kann für die Erlassung der Ausführungsgesetze eine Frist bestimmen, die ohne Zustimmung des Bundesrates nicht kürzer als sechs Monate und nicht länger als ein Jahr sein darf. Wird diese Frist von einem Land nicht eingehalten, so geht die Zuständigkeit zur Erlassung des Ausführungsgesetzes für dieses Land auf den Bund über. Sobald das Land das Ausführungsgesetz erlassen hat, tritt das Ausführungsgesetz des Bundes außer Kraft.

(3) Wenn ein Akt der Vollziehung eines Landes in den Angelegenheiten der Artikel 11 und 12 für mehrere Länder wirksam werden soll, so haben die beteiligten Länder zunächst einvernehmlich vorzugehen. Falls sie sich nicht einigen können, geht die Zuständigkeit zu einem solchen Akt auf Antrag eines Landes an das zuständige Bundesministerium über. Das Nähere können die nach den Artikeln 11 und 12 ergehenden Bundesgesetze regeln.

(4) In den Angelegenheiten, die nach Artikel 11 und 12 der Bundesgesetzgebung vorbehalten sind, steht dem Bund das Recht zu, die Einhaltung der von ihm erlassenen Vorschriften wahrzunehmen.

(5) Die Länder sind im Bereich ihrer Gesetzgebung befugt, die zur Regelung des Gegenstandes erforderlichen Bestimmungen auch auf dem Gebiet des Straf- und Zivilrechtes zu treffen.

Durch BVG vom 30. Juli 1925 (§ 8) erhielt der Artikel 15 Absatz 3 Satz 2 folgende Fassung:
"Wird ein einvernehmlicher Entscheid nicht innerhalb von sechs Monaten seit dem Anfall der Rechtssache getroffen, geht die Zuständigkeit zu einem solchen Akt auf Antrag eines Landes oder einer an der Sache beteiligten Partei an das zuständige Bundesministerium über."

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 5) wurde der Artikel 15 wie folgt geändert:
- nach dem Absatz 1 wurden folgende Bestimmungen eingefügt:
"(2) In den Angelegenheiten der örtlichen Sicherheitspolizei, das ist des Teiles der Sicherheitspolizei, der das Interesse der Gemeinde zunächst berührt und innerhalb ihrer Grenzen durch ihre eigenen Kräfte besorgt werden kann, steht dem Bund die Befugnis zu, die Führung dieser Angelegenheiten durch die Gemeinde zu beaufsichtigen und wahrgenommene Mängel durch Weisungen an den Landeshauptmann (Artikel 103) abzustellen. Zu diesem Zweck können auch Inspektionsorgane des Bundes in die Gemeinden entsendet werden; hievon ist in jedem einzelnen Fall der Landeshauptmann zu verständigen.
(3) Die landesgesetzlichen Bestimmungen in den Angelegenheiten des Theater- und Kinowesens sowie der öffentlichen Schaustellungen, Darbietungen und Belustigungen haben für den örtlichen Wirkungsbereich von Bundespolizeibehörden diesen Behörden wenigstens die Überwachung der Veranstaltungen, soweit sie sich nicht auf betriebstechnische, bau- und feuerpolizeiliche Rücksichten erstreckt, und die Mitwirkung in erster Instanz bei Verleihung von Berechtigungen, die in solchen Gesetzen vorgesehen werden, zu übertragen.
(4) Inwieweit im örtlichen Wirkungsbereich von Bundespolizeibehörden diesen Behörden auf dem Gebiet der Straßenpolizei auf anderen, als Bundesstraßen die Vollziehung übertragen wird, wird durch übereinstimmende Gesetze des Bundes und des betreffenden Landes geregelt.
(5) Soweit Akte der Vollziehung in Bausachen bundeseigene Gebäude betreffen, die öffentlichen Zwecken, wie der Unterbringung von Behörden und Ämtern des Bundes oder von öffentlichen Anstalten - darunter auch Schulen und Spitälern - oder der kasernmäßigen Unterbringung von Heeresangehörigen oder sonstigen Bundesangestellten dienen, fallen diese Akte der Vollziehung in die mittelbare Bundesverwaltung; der Instanzenzug geht bis zum zuständigen Bundesminister. Die Bestimmung der Baulinie und des Niveaus fällt jedoch auch in diesen Fällen in die Vollziehung des Landes."
- die Absätze 2, 3, 4 und 5 erhielten dementsprechend die Bezeichnung als Absätze 6, 7, 8 und 9.
- im neuen Absatz 6 wurde an die Stelle des Wortes "Bundesrates" gesetzt: "Länder- und Ständerat". (Diese Änderung wurde gemäß dem BVG vom 7. Dezember 1929 betreffend Übergangsbestimmungen zur Zweiten Bundes-Verfassungsnovelle Artikel II. § 15 bis zum Erlaß eines BVG über die Zusammensetzung des Länder- und Ständerates ausgesetzt.)

Bis zum Inkrafttreten des § 42 des Übergangsgesetzes von 1920 in der Fassung vom 7. Dezember 1929 war der Artikel 15 aufgrund de § 42 des Übergangsgesetzes von 1920 in der ursprünglichen Fassung außer Kraft, da das Verfassungsgesetz nach Artikel 14 B-VG in der Fassung von 1920 - 1929 fehlte. Somit galt der Absatz 2 des genannten § 42 im Übergangsgesetz an Stelle des Artikels 10 B-VG, und somit § 11 und § 12 des Staatsgrundgesetzes vom 21. Dezember 1867, wodurch das Grundgesetz über die Reichsvertretung vom 26. Februar 1861 abgeändert wird, R.G.Bl. 141/1867, für die Verteilung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern fort.

Artikel 16. (1) Die Länder sind verpflichtet, Maßnahmen zu treffen, die in ihrem selbstständigen Wirkungsbereich zur Durchführung von Staatsverträgen erforderlich werden; kommt ein Land dieser Verpflichtung nicht rechtzeitig nach, so geht die Zuständigkeit zu solchen Maßnahmen, insbesondere zur Erlassung der notwendigen Gesetze, auf den Bund über.

(2) Ebenso hat der Bund bei Durchführung von völkerrechtlichen Verträgen das Überwachungsrecht auch in solchen Angelegenheiten, die zum selbständigen Wirkungsbereich der Länder gehören. Hiebei stehen dem Bund die gleichen Rechte gegenüber den Ländern zu wie bei den Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung (Art. 102).

Artikel 17. (1) Durch die Bestimmungen der Artikel 10 bis 15 über die Zuständigkeit in Gesetzgebung und Vollziehung wird die Stellung des Bundes und der Länder als Träger von Privatrechten in keiner Weise berührt.

(2) Der Bund kann in allen diesen Rechtsbeziehungen durch die Landesgesetzgebung niemals ungünstiger gestellt werden als das betreffende Land selbst.

Artikel 18. (1) Die gesamte staatliche Verwaltung darf nur auf Grund der Gesetze ausgeübt werden.

(2) Jede Verwaltungsbehörde kann im Rahmen der Gesetze innerhalb ihres Wirkungsbereiches Verordnungen erlassen.

Durch BVG vom 30. Juli 1925 (§ 9) erhielt er Artikel 18 Absatz 2 folgende Fassung:
"(2) Jede Verwaltungsbehörde kann auf Grund der Gesetze innerhalb ihres Wirkungsbereiches Verordnungen erlassen."

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 6) wurden dem Artikel 18 folgende Absätze angefügt:
"(3) Wenn die sofortige Erlassung von Maßnahmen, die verfassungsgemäß einer Beschlußfassung des Nationalrates bedürfen, zur Abwehr eines offenkundigen, nicht wieder gutzumachenden Schadens für die Allgemeinheit zu einer Zeit notwendig wird, in der der Nationalrat nicht versammelt ist, nicht rechtzeitig zusammentreten kann oder in seiner Tätigkeit durch höhere Gewalt behindert ist, kann der Bundespräsident auf Vorschlag der Bundesregierung unter seiner und deren Verantwortlichkeit diese Maßnahmen durch vorläufige gesetzändernde Verordnungen treffen. Die Bundesregierung hat ihren Vorschlag im Einvernehmen mit dem vom Hauptausschuß des Nationalrates einzusetzenden ständigen Unterausschuß (Artikel 55, Absatz 2) zu erstatten. Eine solche Verordnung bedarf der Gegenzeichnung der Bundesregierung.
(4) Jede nach Absatz 3 erlassene Verordnung ist von der Bundesregierung unverzüglich dem Nationalrat vorzulegen, den der Bundespräsident, falls der Nationalrat in diesem Zeitpunkt keine Tagung hat, während der Tagung aber der Präsident des Nationalrates für einen der der Vorlage folgenden acht Tage einzuberufen hat. Binnen vier Wochen nach der Vorlage hat der Nationalrat entweder an Stelle der Verordnung ein entsprechendes Bundesgesetz zu beschließen oder durch Beschluß das Verlangen zu stellen, daß die Verordnung von der Bundesregierung sofort außer Kraft gesetzt wird. Im letzterwähnten Fall muß die Bundesregierung diesem Verlagen sofort entsprechen. Zum Zweck der rechtzeitigen Beschlußfassung des Nationalrates hat der Präsident die Vorlage spätestens am vorletzten Tag der vierwöchigen Frist zur Abstimmung zu stellen; die näheren Bestimmungen trifft die Geschäftsordnung. Wird die Verordnung nach den vorhergehenden Bestimmungen von der Bundesregierung aufgehoben, treten mit dem Tag des Inkrafttretens der Aufhebung die gesetzlichen Bestimmungen wieder in Wirksamkeit, die durch die Verordnung aufgehoben worden waren.
(5) Die im Absatz 3 bezeichneten Verordnungen dürfen nicht eine Abänderung bundesverfassungsgesetzlicher Bestimmungen bedeuten und weder eine dauernde finanzielle Belastung des Bundes, noch eine finanzielle Belastung der Länder, Bezirke oder Gemeinden, noch finanzielle Verpflichtungen der Bundesbürger, noch eine Veräußerung von Staatsgut, noch Maßnahmen in den im Artikel 10, Z. 11, bezeichneten Angelegenheiten, noch endlich solche auf dem Gebiet des Koalitionsrechtes oder des Mieterschutzes zum Gegenstand haben."

Artikel 19. (1) Mit der Leitung der Vollziehung des Bundes und der Länder sind Volksbeauftragte betraut, die von den Vertretungen des Volkes im Bund und in den Ländern bestellt werden. Volksbeauftragte sind der Bundespräsident, die Bundesminister und Staatssekretäre und die Mitglieder der Landesregierungen.

(2) Die Geschäftsführung der Volksbeauftragten steht unter der Aufsicht der Volksvertretung, von der sie bestellt sind.

(3) Sie können wegen ihrer Handlungen und Unterlassungen, soweit es die Bundesverfassung oder die Landesverfassungen bestimmen, vor dem Verfassungsgerichtshof zur Verantwortung gezogen werden.

Durch BVG vom 30. Juli 1925 (§ 10) wurde dem Artikel 19 folgender Absatz angefügt:
"(4) Durch Bundesgesetz kann die Zulässigkeit der Betätigung von Volksbeauftragten und sonstigen öffentlichen Funktionären in der Privatwirtschaft beschränkt werden."

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 7) wurde der Artikel 19 wie folgt geändert:
- die Absätze 1, 2 und 3 durch folgende Bestimmung ersetzt:
"(1) Die obersten Organe der Vollziehung sind der Bundespräsident, die Bundesminister und Staatssekretäre sowie die Mitglieder der Landesregierungen."
- der bisherige Absatz 4 wurde Absatz 2 und dort wurden an die Stelle der Worte "von Volksbeauftragten und" gesetzt: "der im Absatz 1 bezeichneten Organe und von"

Artikel 20. Unter der Leitung der Volksbeauftragten führen nach den Bestimmungen der Gesetze auf Zeit gewählte Organe oder ernannte berufsmäßige Organe die Bundes- oder die Landesverwaltung. Sie sind, soweit nicht durch die Verfassung des Bundes oder der Länder anderes bestimmt wird, an die Weisungen ihrer vorgesetzten Volksbeauftragten gebunden und diesen für ihre amtliche Tätigkeit verantwortlich.

Durch BVG vom 30. Juli 1925 (§ 11) wurden dem Artikel 20 folgende Sätze angefügt:
"Das nachgeordnete Organ kann die Befolgung einer Weisung ablehnen, wenn die Weisung entweder von einem unzuständigen Organ erteilt wurde oder die Befolgung gegen strafgesetzliche Vorschriften verstoßen würde.
(2) Die Volksbeauftragten und die ihnen nachgeordneten Organe sind, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zur Verschwiegenheit über alle ihnen ausschließlich aus ihrer amtlichen Tätigkeit bekannt gewordenen Tatsachen verpflichtet, deren Geheimhaltung im Interesse einer Gebietskörperschaft oder der Parteien geboten ist (Amtsverschwiegenheit). Die Amtsverschwiegenheit besteht für die von einem allgemeinen Vertretungskörper bestellten Funktionäre nicht gegenüber diesem Vertretungskörper, wenn er derartige Auskünfte ausdrücklich verlangt."

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 7) wurde der Artikel 19 wie folgt geändert:
- im Absatz 1 wurden an die Stelle der Worte "der Volksbeauftragten" gesetzt: "der obersten Organe des Bundes und der Länder", nach den Worten "berufsmäßige Organe" wurden an die Stelle der Worte "die Bundes- oder die Landesverwaltung" gesetzt: "die Verwaltung", statt der Worte "durch die Verfassung des Bundes oder der Länder" wurde gesetzt: "verfassungsgesetzlich" und statt der Worte: "ihrer vorgesetzten Volksbeauftragten" wurde gesetzt: "der ihnen vorgesetzten Organe"
- im Absatz 2 wurden an die Stelle der Worte "Die Volksbeauftragten und die ihnen nachgeordneten Organe" gesetzt: "Alle mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betrauten Organe"

Artikel 21. (1) Das Dienstrecht, einschließlich des Besoldungssystems und des Disziplinarrechtes, wird für jene Angestellten des Bundes und der Länder, die behördliche Aufgaben zu besorgen haben, nach einheitlichen Grundsätzen durch Bundesgesetz geregelt (Artikel 10, Z. 16 und Artikel 12, Z. 10). Hiebei wird insbesondere auch festgesetzt, inwieweit bei der Regelung der Rechte und Pflichten dieser Abgestellten, unbeschadet der Diensthoheit des Bundes und der Länder, Personalvertretungen teilzunehmen haben.

(2) Die Diensthoheit des Bundes gegenüber seinen Angestellten wird von den Volksbeauftragten des Bundes, die Diensthoheit der Länder gegenüber ihren Angestellten von den Volksbeauftragten der Länder ausgeübt.

(3) Die Bestellung und das Dienstrecht jener Angestellten der Gebiets- und Ortsgemeinden, die behördliche Aufgaben zu vollziehen haben, werden im Zusammenhang mit der Organisation der Verwaltung geregelt.

(4) Die Möglichkeit des Wechsels zwischen dem Dienst beim Bund, den Ländern, den Gemeinden und Gemeindeverbänden bleibt den öffentlichen Angestellten jederzeit gewahrt. Der Dienstwechsel wird im Einvernehmen der zur Ausübung der Diensthoheit berufenen Stellen vollzogen. Durch Bundesgesetz können besondere Einrichtungen zur Erleichterung des Dienstwechsels geschaffen werden.

(5) Amtstitel für die Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und Gemeindeverbände können durch Bundesgesetz einheitlich festgesetzt werden. Sie sind gesetzlich geschützt.

Durch BVG vom 30. Juli 1925 (§ 12) wurde dem Artikel 21 Absatz 2 folgender Satz angefügt:
"Gegenüber den beim Rechnungshof Angestellten wird die Diensthoheit des Bundes vom Präsidenten des Rechnungshofes ausgeübt."

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 9) wurde der Artikel 21 wie folgt geändert:
- im Absatz 1 wurde anstatt "(Artikel 12, Z. 10)" gesetzt: "(Artikel 12, Z. 9).
- der Absatz 1 Satz 1 erhielt folgende Fassung:
"Die Diensthoheit gegenüber den Angestellten des Bundes wird von den obersten Organen des Bundes, die Diensthoheit gegenüber den Angestellten der Länder von den obersten Organen der Länder ausgeübt."

Artikel 22. Alle Organe des Bundes, der Länder und der Gemeinden sind im Rahmen ihres gesetzmäßigen Wirkungsbereiches zur wechselseitigen Hilfeleistung verpflichtet.

Artikel 23. (1) Alle mit Aufgaben des Bundes, Landes- oder Gemeindeverwaltung oder der Gerichtsbarkeit betrauten Personen sind für jeden bei der Ausübung ihrer Tätigkeit durch vorsätzliche oder grobfahrlässige Rechtsverletzung wem immer zugefügten Schaden haftbar. Der Bund, die Länder oder die Gemeinden haften für die Rechtsverletzungen der von ihnen bestellten Personen.

(2) Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.

Durch BVG vom 30. Juli 1925 (§ 12) erhielt der letzte Satz des Absatzes 1 des Artikels 23 folgende Fassung:
"Der Bund, die Länder oder die Gemeinden haften für ihre Rechtsverletzungen der als ihre Organe handelnden Personen."

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 10) erhielt der Artikel 23 folgende Fassung:
"Artikel 23. (1) Der Bund, die Länder, die Bezirke oder die Gemeinden haften, soweit sie nicht als Träger von Privatrechten in Betracht kommen,  für den Schaden, den die als ihre Organe handelnden Personen einem Dritten durch verursachen, daß sie die Rechte, die dem Dritten der Gebietskörperschaft gegenüber zustehen, in rechtswidriger Besorgung ihrer Aufgaben vorsätzlich oder grobfahrlässig verletzten. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.
(2) Soweit die im Absatz 1 bezeichneten Gebietskörperschaften als Träger von Privatrechten in Betracht kommen, haften sie für den Schaden, den die als ihre Organe handelnden Personen verursachen, nach den Bestimmungen des Zivilrechtes.
(3) Personen, die als Organe eines im Absatz 1 bezeichneten Rechtsträgers handeln, sind ihr nach bundesgesetzlicher Regelung haftbar, den sie in Ausübung ihrer Tätigkeit der Gebietskörperschaft unmittelbar zugefügt haben oder für den die Gebietskörperschaft dritten Personen Ersatz geleistet hat.
(4) Inwieweit auf dem Gebiet des Post-, Telegraphen-  und Fernsprechwesens von den in den Absätzen 1 bis 3 festgelegten Grundsätzen abweichende Sonderbestimmungen gelten, regeln die nach den Absätzen 1 und 3 ergehenden bundesgesetzlichen Vorschriften.".
 


Zweites Hauptstück.
Gesetzgebung des Bundes.

A. Nationalrat.

Artikel 24. Die Gesetzgebung des Bundes übt der vom ganzen Bundesvolk gewählte Nationalrat gemeinsam mit dem von den Landtagen gewählten Bundesrat aus.

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 11) erhielt der Artikel 24 folgende Fassung:
"Artikel 24. Die Gesetzgebung des Bundes übt der Nationalrat gemeinsam mit dem Länder- und Ständerat aus."

Siehe hierzu aber das BVG vom 7. Dezember 1929 betreffend Übergangsbestimmungen zur Zweiten Bundes-Verfassungsnovelle Artikel II. § 15, das das Wirksamwerden des Länder- und Ständerates an den Erlaß eines weiteren BVG knüpfte; dieses kam nicht zustande, so daß an Stelle der Worte "Länder- und Ständerat" weiter "Bundesrat" stand; nach dem 2. Weltkrieg wurden durch das 2. Verfassungs-Überleitungsgesetz vom 13. Dezember 1945 alle Bestimmungen hinsichtlich des "Länder- und Ständerates" aufgehoben und die Bestimmungen über den Bundesrat wieder in Geltung gesetzt.

Artikel 25. (1) Der Sitz des Nationalrates ist die Bundeshauptstadt Wien.

(2) Für die Dauer außerordentlicher Verhältnisse kann der Bundespräsident auf Antrag der Bundesregierung den Nationalrat in einen anderen Ort des Bundesgebietes berufen.

Artikel 26. (1) Der Nationalrat wird vom Bundesvolk auf Grund des gleichen, unmittelbaren, geheimen und persönlichen Wahlrechtes der Männer und Frauen, die vor dem 1. Jänner des Jahres der Wahl das zwanzigste Lebensjahr überschritten hatten, nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt.

(2) Das Bundesgebiet wird innerhalb der Landesgrenzen in räumlich geschlossene Wahlkreise geteilt. Die Zahl der Abgeordneten ist auf die Wahlberechtigten des Wahlkreises (Wahlkörper) im Verhältnis der Zahl der Bürgerzahl der Wahlkreise, das ist die Zahl der Bundesbürger zu verteilen, die nach dem Ergebnis der letzten Volkszählung in den Wahlkreisen ihren ordentlichen Wohnsitz hatten. Eine Gliederung der Wählerschaft in andere Wahlkörper ist nicht zulässig.

(3) Der Wahltag muß ein Sonntag oder ein anderer öffentlicher Ruhetag sein.

(4) Wählbar ist jeder Wahlberechtigte, der vor dem 1. Jänner des Jahres der Wahl das vierundzwanzigste Lebensjahr überschritten hat.

(5) Die Ausschließung vom Wahlrecht und von der Wählbarkeit kann nur die Folge einer gerichtlichen Verurteilung sein.

Durch BVG vom 30. Juli 1925 (§ 14) wurde dem Artikel 26 folgender Absatz angefügt:
"(6) Zur Durchführung und Leitung der Wahlen zum Nationalrat und von Volksabstimmungen nach Artikel 46 sowie zur Mitwirkung bei der Überprüfung von Volksbegehren sind Wahlbehörden zu bestellen, denen als stimmberechtigte Beisitzer Vertreter der wahlwerbenden Parteien anzugehören haben, bei der Hauptwahlbehörde überdies Beisitzer, die dem richterlichen Stand angehören oder angehört haben. Die in der Wahlordnung festzusetzende Anzahl dieser Beisitzer ist - abgesehen von den dem richterlichen Berufsstande entstammenden Beisitzern - auf die wahlwerbenden Parteien nach ihrer bei der letzten Wahl zum Nationalrat festgestellten Stärke aufzuteilen."

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 12) wurde der Artikel 26 wie folgt geändert:
- im Absatz 1 wurde an Stelle der Worte "die vor dem 1. Jänner des Jahres der Wahl das zwanzigste Lebensjahr überschritten haben" gesetzt: "die das einundzwanzigste Lebensjahr vollendet haben"; weiter wurden diesem Absatz folgende Sätze angefügt:
"Ob und unter welchen Voraussetzungen auf Grund staatsvertraglich gewährleisteter Gegenseitigkeit auch Personen, die nicht die Bundesbürgerschaft besitzen, das Wahlrecht zusteht, wird in dem Bundesgesetz über die Wahlordnung geregelt. Für die Wahl besteht Wahlpflicht in den Bundesländern, in denen dies durch Landesgesetz angeordnet wird. Durch Bundesgesetz werden die näheren Bestimmungen über das Wahlverfahren und die allfällige Wahlpflicht getroffen. Zu diesem Bundesgesetz sind insbesondere auch die Gründe festzusetzen, aus denen eine Nichtteilnahme an der Wahl trotz der Wahlpflicht als entschuldigt gilt.".
- Absatz 2 Satz 1 erhielt folgende Fassung:
"Das Bundesgebiet wird in räumlich geschlossene Wahlkreise geteilt, deren Grenzen die Landesgrenzen nicht schneiden dürfen."
- im Absatz 4 wurde an Stelle der Worte "das vierundzwanzigste Lebensjahr" gesetzt: "das neunundzwanzigste  Lebensjahr".
- folgende Absätze wurden angefügt:
"(7) Die Grundlage für die Durchführung von Wahlen, Volksabstimmungen und Volksbegehren bilden ständige Wählerverzeichnisse, die alljährlich am 1. Jänner und am 1. Juni durch einen Monat zur allgemeinen Einsicht aufgelegt werden. Während dieser Auflagefristen haben die Bundesbürger (Absatz 1, erster und zweiter Satz) das Recht, die Richtigstellung der Wählerverzeichnisse zu verlangen. Als Stichtag für die Beurteilung der Wahlrechtserfordernisse hat jeweils der letzte Tag der Auflagefrist zu gelten. Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz, das auch regelt, inwieweit vor jeder Wahl ein Richtigstellungsverfahren durchgeführt wird.
(8) Die Wählerverzeichnisse werden von den Gemeinden, sofern aber Gemeinden zum örtlichen Wirkungsbereich einer Bundespolizeibehörde gehören, von dieser unter Mitwirkung der Gemeinde angelegt."

Artikel 27. (1) Die Gesetzgebungsperiode des Nationalrates dauert vier Jahre, vom Tag seines ersten Zusammentrittes an gerechnet, jedenfalls aber bis zu dem Tag, an dem der neue Nationalrat zusammentritt.

(2) Der neugewählte Nationalrat ist vom Bundespräsidenten längstens innerhalb dreißig Tagen nach der Wahl einzuberufen. Diese ist von der Bundesregierung so anzuordnen, daß der neugewählte Nationalrat am Tag nach dem Ablauf des vierten Jahres der Gesetzgebungsperiode zusammentreten kann.

Artikel 28. Der Nationalrat kann nur durch seinen Beschluß vertagt werden. Die Wiedereinberufung erfolgt durch seinen Präsidenten. Dieser ist verpflichtet, den Nationalrat sofort einzuberufen, wenn wenigstens ein Viertel seiner Mitglieder oder die Bundesregierung es verlangt.

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 13) erhielt der Artikel 28 folgende Fassung:
"Artikel 28. (1) Der Bundespräsident beruft den Nationalrat in jedem Jahr zu zwei ordentlichen Tagung ein, und zwar zu einer Frühjahrstagung und zu einer Herbsttagung. Die Frühjahrstagung, deren Dauer mindestens zwei Monate beträgt, soll nicht länger als bis zum 15. Juni wären, die Herbsttagung, deren Dauer mindestens vier Monate beträgt, nicht vor dem 15. Oktober beginnen.
(2) Der Bundespräsident kann den Nationalrat auch zu außerordentlichen Tagungen einberufen. Wenn es die Bundesregierung oder mindestens ein Drittel der Mitglieder des Nationalrates, der Länderrat oder der Ständerat verlangt, ist der Bundespräsident verpflichtet, den Nationalrat binnen zwei Wochen zu einer außerordentlichen Tagung einzuberufen
(3) Der Bundespräsident erklärt die Tagungen des Nationalrates auf Grund Beschlusses des Nationalrates für beendet.
(4) Bei Eröffnung einer neuen Tagung des Nationalrates innerhalb der gleichen Gesetzgebungsperiode werden die Arbeiten nach dem Stand fortgesetzt, in dem sie sich bei der Beendigung der letzten Tagung befunden haben. Bei Beendigung einer Tagung können einzelne Ausschüsse vom Nationalrat beauftragt werden, ihre Arbeiten fortzusetzen.
(5) Innerhalb einer Tagung beruft und schließt die einzelnen Sitzungen des Nationalrates  sein Präsident. Dieser ist verpflichtet, innerhalb einer Tagung eine Sitzung spätestens binnen fünf Tagen einzuberufen, wenn dies wenigstens ein Viertel der Mitglieder des Nationalrates oder die Bundesregierung  verlangt."

Artikel 29. Vor Ablauf der Gesetzgebungsperiode kann der Nationalrat durch einfaches Gesetz seine Auflösung beschließen. Auch in diesem Fall dauert die Gesetzgebungsperiode bis zum Zusammentritt des neugewählten Nationalrates.

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 14) erhielt der Artikel 29 folgende Fassung:
"Artikel 29. (1) Der Bundespräsident kann den Nationalrat auflösen, er darf dies jedoch nur einmal aus dem gleichen Anlaß verfügen. Die Neuwahl ist in diesem Fall von der Bundesregierung so anzuordnen, daß der neugewählte Nationalrat längstens am neunzigsten Tag nach der Auflösung zusammentreten kann.
(2) Vor Ablauf der Gesetzgebungsperiode kann der Nationalrat durch einfaches Gesetz seine Auflösung beschließen.
(3) Nach einer gemäß Absatz 2 erfolgten Auflösung sowie nach Ablauf der Zeit, für die der Nationalrat gewählt ist, dauert die Gesetzgebungsperiode bis zum Tag, an dem der neugewählte Nationalrat zusammentritt."

Artikel 30. (1) Der Nationalrat wählt aus seiner Mitte den Präsidenten, den zweiten und dritten Präsidenten.

(2) Die Geschäfte des Nationalrates werden auf Grund eines besonderen Gesetzes und einer im Rahmen dieses Gesetzes vom Nationalrat zu beschließenden autonomen Geschäftsordnung geführt. Das Gesetz über die Geschäftsordnung kann nur bei Anwesenheit der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen beschlossen werden.

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 15) wurde dem Artikel 30 folgender Absatz angefügt:
"(3) Die Ernennung der Angestellten der Kanzlei des Präsidenten des Nationalrates steht dem Präsidenten des Nationalrates zu."

Artikel 31. Zu einem Beschluß des Nationalrates ist, soweit in diesem Gesetz nicht anderes bestimmt ist, die Anwesenheit von mindestens einem Drittel der Mitglieder und die unbedingte Mehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich.

Artikel 32. (1) Die Sitzungen des Nationalrates sind öffentlich.

(2) Die Öffentlichkeit wird ausgeschlossen, wenn es vom Vorsitzenden oder einem Fünftel der anwesenden Mitglieder verlangt und vom Nationalrat nach Entfernung der Zuhörer beschlossen wird.

Artikel 33. Wahrheitsgetreue Berichte über die Verhandlungen in den öffentlichen Sitzungen des Nationalrates und seiner Ausschüsse bleiben von jeder Verantwortung frei.
 


B. Bundesrat.

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 16) erhielt die Überschrift die Fassung: "B. Länder- und Ständerat" Diese Änderung ist nicht in Kraft getreten; siehe Hinweis bei Artikel 24.

Artikel 34. (1) Im Bundesrat sind die Länder im Verhältnis zur Bürgerzahl im Land gemäß den folgenden Bestimmungen vertreten.

(2) Für die Vertretung und Stellung im Bundesrat gelten Wien und Niederösterreich-Land (Artikel 108 bis 114) als selbständige Länder.

(3) Das Land mit der größten Bürgerzahl entsendet zwölf, jedes andere Land so viele Mitglieder, als dem Verhältnis seiner Bürgerzahl zur erstangeführten Bürgerzahl entspricht, wobei Reste über die Hälfte der Verhältniszahl als voll gelten. Jedem Land gebührt jedoch eine Vertretung von wenigstens drei Mitgliedern. Für jedes Mitglied wird ein Ersatzmann bestellt.

(4) Die Zahl der demnach von jedem Land zu entsendenden Mitglieder wird vom Bundespräsidenten nach jeder allgemeinen Volkszählung festgesetzt.

Durch BVG vom 30. Juli 1925 (§ 15) wurde der Artikel 34 wie folgt geändert:
- der Absatz 2 wurde gestrichen.
- die Absätze 3 und 4 wurden als Absätze 2 und 3 bezeichnet.

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 16) erhielt der Artikel 34 folgende Fassung:
"Artikel 34. Der Länder- und Ständerat gliedert sich in den Länderrat (Gruppe der Ländervertreter) und den Ständerat (Gruppe der Ständevertreter)."
Diese Änderung ist nicht in Kraft getreten; siehe Hinweis bei Artikel 24.

Artikel 35. (1) Die Mitglieder des Bundesrates und ihre Ersatzmänner werden von den Landtagen für die Dauer ihrer Gesetzgebungsperiode nach dem Grundsatz der Verhältniswahl gewählt, jedoch muß wenigstens ein Mandat der Partei zufallen, die die zweithöchste Anzahl von Sitzen im Landtag oder, wenn mehrere Parteien die gleiche Anzahl von Sitzen haben, die zweithöchste Zahl von Wählerstimmen bei der letzten Landtagswahl aufweist. Bei gleichen Ansprüchen mehrerer Parteien entscheidet das Los.

(2) Die Mitglieder des Bundesrates müssen nicht dem Landtag angehören, der sie entsendet; sie müssen jedoch zu diesem Landtag wählbar sein.

(3) Nach Ablauf der Gesetzgebungsperiode eines Landtages oder nach seiner Auflösung bleiben die von ihm entsendeten Mitglieder des Bundesrates so lange in Funktion, bis der neue Landtag die Wahl in den Bundesrat vorgenommen hat.

(4) Die Bestimmungen dieses Artikels können nur abgeändert werden, wenn im Bundesrat - abgesehen von der für seine Beschlußfassung überhaupt erforderlichen Stimmenmehrheit - die Mehrheit der Vertreter von wenigstens vier Ländern die Änderung angenommen hat.

Durch BVG vom 30. Juli 1925 (§ 16) wurden im Artikel 35 Absatz 4 die ersten Worte wie folgt gefaßt:
"Die Bestimmungen der Artikel 34 und 35 ...".

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 16) erhielt der Artikel 35 folgende Fassung:
"Artikel 35. Der Ständerat besteht aus Vertretern der Berufsstände des Bundesvolkes; seine Zusammensetzung und die Grundsätze seiner Bestellung werden durch ein besonderes Bundesverfassungsgesetz geregelt."
Diese Änderung ist nicht in Kraft getreten; siehe Hinweis bei Artikel 24.

Artikel 36. (1) Im Vorsitz des Bundesrates wechseln die Länder halbjährlich in alphabetischer Reihenfolge.

(2) Als Vorsitzender fungiert der an erster Stelle entsendete Vertreter des zum Vorsitz berufenen Landes; die Bestellung der Stellvertreter regelt die Geschäftsordnung des Bundesrates.

(3) Der Bundesrat wird von seinem Vorsitzenden an den Sitz des Nationalrates einberufen. Der Vorsitzende ist verpflichtet, den Bundesrat sofort einzuberufen, wenn wenigstens ein Viertel seiner Mitglieder oder die Bundesregierung es verlangt.

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 16) fiel der Artikel 36 fort. Diese Änderung ist nicht in Kraft getreten; siehe Hinweis bei Artikel 24.

Artikel 37. (1) Zu einem Beschluß des Bundesrates ist, soweit in diesem Gesetz nicht anders bestimmt ist, die Anwesenheit von mindestens einem Drittel der Mitglieder und die unbedingte Mehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich.

(2) Der Bundesrat gibt sich seine Geschäftsordnung durch Beschluß. Dieser Beschluß kann nur bei Anwesenheit der Hälfte der Mitglieder mit einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen gefaßt werden.

(3) Die Sitzungen des Bundesrates sind öffentlich. Die Öffentlichkeit kann jedoch gemäß den Bestimmungen der Geschäftsordnung durch Beschluß aufgehoben werden. Die Bestimmungen des Artikel 33 gelten auch für öffentliche Sitzungen des Bundesrates und seiner Ausschüsse.

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 16) fiel der Artikel 37 fort. Diese Änderung ist nicht in Kraft getreten; siehe Hinweis bei Artikel 24.
 

C. Bundesversammlung.

Artikel 38. Nationalrat und Bundesrat treten als Bundesversammlung in gemeinsamer öffentlicher Sitzung zur Wahl des Bundespräsidenten und zu dessen Angelobung, ferner zur Beschlußfassung über eine Kriegserklärung am Sitz des Nationalrates zusammen.

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 17) erhielt der Artikel 38 folgende Fassung:
"Artikel. 38. Der Nationalrat und der Länder- und Ständerat treten als Bundesversammlung in gemeinsamer öffentlicher Sitzung zur Angelobung des Bundespräsidenten, ferner zur Beschlußfassung über eine Kriegserklärung am Sitz des Nationalrates zusammen."

Zum "Länder- und Ständerat" siehe Hinweis bei Artikel 24.

Artikel 39. (1) Die Bundesversammlung wird - abgesehen von den Fällen des Artikels 63, Absatz 2, des Artikels 64, Absatz 2 und des Artikels 68, Absatz 2 - vom Bundespräsidenten einberufen. Der Vorsitz wird abwechselnd vom Präsidenten des Nationalrates und vom Vorsitzenden des Bundesrates, das erstemal von jenem, geführt.

(2) In der Bundesversammlung wird die Geschäftsordnung des Nationalrates sinngemäß angewendet.

(3) Nationalrat und Bundesrat können den Gegenstand der Abstimmung vorher auch gesondert beraten.

(4) Die Bestimmungen des Artikels 33 gelten auch für die Sitzungen der Bundesversammlung.

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 18) wurde der Artikel 39 wie folgt geändert:
- im Absatz 1 wurde nach den Worten "abgesehen von den Fällen" eingefügt: "des Artikels 60, Absatz 6," und statt der Worte "des Bundesrates" gesetzt: "des Länder und Ständerates".
- der Absatz 3 wurde gestrichen.
- der Absatz 4 erhielt die Bezeichnung Absatz 3.

Artikel 40. (1) Die Beschlüsse der Bundesversammlung werden von ihrem Vorsitzenden beurkundet und vom Bundeskanzler gegengezeichnet.

(2) Die amtliche Kundmachung liegt dem Bundeskanzler ob.

Durch BVG vom 30. Juli 1925 (§ 17) erhielt der Artikel 40 Absatz 2 folgende Fassung:
"(2) Die Beschlüsse der Bundesversammlung über das Ergebnis der Wahl des Bundespräsidenten und über eine Kriegserklärung sind vom Bundeskanzler amtlich kundzumachen."

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 19) wurden im Artikel 40 Absatz 2 die Worte "über das Ergebnis der Wahl des Bundespräsidenten und" gestrichen.
 

D. Der Weg der Bundesgesetzgebung.

Artikel 41. (1) Gesetzesvorschläge gelangen an den Nationalrat als Anträge seiner Mitglieder oder als Vorlagen der Bundesregierung. Der Bundesrat kann durch Vermittlung der Bundesregierung Gesetzesanträge im Nationalrat stellen.

(2) Jeder von 200 000 Stimmberechtigten oder von je der Hälfte der Stimmberechtigten dreier Länder gestellte Antrag (Volksbegehren) ist von der Bundesregierung  dem Nationalrat zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung vorzulegen. Das Volksbegehren muß in Form eines Gesetzentwurfes gestellt werden.

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 20) wurden im Artikel 41 Absatz 1 an Stelle der Worte "Der Bundesrat kann" gesetzt: "Der Länderrat und der Ständerat können".  Diese Änderung ist nicht in Kraft getreten; siehe Hinweis bei Artikel 24.

Artikel 42. (1) Jeder Gesetzesbeschluß des Nationalrates ist unverzüglich von dessen Präsidenten dem Bundeskanzler zu übermitteln, der ihn sofort dem Bundesrat bekanntzugeben hat..

(2) Ein Gesetzesbeschluß kann, soweit nicht verfassungsgesetzlich anderes bestimmt ist, nur dann beurkundet und kundgemacht werden, wenn der Bundesrat gegen diesen Beschluß keinen mit Gründen versehenen Einspruch erhoben hat.

(3) Dieser Einspruch muß durch Vermittlung des Bundeskanzlers dem Nationalrat innerhalb acht Wochen nach Einlangen des Gesetzesbeschlusses beim Bundesrat schriftlich mitgeteilt werden.

(4) Wiederholt der Nationalrat seinen ursprünglichen Beschluß bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder, so ist dieser zu beurkunden und kundzumachen. Beschließt der Bundesrat keinen Einspruch zu erheben, oder wird innerhalb der im Absatz 3 festgesetzten Frist kein mit Begründung versehener Einspruch erhoben, so ist der Gesetzesbeschluß zu beurkunden und kundzumachen.

(5) Gegen Beschlüsse des Nationalrates, die ein Gesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates, die Auflösung des Nationalrates, ein Bewilligung des Bundesvoranschlages, die Genehmigung des Bundesrechnungsabschlusses, die Aufnahme oder Konvertierung von Bundesanleihen oder die Verfügung über Bundesvermögen betreffen, kann der Bundesrat keinen Einspruch erheben. Diese Gesetzesbeschlüsse des Nationalrates sind ohne weiteres zu beurkunden und kundzumachen.

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 21) wurde der Artikel 42 wie folgt geändert:
- in den Absätzen 2, 3, 4 und 5 wurden an Stelle des Wortes "Bundesrat" gesetzt: "Länder- und Ständerat". Diese Änderung ist nicht in Kraft getreten; siehe Hinweis bei Artikel 24.
- in Absatz 5 wurde nach den Worten "Gegen Beschlüsse des Nationalrates, die " eingefügt: "ein nach Artikel 64, Absatz 1, ergehendes Bundesgesetz über die Vertretung des Bundespräsidenten, "

Artikel 43. Einer Volksabstimmung ist jeder Gesetzesbeschluß des Nationalrates vor seiner Beurkundung durch den Bundespräsidenten, zu unterziehen, wenn der Nationalrat es beschließt oder die Mehrheit der Mitglieder des Nationalrates es verlangt.

Durch BVG vom 30. Juli 1925 (§ 18) wurden im Artikel 43 vor den Worten "vor seiner Beurkundung" eingefügt: "nach Beendigung des Verfahrens gemäß Artikel 42".

Artikel 44. (1) Verfassungsgesetze oder in einfachen Gesetzen enthaltene Verfassungsbestimmungen können vom Nationalrat nur in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen beschlossen werden; sie sind als solche ("Verfassungsgesetz", "Verfassungsbestimmung") ausdrücklich zu bezeichnen.

(2) Jede Gesamtänderung der Bundesverfassung, eine Teiländerung aber nur, wenn dies von einem Drittel der Mitglieder des Nationalrates oder des Bundesrates verlangt wird, ist nach Beendigung des Verfahrens gemäß Artikel 42, jedoch vor der Beurkundung durch den Bundespräsidenten, einer Abstimmung des gesamten Bundesvolkes zu unterziehen.

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 22) wurde im Artikel 44 Absatz 2 an Stelle des Wortes "Bundesrates" gesetzt: "Länder- und Ständerates".  Diese Änderung ist nicht in Kraft getreten; siehe Hinweis bei Artikel 24.

Artikel 45. (1) In der Volksabstimmung entscheidet die unbedingte Mehrheit der gültig abgegebenen Stimmen.

(2) Das Ergebnis der Volksabstimmung ist amtlich zu verlautbaren.

Artikel 46. (1) Das Verfahren für das Volksbegehren und die Volksabstimmung wird durch Bundesgesetz geregelt.

(2) Stimmberechtigt ist jeder zum Nationalrat wahlberechtigte Bundesbürger.

(3) Der Bundespräsident ordnet die Volksabstimmung an.

Artikel 47. (1) Das verfassungsmäßige Zustandekommen der Bundesgesetze wird durch die Unterschrift des Bundespräsidenten beurkundet.

(2) Die Vorlage zur Beurkundung erfolgt durch den Bundeskanzler.

(3) Die Beurkundung ist vom Bundeskanzler und den zuständigen Bundesministern gegenzuzeichnen.

Artikel 48. Bundesgesetze und die in Artikel 50 bezeichneten Staatsverträge werden mit Berufung auf den Beschluß des Nationalrates, Bundesgesetze, die auf einer Volksabstimmung beruhen, mit Berufung auf das Ergebnis der Volksabstimmung kundgemacht.

Artikel 49. (1) Die Bundesgesetze und die in Artikel 50 bezeichneten Staatsverträge sind vom Bundeskanzler im Bundesgesetzblatt kundzumachen. Ihre verbindende Kraft beginnt, wenn nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, nach Ablauf des Tages, an dem das Stück des Bundesgesetzblattes, das die Kundmachung enthält, herausgegeben und versendet wird, und erstreckt sich, wenn nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, auf das gesamte Bundesgebiet

(2) Über das Bundesgesetzblatt ergeht ein besonderes Bundesgesetz.
 

E. Mitwirkung des Nationalrates und des Bundesrates an der Vollziehung des Bundes.

Artikel 50. (1) Alle politische Staatsverträge, andere nur, sofern sie gesetzändernden oder gesetzesergänzenden Inhalt haben, bedürfen zu ihrer Gültigkeit der  Genehmigung durch den Nationalrat

(2) Auf Beschlüsse des Nationalrates über die Genehmigung von Staatsverträgen werden die Bestimmungen des Artikels 42. Absatz 1 bis 4, und, wenn durch den Staatsvertrag ein Verfassungsgesetz geändert wird, die Bestimmungen des Artikels 44, Absatz 1, sinngemäß angewendet.

Artikel 51. Dem Nationalrat ist spätestens acht Wochen vor Ablauf des Finanzjahres von der Bundesregierung ein Voranschlag der Einnahmen und Ausgaben des Bundes für das folgende Finanzjahr vorzulegen.

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 23) wurde der Artikel 51 wie folgt geändert:
- an Stelle der Worte "acht Wochen" wurde gesetzt: "zehn Wochen".
- folgende Absätze wurden angefügt:
"(2) Bundesausgaben, die im Bundesfinanzgesetz oder in einem Sondergesetz nicht vorgesehen sind, bedürfen vor ihrer Vollziehung der verfassungsmäßigen Genehmigung des Nationalrates, die vom Bundesminister der Finanzen einzuholen ist. Bei Gefahr im Verzug darf eine solche Bundesausgabe, sofern sie 1.000.000 S nicht übersteigt, mit Zustimmung des Hauptausschusses des Nationalrates vollzogen werden; die Genehmigung des Nationalrates ist nachträglich anzusprechen.
(3) Wird der von der Bundesregierung zeitgerecht (Absatz 1) dem Nationalrat vorgelegte Bundesvoranschlagsentwurf nicht vor Ablauf des Finanzjahres verfassungsmäßig genehmigt und bis dahin auch keine vorläufige Vorsorge durch Bundesgesetz getroffen, so sind in den ersten zwei Monaten des folgenden Finanzjahres die Steuern, Abgaben und Gefälle nach den bestehenden Vorschriften einzuheben und die Bundesausgaben auf Rechnung der gesetzlich festzustellenden Kredite mit Ausnahme von Ausgaben, die im letzten Bundesfinanzgesetz ihrer Art nach nicht besonderes vorgesehen waren, zu bestreiten. Die Höchstgrenze der zulässigen Bundesausgaben bilden die in dem dem Nationalrat vorgelegten Bundesvoranschlagsentwurf enthaltenen Ausgabenkredite, wobei für jeden Monat ein Zwölftel dieser Kredite als Grundlage zu dienen hat. Die zur Erfüllung rechtsverbindlicher Verpflichtungen erforderlichen Ausgaben sind nach Maßgabe der Fälligkeit zu bestreiten. Die Besetzung von Dienstposten erfolgt gleichfalls auf Grund des dem Nationalrat vorgelegten Entwurfes des Bundesfinanzgesetzes. Im übrigen bleiben die Bestimmungen des letzten Bundesfinanzgesetzes, soweit sie nicht Gebarungsziffern betreffen, sinngemäß auch für die erwähnten zwei Monate in Kraft."

Artikel 52. Der Nationalrat und der Bundesrat sind befugt, die Geschäftsführung der Bundesregierung zu überprüfen, deren Mitglieder über alle Gegenstände der Vollziehung zu befragen und alle einschlägigen Auskünfte zu verlangen sowie ihren Wünschen über die Ausübung der Vollziehung in Entschließungen Ausdruck zu geben.

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 24) wurde im Artikel 52 an Stelle des Wortes "Bundesrat" gesetzt: "Länder- und Ständerat".  Diese Änderung ist nicht in Kraft getreten; siehe Hinweis bei Artikel 24.

Artikel 53. (1) Der Nationalrat kann durch Beschluß Untersuchungsausschüsse einsetzen.

(2) Die Gerichte und alle anderen Behörden sind verpflichtet, dem Ersuchen dieser Ausschüsse um Beweiserhebungen Folge zu leisten; alle öffentlichen Ämter haben auf Verlangen ihre Akten vorzulegen.

(3) Das Verfahren der Untersuchungsausschüsse wird durch das Gesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates geregelt.

Artikel 54. Der Nationalrat wirkt an der Festsetzung von Eisenbahntarifen, Post-, Telegraphen- und Fernsprechgebühren und Preisen der Monopolgegenstände sowie von Bezügen der in Betrieben des Bundes ständig beschäftigten Personen mit. Diese Mitwirkung wird durch Bundesverfassungsgesetz geregelt.

Artikel 55. An der Vollziehung des Bundes wirkt der Nationalrat auch durch den aus seiner Mitte nach dem Grundsatz der Verhältniswahl gewählten  Hauptausschuß in den durch dieses Gesetz bestimmten Fällen mit. Dem Hauptausschuß liegt insbesondere die Mitwirkung an der Bestellung der Bundesregierung ob (Artikel 70). Außerdem kann durch Bundesgesetze festgesetzt werden, daß bestimmte Verordnungen der Bundesregierung des Einvernehmens mit de Hauptausschusses bedürfen.

Durch BVG vom 30. Juli 1925 (§ 19) wurden im letzten Satz des Artikel 55 nach den Worten "bestimmte Verordnungen der Bundesregierung" eingefügt: "oder eines Bundesministers".

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 25) erhielt der Artikel 55 folgende Fassung:
"Artikel. 55. (1) Der Nationalrat wählt aus seiner Mitte nach dem Grundsatz der Verhältniswahl den Hauptausschuß; durch Bundesgesetz kann festgesetzt werden, daß bestimmte Verordnungen der Bundesregierung oder eines Bundesministers des Einvernehmens mit dem Hauptausschuß bedürfen. Der Hauptausschuß ist auch außerhalb der Tagungen des Nationalrates (Artikel 28) einzuberufen, wenn sich die Notwendigkeit hiezu ergibt.
(2) Der Hauptausschuß wählt aus seiner Mitte einen ständigen Unterausschuß, dem die in diesem Gesetz vorgesehenen Befugnisse obliegen. Die Wahl erfolgt nach dem Grundsatz der Verhältniswahl; bei Bedachtnahme auf diesen Grundsatz muß jedoch dem Unterausschuß mindestens ein Mitglied jeder im Hauptausschuß vertretenen Partei angehören. Die Mitglieder und Ersatzmitglieder des ständigen Unterausschusses müssen ihren Wohnsitz am Sitz des Nationalrates haben. Die Geschäftsordnung hat Vorsorge zu treffen, daß der ständige Unterausschuß jederzeit einberufen werden und zusammentreten kann. Wird der Nationalrat nach Artikel 29 Absatz 1 vom Bundespräsidenten aufgelöst, so obliegt dem ständigen Unterausschuß die Mitwirkung an der Vollziehung, die nach diesem Gesetz sonst dem Nationalrat (Hauptausschuß) zusteht."
 

F. Stellung der Mitglieder des Nationalrates und des Bundesrates.

Artikel 56. Die Mitglieder des Nationalrates und die Mitglieder des Bundesrates sind bei der Ausübung dieses Berufes an keinen Auftrag gebunden.

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 26) wurde im Artikel 56 an Stelle des Wortes "Bundesrates" gesetzt: "Länder- und Ständerates".  Diese Änderung ist nicht in Kraft getreten; siehe Hinweis bei Artikel 24.

Artikel 57. (1) Die Mitglieder des Nationalrates können wegen der in Ausübung ihres Berufes geschehenen Abstimmungen niemals, wegen der in diesem Beruf gemachten Äußerungen nur vom Nationalrat verantwortlich gemacht werden.

(2) Kein Mitglied des Nationalrates darf wegen einer strafbaren Handlung - den Fall der Ergreifung auf frischer Tat bei Verübung eines Verbrechens ausgenommen - ohne Zustimmung des Nationalrates verhaftet oder sonst behördlich verfolgt werden.

(3) Im Fall der Ergreifung auf frischer Tat hat die Behörde dem Präsidenten des Nationalrates sogleich die geschehene Verhaftung bekanntzugeben.

(4) Wenn es der Nationalrat verlangt, muß die Haft aufgehoben oder die Verfolgung überhaupt auf die Dauer der Gesetzgebungsperiode aufgeschoben werden.

(5) Die Immunität der Organe des Nationalrates, deren Funktion über die Gesetzgebungsperiode hinausgeht, bleibt für die Dauer dieser Funktion bestehen.

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 27) erhielt der Artikel 57 folgende Fassung:
"Artikel. 57. (1) Die Mitglieder des Nationalrates können wegen der in Ausübung ihres Berufes geschehenen Abstimmungen niemals, wegen der in diesem Beruf gemachten mündlichen oder schriftlichen Äußerungen nur vom Nationalrat verantwortlich gemacht werden.
(2) Kein Mitglied des Nationalrates darf wegen einer strafbaren Handlung - den Fall der Ergreifung auf frischer Tat bei Verübung eines Verbrechens ausgenommen - ohne Zustimmung des Nationalrates verhaftet oder sonst behördlich verfolgt werden. Der Nationalrat hat über ein Ersuchen der zur Verfolgung berufenen Behörde um Zustimmung zur Verhaftung oder sonstigen behördlichen Verfolgung eines seiner Mitglieder binnen sechs Wochen zu beschließen. Verlangt der Nationalrat innerhalb dieser Frist nicht, daß die Verfolgung auf die Dauer der Gesetzgebungsperiode aufgehoben wird, so darf die Verhaftung oder sonstige behördliche Verfolgung stattfinden. Die tagungsfreie Zeit wird weder in diese Frist noch in die Verjährungszeit eingerechnet.
(3) Im Fall der Ergreifung auf frischer Tat bei Verübung eines Verbrechens hat die Behörde dem Präsidenten des Nationalrates sogleich die geschehene Verhaftung bekanntzugeben. Wenn es der Nationalrat oder in der tagungsfreien Zeit der mit diesen Angelegenheiten betraute ständige Ausschuß verlangt, muß die Haft aufgehoben oder die Verfolgung überhaupt auf die Dauer der Gesetzgebungsperiode aufgeschoben werden.
(4) Zum Zweck der rechtzeitigen Beschlußfassung des Nationalrates hat der Präsident das Auslieferungsbegehren spätestens am vorletzten Tag der sechswöchigen Frist zur Abstimmung zu stellen; die näheren Bestimmungen trifft die Geschäftsordnung.
(5) Die Immunität der Mitglieder des Nationalrates (Absätze 1 bis 3) endigt mit dem Tag des Zusammentrittes des neugewählten Nationalrates, bei Organen des Nationalrates, deren Funktion über diesen Zeitpunkt hinausgeht, mit dem Erlöschen dieser Funktion."

Artikel 58. Die Mitglieder des Bundesrates genießen während der ganzen Dauer ihrer Funktion die Immunität von Mitgliedern des Landtages, der sie entsendet hat.

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 28) erhielt der Artikel 58 folgende Fassung:
"Artikel. 58. (1) Die Mitglieder des Länderrates genießen während der ganzen Dauer ihrer Funktion die Immunität von Mitgliedern des Landtages des Landes, dessen Landesregierung sie angehören.
(2) Für die Mitglieder des Ständerates findet Artikel 57 sinngemäß Anwendung."

Artikel 59. (1) Niemand kann gleichzeitig dem Nationalrat und dem Bundesrat angehören.

(2) Öffentliche Angestellte, einschließlich der Angehörigen des Bundesheeres, bedürfen zur Ausübung eines Mandates im Nationalrat oder im Bundesrat keines Urlaubs. Bewerben sie sich um Mandate im Nationalrat, ist ihnen die dazu erforderliche freie Zeit zu gewähren. Das Nähere bestimmen die Dienstvorschriften.

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 29) wurde im Artikel 59 jeweils in Absatz 1 und Absatz 2 an Stelle des Wortes "Bundesrat" gesetzt: "Länder- und Ständerat".  Diese Änderung ist nicht in Kraft getreten; siehe Hinweis bei Artikel 24.
 

Drittes Hauptstück.
Vollziehung des Bundes.

A. Verwaltung.

1. Bundespräsident.

Artikel 60. (1) Der Bundespräsident wird von der Bundesversammlung gemäß Artikel 38 in geheimer Abstimmung gewählt.

(2) Seit Amt dauert vier Jahre. Eine Wiederwahl für die unmittelbar folgende Funktionsperiode ist nur einmal zulässig.

(3) Zum Bundespräsidenten kann nur gewählt werden, wer das Wahlrecht zum Nationalrat hat und vor dem 1. Jänner des Jahres der Wahl das fünfunddreißigste  Lebensjahr überschritten hat.

(4) Ausgeschlossen von der Wählbarkeit sind Mitglieder regierender Häuser oder solcher Familien, die ehemals regiert haben.

(5) Gewählt ist, wer mehr als die Hälfte aller abgegebenen Stimmen für sich hat. Die Wahlgänge werden so lange wiederholt, bis sich eine unbedingte Mehrheit für eine Person ergibt.

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 30) erhielt der Artikel 60 folgende Fassung:
"Artikel. 60. (1) Der Bundespräsident wird vom Bundesvolk in unmittelbarer und geheimer Wahl gewählt. Stimmberechtigt ist jeder zum Nationalrat Wahlberechtigte. Für die Wahl des Bundespräsidenten besteht Wahlpflicht. Die näheren Bestimmungen über das Wahlverfahren und die Wahlpflicht werden durch Bundesgesetz getroffen, in dem insbesondere auch die Gründe festzusetzen sind, aus denen eine Nichtteilnahme an der Wahl als entschuldigt gilt.
(2) Gewählt ist, wer mehr als die Hälfte aller gültigen Stimmen für sich hat. Ergibt sich keine solche Mehrheit, so findet ein zweiter Wahlgang statt. Bei diesem können gültigerweise nur für einen der beiden Wahlwerber, die im ersten Wahlgang die meisten Stimmen erhalten haben, Stimmen abgegeben werden; es kann jedoch jede der zwei Wählergruppen, die diese beiden Wahlwerber aufgestellt haben, für den zweiten Wahlgang an Stelle des von ihr aufgestellten Wahlwerbers eine andere Person namhaft machen.
(3) Zum Bundespräsidenten kann nur gewählt werden, wer das Wahlrecht zum Nationalrat hat und vor dem 1. Jänner des Jahres der Wahl das 35. Lebensjahr überschritten hat. Ausgeschlossen von der Wählbarkeit sind Mitglieder regierender Häuser oder solcher Familien, die ehemals regiert haben.
(4) Das Ergebnis der Wahl des Bundespräsidenten ist vom Bundeskanzler amtlich kundzumachen.
(5) Das Amt des Bundespräsidenten dauert sechs Jahre. Eine Wiederwahl für die unmittelbar folgende Funktionsperiode ist nur einmal zulässig.
(6) Vor Ablauf der Funktionsperiode kann der Bundespräsident durch Volksabstimmung abgesetzt werden. Die Volksabstimmung ist durchzuführen, wenn die Bundesversammlung es verlangt. Die Bundesversammlung ist zu diesem Zweck vom Bundeskanzler einzuberufen, wenn der Nationalrat einen solchen Antrag beschlossen hat. Zum Beschluß des Nationalrates ist die Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und eine Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen erforderlich. Durch einen derartigen Beschluß des Nationalrates ist der Bundespräsident an der ferneren Ausübung seines Amtes verhindert. Die Ablehnung der Absetzung durch die Volksabstimmung gilt als neue Wahl und hat die Auflösung des Nationalrates (Artikel 29, Absatz 1) zur Folge. Auch in diesem Fall darf die gesamte Funktionsperiode des Bundespräsidenten nicht mehr als zwölf Jahre dauern."

Durch Artikel II. § 16 des BVG vom 7. Dezember 1929, betreffend Übergangsbestimmungen zur Zweiten Bundes-Verfassungsnovelle wurde die im Jahr 1931 fällige Wahl des Bundespräsidenten nochmals der Bundesversammlung übertragen; die Amtsdauer war auf vier Jahre beschränkt. Ab 1935 sollte die Volkswahl des Bundespräsidenten stattfinden, doch war zu diesem Zeitpunkt die Verfassung von 1920 bereits durch das Bundes-Verfassungsgesetz vom 24. April 1934 ersetzt. Nach der Wiederherstellung der Unabhängigkeit der Republik Österreich 1945 wurde durch das 2. Verfassungs-Überleitungsgesetz vom 13. Dezember 1945 eine weitere Wahl durch die Bundesversammlung vorgesehen; erst im Jahr 1950 kam es zur ersten Volkswahl des Bundespräsidenten.

Artikel 61. Der Bundespräsident darf während seiner Amtstätigkeit keinem allgemeinen Vertretungskörper angehören und keinen anderen Beruf ausüben.

Durch BVG vom 30. Juli 1925 (§ 20) wurde dem Artikel 61 folgender Absatz angefügt:
"(2) Der Titel "Bundespräsident" darf - auch mit einem Zusatz oder im Zusammenhange mit anderen Bezeichnungen - von niemandem anderen geführt werden. Er ist gesetzlich geschützt."

Artikel 62. Der Bundespräsident leistet bei Antritt seines Amtes vor der Bundesversammlung das Gelöbnis:
"Ich gelobe, daß ich die Verfassung und alle Gesetze der Republik getreulich beobachten und meine Pflicht nach bestem Wissen und Gewissen erfüllen werde."

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 31) wurde dem Artikel 62 folgender Absatz angefügt:
"(2) Die Beifügung einer religiösen Beteuerung ist zulässig."

Artikel 63. (1) Eine behördliche Verfolgung des Bundespräsidenten ist nur zulässig, wenn ihr die Bundesversammlung zugestimmt hat.

(2) Der Antrag auf Verfolgung des Bundespräsidenten ist von der zuständigen Behörde beim Nationalrat zu stellen, der beschließt, ob die Bundesversammlung damit zu befassen ist. Spricht sich der Nationalrat dafür aus, hat der Bundeskanzler die Bundesversammlung sofort einzuberufen.

Artikel 64. (1) Wenn der Bundespräsident verhindert oder wenn seine Stelle dauernd erledigt ist, gehen alle seine Funktionen des Bundespräsidenten auf den Bundeskanzler über.

(2) Dieser hat im Fall der dauernden Erledigung der Stelle des Bundespräsidenten sofort die Bundesversammlung zur Neuwahl des Bundespräsidenten einzuberufen.

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 32) erhielt der Artikel 64 folgende Fassung:
"Artikel. 64. (1) Wenn der Bundespräsident verhindert oder wenn seine Stelle dauernd erledigt ist, gehen alle Funktionen des Bundespräsidenten zunächst auf den Bundeskanzler über. Dauert die Verhinderung voraussichtlich länger als 20 Tage, so ist die Vertretung bundesgesetzlich zu regeln.
(2) Im Falle der dauernden Erledigung der Stelle des Bundespräsidenten hat die Bundesregierung sofort die Wahl des neuen Bundespräsidenten anzuordnen und der Bundeskanzler nach erfolgter Wahl die Bundesversammlung unverzüglich zur Angelobung des Bundespräsidenten einzuberufen."

Artikel 65. (1) Der Bundespräsident vertritt die Republik nach außen, empfängt und beglaubigt die Gesandten, genehmigt die Bestellung der fremden Konsuln, bestellt die konsularischen Vertreter der Republik im Ausland und schließt die Staatsverträge ab.

(2) Weiter stehen ihm - außer den ihm nach anderen Bestimmungen dieser Verfassung übertragenen Befugnissen - zu:
a) die Ernennung der Bundesangestellten, einschließlich der Offiziere, und der sonstigen Bundesfunktionäre, die Verleihung von Amtstiteln an solche;
b) die Schaffung und Verleihung von Berufstiteln;
c) für Einzelfälle: die Begnadigung der von den Gerichten rechtskräftig Verurteilten, die Milderung und Umwandlung der von den Gerichten ausgesprochenen Strafen, die Nachsicht von Rechtsfolgen und die Tilgung von Verurteilungen im Gnadenweg, ferner die Niederschlagung des strafgerichtlichen Verfahrens bei den von Amts wegen zu verfolgenden strafbaren Handlungen;
d) die Erklärung unehelicher Kinder zu ehelichen auf Ansuchen der Eltern.

(3) Inwieweit dem Bundespräsidenten außerdem noch Befugnisse hinsichtlich Gewährung von Ehrenrechten, außerordentlichen Zuwendungen, Zulagen und Versorgungsgenüssen, Ernennungs- oder Bestätigungsrechten und sonstigen Befugnissen in Personalangelegenheiten zustehen, bestimmen besondere Gesetze.

Artikel 66. (1) Der Bundespräsident kann das ihm zustehende Recht der Ernennung von Bundesangestellten bestimmter Kategorien den zuständigen Mitgliedern der Bundesregierung übertragen.

(2) Der Bundespräsident kann zum Abschluß bestimmter Kategorien von Staatsverträgen, die nicht unter die Bestimmung des Artikels 50 fallen, die Bundesregierung oder die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung ermächtigen.

Artikel 67. (1) Alle Akte des Bundespräsidenten erfolgen, soweit nicht verfassungsmäßig anderes bestimmt ist, auf Vorschlag der Bundesregierung oder des von ihr ermächtigten Bundesministers. Inwieweit die Bundesregierung oder der zuständige Bundesminister hiebei selbst an Vorschläge anderer Stellen gebunden ist, bestimmt das Gesetz.

(2) Alle Akte des Bundespräsidenten bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung des Bundeskanzlers oder der zuständigen Bundesminister.

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 34) wurde im Artikel 67 Absatz 2 nach dem Wort "bedürfen" eingefügt: ", soweit nicht verfassungsgesetzlich anderes bestimmt ist, .

Artikel 68. (1) Der Bundespräsident ist für die Ausübung seiner Funktionen der Bundesversammlung gemäß Artikel 142 verantwortlich.

(2) Zur Geltendmachung dieser Verantwortung ist die Bundesversammlung auf Beschluß des Nationalrates oder des Bundesrates vom Bundeskanzler einzuberufen.

(3) Zu einem Beschluß, mit dem eine Anklage im Sinne des Artikel 142 erhoben wird, bedarf es der Anwesenheit von mehr als der Hälfte der Mitglieder jedes der beiden Vertretungskörper und einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen.

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 35) wurde im Artikel 68 an Stelle des Wortes "Bundesrates" gesetzt: "Länder- und Ständerates".  Diese Änderung ist nicht in Kraft getreten; siehe Hinweis bei Artikel 24.
 

2. Bundesregierung.

Artikel 69. (1) Mit den obersten Verwaltungsgeschäften des Bundes sind, soweit diese nicht dem Bundespräsidenten übertragen sind, der Bundeskanzler, der Vizekanzler und die übrigen Bundesminister betraut. Sie bilden in ihrer Gesamtheit die Bundesregierung unter dem Vorsitz des Bundeskanzlers.

(2) Der Vizekanzler ist zur Vertretung des Bundeskanzlers in dessen gesamtem Wirkungsbereich berufen.

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 36) wurde dem Artikel 69 Absatz 2 folgender Satz angefügt:
"Sind der Bundeskanzler und der Vizekanzler gleichzeitig verhindert, betraut der Bundespräsident ein Mitglied der Bundesregierung mit der Vertretung des Bundeskanzlers."

Artikel 70. (1) Die Bundesregierung wird vom Nationalrat in namentlicher Abstimmung aus einen vom Hauptausschuß zu erstattenden Gesamtvorschlag gewählt.

(2) In die Bundesregierung kann nur gewählt werden, wer zum Nationalrat wählbar ist; die Mitglieder der Bundesregierung müssen nicht dem Nationalrat angehören.

(3) Ist der Nationalrat nicht versammelt, wird die Bundesregierung vorläufig vom Hauptausschuß bestellt; sobald der Nationalrat zusammentritt, hat die Wahl zu erfolgen.

(4) Auf die Bestellung einzelner Mitglieder der Bundesregierung finden die Bestimmungen der Absätze 1 bis 3 sinngemäße Anwendung.

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 37) wurde der Artikel 70 wie folgt geändert:
- der Absatz 1 erhielt folgende Fassung.
"(1) Der Bundeskanzler und auf seinen Vorschlag die übrigen Mitglieder der Bundesregierung werden vom Bundespräsidenten ernannt. Zur Entlassung des Bundeskanzlers oder der gesamten Bundesregierung ist ein Vorschlag nicht erforderlich; die Entlassung einzelner Mitglieder der Bundesregierung erfolgt auf Vorschlag des Bundeskanzlers. Die Gegenzeichnung erfolgt, wenn es sich um die Ernennung des Bundeskanzlers oder der gesamten Bundesregierung handelt, durch den neubestellten Bundeskanzler; die Entlassung bedarf keiner Gegenzeichnung."
- die ersten Worte des Absatz 2 wurden wie folgt gefaßt:
"Zum Bundeskanzler, Vizekanzler oder Bundesminister kann nur ernannt werden, wer ...".
- die Absätze 3 und 4 wurden durch folgende Bestimmung ersetzt:
"(3) Wird vom Bundespräsidenten eine neue Bundesregierung zu einer Zeit bestellt, in welcher der Nationalrat nicht tagt, so hat er den Nationalrat binnen einer Woche zum Zweck der Vorstellung der neuen Bundesregierung zu einer außerordentlichen Tagung (Artikel 28 Absatz 2) einzuberufen."

Artikel 71. Ist die Bundesregierung aus dem Amt geschieden, hat der Bundespräsident bis zur Bildung der neuen Bundesregierung Mitglieder der scheidenden Bundesregierung oder höhere Beamte mit der Fortführung der Verwaltung und einen von ihnen mit dem Vorsitz in der einstweiligen Bundesregierung zu betrauen. Diese Bestimmung wird sinngemäß angewendet, wenn einzelne Mitglieder aus der Bundesregierung ausgeschieden sind.

Artikel 72. (1) Die Mitglieder der Bundesregierung werden vor Antritt ihres Amtes vom Bundespräsidenten angelobt.

(2) Die Bestallungsurkunden des Bundeskanzlers, des Vizekanzlers und der übrigen Bundesminister werden vom Bundespräsidenten mit dem Tag der Angelobung ausgefertigt und vom neu bestellten Bundeskanzler gegengezeichnet.

(3) Diese Bestimmungen sind auch auf die Fälle des Artikels 71 sinngemäß anzuwenden.

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 37) wurde dem Artikel 72 Absatz 1 folgender Satz angefügt:
"Die Beifügung einer religiösen Beteuerung ist zulässig."

Artikel 73. Im Falle der zeitweiligen Verhinderung eines Bundesministers betraut der Bundespräsident einen der Bundesminister oder einen höheren Beamten eines Bundesamtes mit der Vertretung. Dieser Vertreter trägt die gleiche Verantwortung wie ein Bundesminister (Artikel 76).

Artikel 74. (1) Versagt der Nationalrat der Bundesregierung oder einzelnen ihrer Mitglieder durch ausdrückliche Entschließung das Vertrauen, so ist die Bundesregierung oder der betreffende Bundesminister des Amtes zu entheben.

(2) Zu einem Beschluß des Nationalrates, mit dem das Vertrauen versagt wird, ist die Anwesenheit der Hälfte der Mitglieder des Nationalrates erforderlich. Doch ist, wenn es es Fünftel der anwesenden Mitglieder verlangt, die Abstimmung auf den zweitnächsten Werktag zu vertagen. Eine neuerliche Vertagung der Abstimmung kann nur durch Beschluß des Nationalrates erfolgen.

(3) Die Bundesregierung und ihre einzelnen Mitglieder werden in den gesetzlich bestimmten Fällen oder auf ihren Wunsch vom Bundespräsidenten ihres Amtes  enthoben.

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 38) erhielt der Artikel 74 Absatz 3 folgende Fassung:
"(3) Unbeschadet der dem Bundespräsidenten nach Artikel 70, Absatz 1, sonst zustehenden Befugnis sind die Bundesregierung oder ihre einzelnen Mitglieder vom Bundespräsidenten in den gesetzlich bestimmten Fällen oder auf ihren Wunsch des Amtes zu entheben."

Artikel 75. Die Mitglieder der Bundesregierung sowie die von ihnen entsendeten Vertreter sind berechtigt, an allen Beratungen des Nationalrates, des Bundesrates und der Bundesversammlung sowie der Ausschüsse dieser Vertretungskörper teilzunehmen, an den Beratungen des Hauptausschusses des Nationalrates nur auf besondere Einladung. Sie müssen auf ihr Verlangen jedesmal gehört werden. Der Nationalrat, der Bundesrat und die Bundesversammlung sowie deren Ausschüsse können die Anwesenheit der Mitglieder der Bundesregierung verlangen.

Durch BVG vom 1. Februar 1928 erhielt der Artikel 75 Satz 1 folgende Fassung:
"Die Mitglieder der Bundesregierung sowie die von ihnen entsendeten Vertreter sind berechtigt, an allen Beratungen des Nationalrates, des Bundesrates und der Bundesversammlung sowie der Ausschüsse dieser Vertretungskörper teilzunehmen, jedoch an solchen Beratungen des Hauptausschusses des Nationalrates, die nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Geschäftsordnung des Nationalrates grundsätzlich nicht öffentlich sind, nur auf besondere Einladung."

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 39) wurde der Artikel 75 wie folgt geändert:
- der Satz 1 erhielt folgende Fassung:
"Die Mitglieder der Bundesregierung sowie die von ihnen entsendeten Vertreter sind berechtigt, an allen Beratungen des Nationalrates, des Länder- und Ständerates und der Bundesversammlung sowie der Ausschüsse dieser Vertretungskörper teilzunehmen, jedoch an solchen Beratungen des Hauptausschusses des Nationalrates, die nach den Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Geschäftsordnung des Nationalrates grundsätzlich nichtöffentlich sind, nur auf besondere Einladung."
- im dritten Satz wurde an Stelle des Wortes "Bundesrat" gesetzt: "Länder- und Ständerat". Diese Änderung ist nicht in Kraft getreten; siehe Hinweis bei Artikel 24.

Artikel 76. (1) Die Mitglieder der Bundesregierung (Artikel 69 und 71) sind dem Nationalrat gemäß Artikel 142 verantwortlich.

(2) Zu einem Beschluß, mit dem eine Anklage gemäß Artikel 142 erhoben wird, bedarf es der Anwesenheit von mehr als der Hälfte der Mitglieder.

Artikel 77. (1) Zur Besorgung der Geschäfte der Bundesverwaltung sind die Bundesministerien und die ihnen unterstellten Ämter berufen.

(2) Die Zahl der Bundesministerien, ihr Wirkungsbereich und ihre Einrichtung werden durch Bundesgesetz bestimmt.

(3) Mit der Leitung des Bundeskanzleramtes ist der Bundeskanzler, mit der Leitung der anderen Bundesministerien je ein Bundesminister betraut.

(4) Der Bundeskanzler und die übrigen Bundesminister können ausnahmsweise auch mit der Leitung eines zweiten Bundesministeriums betraut werden.

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 40) wurde dem Artikel 77 Absatz 3 folgender Satz angefügt:
"Der Bundespräsident kann die sachliche Leitung bestimmter, zum Wirkungsbereich des Bundeskanzleramtes gehörender Angelegenheiten unbeschadet des Fortbestandes ihrer Zugehörigkeit zum Bundeskanzleramt eigenen Bundesministern übertragen; solche Bundesminister haben bezüglich der betreffenden Angelegenheiten die stellung eines zuständigen Bundesministers."

Artikel 78. (1) In besonderen Fällen können Bundesminister auch ohne gleichzeitige Betrauung mit der Leitung eines Bundesministeriums bestellt werden.

(2) Den Bundesministern können zur Unterstützung in der Geschäftsführung und zur parlamentarischen Vertretung Staatssekretäre beigegeben werden, die in gleicher Weise wie die Bundesminister bestellt werden und aus dem Amt scheiden.

(3) Der Staatssekretär ist dem Bundesminister unterstellt und an seine Weisungen gebunden.
 

3. Bundesheer.

Artikel 79. (1) Dem Bundesheer liegt der Schutz der Grenzen der Republik ob.

(2) Das Bundesheer ist, soweit die gesetzmäßige bürgerliche Gewalt seine Mitwirkung in Anspruch nimmt, zum Schutz der verfassungsmäßigen Einrichtungen sowie zur Aufrechterhaltung der Ordnung und Sicherheit im Innern überhaupt und zur Hilfeleistung bei Elementarereignissen und Unglücksfällen außergewöhnlichen Umfanges bestimmt.

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 41) wurden dem Artikel 79 folgende Absätze angefügt:
"(3) Welche Behörden  und Organe die Mitwirkung des Bundesheeres zu den im Absatz 2 genannten Zwecken unmittelbar in Anspruch nehmen können, bestimmt das Wehrgesetz.
(4) Selbständiges militärisches Einschreiten zu den im Absatz 2 genannten Zwecken ist nur zulässig, wenn entweder die zuständigen Behörden durch höhere Gewalt außerstande gesetzt sind, das militärische Einschreiten herbeizuführen, und bei weiterem Zuwarten ein nicht wieder gutzumachender Schaden für die Allgemeinheit eintreten würde, oder wenn es sich um die Zurückweisung eines tätlichen Angriffes oder um die Beseitigung eines gewalttätigen Widerstandes handelt, die gegen eine Abteilung des Bundesheeres gerichtet sind."

Artikel 80. (1) Über das Heer verfügt der Nationalrat. Insoweit diesem nicht durch das Wehrgesetz die unmittelbare Verfügung vorbehalten ist, wird mit der Verfügung die Bundesregierung oder innerhalb der von dieser erteilten Ermächtigungen der zuständige Bundesminister betraut.

(2) Inwieweit auch die Behörden der Länder und Gemeinden die Mitwirkung des Bundesheeres zu den im Artikel 79, Absatz 2, erwähnten Zwecken unmittelbar in Anspruch nehmen können, bestimmt das Wehrgesetz.

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 42) erhielt der Artikel 80 folgende Fassung:
Artikel. 80. (1) Den Oberbefehl über das Bundesheer führt der Bundespräsident.
(2) Soweit nicht nach dem Wehrgesetz der Bundespräsident über das Heer verfügt, steht die Verfügung dem zuständigen Bundesminister innerhalb der ihm von der Bundesregierung erteilten Ermächtigung zu.
(3) Die Befehlsgewalt über das Bundesheer übt der zuständige Bundesminister (Art. 76, Absatz 1) aus."

Artikel 81. Durch Bundesgesetz wird geregelt, inwieweit die Länder bei der Ergänzung, Verpflegung und Unterbringung des Heeres und der Beistellung seiner sonstigen Erfordernisse mitwirken.
 

B. Gerichtsbarkeit.

Artikel 82. (1) Alle Gerichtsbarkeit geht vom Bund aus.

(2) Die Urteile und Erkenntnisse werden im Namen der Republik verkündet und ausgefertigt.

Artikel 83. (1) Die Verfassung und Zuständigkeit der Gerichte wird durch Bundesgesetz festgestellt.

(2) Niemand darf seinem ordentlichen Richter entzogen werden.

(3) Ausnahmegerichte sind nur in den durch die Gesetze über das Verfahren in Strafsachen geregelten Fällen zuständig.

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 43) wurde im Artikel 83 Absatz 2 an Stelle des Wortes "ordentlichen" gesetzt: "gesetzlichen".

Artikel 84. Die Militärgerichtsbarkeit ist - außer für Kriegszeiten - aufgehoben.

Artikel 85. Die Todesstrafe im ordentlichen Verfahren ist abgeschafft.

Artikel 86. (1) Die Richter werden, sofern nicht in diesem Gesetz anderes bestimmt ist, gemäß dem Antrag der Bundesregierung vom Bundespräsidenten oder auf Grund seiner Ermächtigung vom zuständigen Bundesminister ernannt; die Bundesregierung oder der Bundesminister hat Besetzungsvorschläge der durch die Gerichtsverfassung hiezu berufenen Senate einzuholen.

(2) Der dem zuständigen Bundesminister vorzulegende und der von ihm an die Bundesregierung zu leitende Besetzungsvorschlag hat, wenn genügend Bewerber vorhanden sind, mindestens drei Personen, wenn aber mehr als eine Stelle zu besetzen ist, mindestens doppelt so viele Personen zu umfassen, als Richter zu ernennen sind.

Artikel 87. (1) Die Richter sind in Ausübung ihres richterlichen Amtes unabhängig.

(2) In Ausübung seines richterlichen Amtes befindet sich ein Richter bei Besorgung aller ihm nach dem Gesetz und der Geschäftsverteilung zustehenden gerichtlichen Geschäfte, mit Ausschluß der Justizverwaltungssachen, die nicht nach Vorschrift des Gesetzes durch Senate oder Kommissionen zu erledigen sind.

(3) Die Geschäfte sind unter die Richter eines Gerichtes für die in der Gerichtsverfassung bestimmte Zeit im voraus zu verteilen. Eine nach dieser Einteilung einem Richter zufallende Sache darf ihm nur durch Verfügung der Justizverwaltung nur im Fall seiner Verhinderung oder dann abgenommen werden.

Artikel 88. (1) In der Gerichtsverfassung wird eine Altersgrenze bestimmt, nach deren Erreichung die Richter in den dauernden Ruhestand zu versetzen sind.

(2) Im übrigen dürfen Richter nur in den vom Gesetz vorgeschriebenen Fällen und Formen und auf Grund eines förmlichen richterlichen Erkenntnisses ihres Amtes entsetzt oder wider ihren Willen an eine andere Stelle oder in den Ruhestand versetzt werden. Diese Bestimmungen finden jedoch auf Übersetzungen und Versetzungen in den Ruhestand keine Anwendung, die durch Veränderungen in der Verfassung der Gerichte nötig werden. In einem solchen Fall wird durch das Gesetz festgestellt, innerhalb welchen Zeitraumes Richter ohne die sonst vorgeschriebenen Förmlichkeiten übersetzt und in den Ruhestand versetzt werden können.

(3) Die zeitweise Enthebung der Richter vom Amt darf nur durch Verfügung des Gerichtsvorstandes oder der höheren Gerichtsbehörde bei gleichzeitiger Verweisung der Sache an das zuständige Gericht stattfinden.

Artikel 89. (1) Die Prüfung der Gültigkeit gehörig kundgemachter Gesetze steht den Gerichten nicht zu.

(2) Hat ein Gericht gegen die Anwendung einer Verordnung aus dem Grund der Gesetzwidrigkeit Bedenken, so hat es das Verfahren zu unterbrechen, und den Antrag auf Aufhebung dieser Verordnung beim Verfassungsgerichtshof zu stellen.

Durch BVG vom 30. Juli 1925 (§ 21) wurden dem Artikel 89 folgende Absätze angefügt:
"(3) Ist die vom Gericht anzuwendende Verordnung bereits außer Kraft getreten, so hat der Antrag des Gerichtes die Entscheidung zu begehren, daß die Verordnung gesetzwidrig war.
(4) Ist die vom Gericht anzuwendende Verordnung durch ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes aus dem grunde der Gesetzwidrigkeit aufgehoben worden, so ist das Gericht, ohne den im absatz 3 bezeichneten Antrag zu stellen, an die Rechtsanschauung des Verfassungsgerichtshofes gebunden."

Artikel 90. (1) Die Verhandlungen in Zivil- und Strafrechtssachen vor dem erkennenden Gericht sind mündlich und öffentlich. Ausnahmen bestimmt das Gesetz.

(2) Im Strafverfahren gilt der Anklageprozeß.

Artikel 91. (1) Das Volk hat an der Rechtsprechung mitzuwirken.

(2) Bei den mit schweren Strafen bedrohten Verbrechen, die das Gesetz zu bezeichnen hat, sowie bei allen politischen Verbrechen und Vergehen entscheiden Geschworene über die Schuld des Angeklagten.

(3) Im Strafverfahren wegen anderer strafbarer Handlungen nehmen Schöffen an der Rechtsprechung teil, wenn die zu verhängende Strafe ein vom Gesetz zu bestimmendes Maß überschreitet.

Artikel 92. Oberste Instanz in Zivil- und Strafrechtssachen ist der Oberste Gerichtshof in Wien.

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 44) erhielt der Artikel 92 folgende Fassung:
"Artikel 92. (1) Oberste Instanz in Zivil- und Strafrechtssachen ist der Oberste Gerichtshof.
(2) Dem Obersten Gerichtshof können Mitglieder der Bundesregierung, einer Landesregierung oder eines allgemeinen Vertretungskörpers nicht angehören; für Mitglieder der allgemeinen Vertretungskörper, die auf eine bestimmte Gesetzgebungs- oder Funktionsperiode gewählt wurden, dauert die Unvereinbarkeit auch bei vorzeitigem Verzicht auf das Mandat bis zum Ablauf der Gesetzgebungs- oder Funktionsperiode fort. Zum Präsidenten oder Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes kann nicht bestellt werden, wer eine der eben erwähnten Funktionen in den letzten vier Jahren bekleidet hat."

Artikel 93. Amnestien wegen gerichtlich strafbarer Handlungen werden durch Bundesgesetz erteilt.

Artikel 94. (1) Die Justiz ist von der Verwaltung in allen Instanzen getrennt.

(2) Wenn eine Verwaltungsbehörde über Privatrechtsansprüche zu entscheiden hat, steht es dem durch diese Entscheidung Benachteiligten frei, falls nicht im Gesetz anderes bestimmt ist, Abhilfe gegen die andere Partei im ordentlichen Rechtsweg zu suchen.

(3) In den Angelegenheiten der Bodenreform (Artikel 12, Absatz 1, Zahl 6) steht den aus Richtern, Verwaltungsbeamten und Sachverständigen bestehenden Kommissionen das ausschließliche Entscheidungsrecht zu.

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 45) wurden die Absätze 2 und 3 des Artikels 94 gestrichen.
 

Viertes Hauptstück.
Gesetzgebung und Vollziehung der Länder.

A. Allgemeine Bestimmungen.

Artikel 95. (1) Die Gesetzgebung der Länder wird von den Landtagen ausgeübt. Deren Mitglieder werden auf Grund des gleichen, unmittelbaren, geheimen und persönlichen Verhältniswahlrechtes aller nach den Landtagswahlordnungen wahlberechtigten männlichen und weiblichen Bundesbürger gewählt, die im Land ihren ordentlichen Wohnsitz haben.

(2) Die Landtagswahlordnungen dürfen die Bedingungen des aktiven und passiven Wahlrechtes nicht enger ziehen als die Wahlordnung zum Nationalrat.

(3) Die Wähler üben ihr Wahlrecht in Wahlkreisen aus, von denen jeder ein geschlossenes Gebiet umfassen muß. Die Zahl der Abgeordneten ist auf die Wahlkreise im Verhältnis der Bürgerzahl zu verteilen. Eine Gliederung der Wählerschaft in andere Wahlkörper ist nicht zulässig.

Durch BVG vom 30. Juli 1925 (§ 22) wurde dem Artikel 95 folgender Absatz angefügt:
"(4) Öffentlichen Angestellten, einschließlich der Angehörigen des Bundesheeres, ist, im Falle sie sich um ein Mandat in einem Landtage bewerben oder zu Abgeordneten eines Landtages gewählt werden, die für die Bewerbung um ein Landtagsmandat oder die Ausübung eines solchen erforderliche freie Zeit zu gewähren. Das Nähere bestimmen die Dienstesvorschriften."

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 46) wurde der Artikel 95 wie folgt geändert:
- dem Absatz 1 wurde folgender Satz angefügt:
"Die Bestimmung des Artikels 26, Absatz 1, letzter Satz, findet sinngemäß Anwendung; die Gründe, aus denen die Nichtteilnahme an der Wahl als entschuldigt gilt, dürfen nicht weiter gezogen sein, als in der Wahlordnung zum Nationalrat."
- dem Absatz 3 ist folgender Satz angefügt:
"Den Wahlen sind die ständigen Wählerverzeichnisse für die Wahlen zum Nationalrat (Artikel 26, Absatz 7) zugrunde zu legen."
- nach dem Absatz 3 wurde folgender Absatz eingefügt:
"(4) Die Zahl der Mitglieder der Landtage ist durch die Landesgesetzgebung nach der Bürgerzahl so zu bemessen, daß sie höchstens beträgt:
bei Ländern mit einer Bürgerzahl bis zu 250.000: sechsundzwanzig,
bei Ländern mit einer Bürgerzahl bis zu 500.000: sechsunddreißig,
bei Ländern mit einer Bürgerzahl bis zu 1.000.000: achtundvierzig,
bei Ländern mit einer Bürgerzahl bis zu 1.500.000: sechsundfünfzig."
- der bisherige Absatz 4 erhielt die Bezeichnung als Absatz 5.

Artikel 96. (1) Die Mitglieder des Landtages genießen die gleiche Immunität wie die Mitglieder des Nationalrates; die Bestimmungen des Artikels 57 sind sinngemäß anzuwenden.

(2) Die Bestimmungen der Artikel 32 und 33 gelten auch für die Sitzungen der Landtage und ihrer Ausschüsse.

Artikel 97. (1) Zu einem Landesgesetz ist der Beschluß des Landtages, die Beurkundung und Gegenzeichnung nach den Bestimmungen der Landesverfassung und die Kundmachung durch den Landeshauptmann im Landesgesetzblatt erforderlich.

(2) Insoweit ein Landesgesetz bei der Vollziehung die Mitwirkung von Bundesbehörden vorsieht, muß zu dieser Mitwirkung die Zustimmung der Bundesregierung eingeholt werden. Vor Erteilung der Zustimmung kann ein solches Landesgesetz nicht kundgemacht werden.

Durch BVG vom 30. Juli 1925 (§ 22) erhielt der Artikel 97 Absatz 2 folgende Fassung:
"(2) Insoweit ein Landesgesetz bei der Vollziehung die Mitwirkung von Bundesorganen vorsieht, muß zu dieser Mitwirkung die Zustimmung der Bundesregierung eingeholt werden. Die Zustimmung gilt als gegeben, wenn die Bundesregierung nicht binnen acht Wochen von dem Tage, an dem der Gesetzesbeschluß beim zuständigen Bundesministerium eingelangt ist, dem Landeshauptmann mitgeteilt hat, daß die Mitwirkung der Bundesorgane verweigert wird. Vor Ablauf dieser Frist darf die Kundmachung des Gesetzesbeschlusses nur erfolgen, wenn die Bundesregierung ausdrücklich zugestimmt hat."

Artikel 98. (1) Alle Gesetzesbeschlüsse der Landtage sind unmittelbar nach der Beschlußfassung des Landtages vor ihrer Kundmachung vom Landeshauptmann dem zuständigen Bundesministerium bekanntzugeben.

(2) Wegen Gefährdung von Bundesinteressen kann die Bundesregierung gegen den Gesetzesbeschluß eines Landtages binnen acht Wochen von dem Tag, an dem der Gesetzesbeschluß beim Bundeskanzleramt eingelangt ist, einen mit Gründen versehenen Einspruch erheben. In diesem Fall darf der Gesetzesbeschluß nur kundgemacht werden, wenn ihn der Landtag bei Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder wiederholt.

(3) Vor Ablauf der Einspruchsfrist ist die Kundmachung nur zulässig, wenn die Bundesregierung ausdrücklich zustimmt.

Durch BVG vom 30. Juli 1925 (§ 24) wurde dem Artikel 98 folgender Absatz angefügt:
"(4) Für Gesetzesbeschlüsse der Landtage, die Abgaben zum Gegenstand haben, gelten die Bestimmungen des Finanz-Verfassungsgesetzes."

Artikel 99. (1) Die durch Landesgesetz zu erlassende Landesverfassung kann, insoweit dadurch die Bundesverfassung nicht berührt wird, durch Landesgesetz abgeändert werden.

(2) Ein Landesverfassungsgesetz kann nur bei Anwesenheit der Hälfte der Mitglieder des Landtages und mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen beschlossen werden.

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 47) wurden im Artikel 99 Absatz 1 das zweimal vorkommende Wort: "Landesgesetz"  ersetzt durch. "Landesverfassungsgesetz".

Artikel 100. (1) Jeder Landtag kann auf Antrag der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates vom Bundespräsidenten aufgelöst werden. Die Zustimmung des Bundesrates muß bei Anwesenheit der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen beschlossen werden. An der Abstimmung dürfen die Vertreter des aufzulösenden Landtages nicht teilnehmen.

(2) Im Fall der Auflösung sind nach den Bestimmungen der Landesverfassung binnen drei Wochen Neuwahlen auszuschreiben; die Einberufung des neugewählten Landtages hat binnen vier Wochen nach der Wahl zu erfolgen.

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 48) wurde der Artikel 100 wie folgt geändert:
- im Absatz 1 wurde an Stelle des zweimal vorkommenden Wortes: "Bundesrates" gesetzt: "Länderrates". Diese Änderung ist nicht in Kraft getreten; siehe Hinweis bei Artikel 24.
- der letzte Satz des Absatzes 1 erhielt folgende Fassung:
"An der Abstimmung dürfen die Vertreter des Landes, dessen Landtag aufgelöst werden soll, nicht teilnehmen."

Artikel 101. (1) Die Vollziehung jedes Landes übt eine vom Landtag zu wählende Landesregierung aus.

(2) Die Mitglieder der Landesregierung müssen nicht dem Landtag angehören. Jedoch kann in die Landesregierung nur gewählt werden, wer zum Landtag wählbar ist.

(3) Die Landesregierung besteht aus dem Landeshauptmann, der erforderlichen Zahl von Stellvertretern und weiteren Mitgliedern.

(4) Der Landeshauptmann wird vom Bundespräsidenten, die anderen Mitglieder der Landesregierung werden vom Landeshauptmann vor Antritt des Amtes auf die Bundesverfassung angelobt.

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 49) wurde dem Artikel 101 Absatz 4 folgender Satz angefügt:
"Die Beifügung einer religiösen Beteuerung ist zulässig."

Artikel 102. (1) Im Bereich der Länder üben die Vollziehung des Bundes, soweit nicht eigene Bundesbehörden bestehen (unmittelbare Bundesverwaltung), der Landeshauptmann und die ihm unterstellten Landesbehörden aus (mittelbare Bundesverwaltung).

(2) Folgende Angelegenheiten können im Rahmen des verfassungsmäßig festgestellten Wirkungsbereiches unmittelbar von Bundesbehörden versehen werden:
Grenzvermarkung, Waren- und Viehverkehr mit dem Ausland, Zollwesen, Bundesfinanzen, Monopolwesen, Maß-, Gewichts-, Normen- und Punzierungswesen,
technisches Versuchswesen, Justizwesen, Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie, Patentwesen, Schutz von Mustern, Marken und anderen Warenbezeichnungen, Ingenieur- und Ziviltechnikerwesen, Verkehrswesen, Bundesstraßen, Strom- und Schiffahrtspolizei, Post-, Telegraphen- und Fernsprechwesen, Bergwesen, Regulierung und Instandhaltung von Gewässern, Bau und Instandhaltung von Wasserstraßen, hydrographischer Dienst, Vermessungswesen, Arbeitsrecht, Arbeiter- und Angestelltenschutz, Sozialversicherungswesen, Denkmalschutz, Bundespolizei, Bundesgendarmerie, militärische Angelegenheiten, Fürsorge für Kriegsteilnehmer und deren Hinterbliebene.

(3) Dem Bund bleibt es vorbehalten, auch in den im Absatz 2 aufgezählten Angelegenheiten den Landeshauptmann mit der Vollziehung des Bundes zu beauftragen.

(4) Die Errichtung von eigenen Bundesbehörden für andere als die im Absatz 2 bezeichneten Angelegenheiten kann nur mit Zustimmung der beteiligten Länder erfolgen.

(5) Inwieweit die Landeshauptmänner über die Bundespolizei und die Bundesgendarmerie verfügen, regelt das im Artikel 120, Absatz 1, bezeichnete Gesetz.

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 49) wurde der Artikel 101 wie folgt geändert:
- dem Absatz 1 wurden folgende Sätze angefügt:
"Soweit in Angelegenheiten, die in mittelbarer Bundesverwaltung besorgt werden, Bundesbehörden, insbesondere Bundespolizeibehörden, mit der Vollziehung betraut sind, unterstehen diese Bundesbehörden in den betreffenden Angelegenheiten dem Landeshauptmann und sind an dessen Weisungen (Artikel 20, Absatz 1) gebunden; ob und inwieweit solche Bundesbehörden mit Akten der Vollziehung betraut werden, bestimmen die nach Artikel 10 ergehenden Bundesgesetze. In den Fällen, in denen die Bundespolizeibehörden in Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder Vollziehungsakte zu besorgen haben, steht die Befugnis zu Weisungen dem Landeshauptmann zu."
- im Absatz 2 wurde nach dem Wort "Zollwesen" eingefügt: "Regelung und Überwachung des Eintrittes in das Bundesgebiet und des Austrittes aus ihm, "; nach dem Wort "Justizwesen, " wurde eingefügt: "Paßwesen, Meldewesen, Waffen-, Munitions- und Sprengmittelwesen sowie Schießwesen,"; nach den Worten "Regulierung und Instandhaltung von Gewässern," wurde gesetzt: "Regulierung und Instandhaltung der Donau, Wildbachverbauung,"; folgende Worte wurden gestrichen: "Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie," sowie die Worte "hydrographischer Dienst,"; an Stelle der Worte "Bundespolizei, Bundesgendarmerie," wurde gesetzt: "Organisation und Führung der Bundespolizei und der Bundesgendarmerie, endlich unter außerordentlichen Verhältnissen dort, wo sich am Tag des Inkrafttretens dieses Bundesverfassungsgesetzes der örtliche Wirkungskreis einer Bundespolizeibehörde nicht mit dem Gebiet eines Bundeslandes deckt: Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, ausgenommen die örtliche Sicherheitspolizei, Pressewesen, Vereins- und Versammlungsangelegenheiten und Fremdenpolizei,".
- der Absatz 5 wurde gestrichen.
- nach dem Absatz 4 wurden folgende Absätze angefügt:
"(5) Im örtlichen Wirkungsbereich einer Bundespolizeibehörde, der eine Bundessicherheitswache beigegeben ist, darf von einer anderen Gebietskörperschaft ein Wachkörper nicht aufgestellt und unterhalten werden. Die Auflösung von Wachkörpern, deren Errichtung ohne Beibehaltung im Widerspruch mit dieser Bestimmung steht, fällt in die Vollziehung des Bundes.
(6) Die Errichtung von Bundespolizeibehörden, die Festsetzung ihres örtlichen Wirkungsbereiches und auf Verwaltungsgebieten, auf denen die nach Artikel 10 ergehenden Bundesgesetze eine Vollziehung durch Bundespolizeibehörden vorsehen, ihres sachlichen Wirkungsbereiches, ferner die Erlassung der besonderen Dienstvorschriften für ihre Organe erfolgen durch Verordnung der Bundesregierung. Soweit einer solchen Behörde die Besorgung von Angelegenheiten übertragen werden soll, die in den selbständigen Wirkungsbereich von Gemeinden oder sonst in den selbständigen Vollziehungsbereich des Landes fallen, kann die Verordnung erst erlassen werden, wenn die Übertragung dieser Geschäfte an die Bundespolizeibehörde durch ein Gesetz des betreffenden Landes ausgesprochen wurde.
(7) Ergibt sich in einzelnen Gemeinden die Notwendigkeit, wegen Gefährdung der öffentlichen Ruhe und Ordnung besondere Maßnahmen zu treffen, so kann der zuständige Bundesminister mit diesen Maßnahmen für die Dauer der Gefährdung eigene Bundesorgane betrauen."

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 51) wurde nach dem Artikel 102 folgender Artikel eingefügt:
"Artikel 102a. (1) Die oberste Leitung und Aufsicht über das gesamte Erziehungs- und Schulwesen steht dem Bund zu. Die Landesschulräte (der Stadtschulrat für Wien) und die ihnen unterstehenden Schulbehörden sind dem zuständigen Bundesminister untergeordnet.
(2) Die Vorsitzenden der Landesschulräte (des Stadtschulrates für Wien) und der Bezirksschulräte und ihre Stellvertreter haben den Weisungen (Artikel 20, Absatz 1) der übergeordneten Schulbehörden Folge zu leisten. Solche Weisungen dürfen nur erteilt werden, soweit damit nicht in die Erledigung einer Angelegenheit eingegriffen wird, die gesetzlich der kollegialen Beschlußfassung der nachgeordneten Schulbehörden vorbehalten ist, es wäre denn, daß sich diese Weisung auf die Ausübung der dem Vorsitzenden gegenüber den Beschlüssen gesetzlich zustehenden Befugnisse bezieht.
(3) Die Vorsitzenden der Landesschulbehörden (des Stadtschulrates für Wien) und ihre Stellvertreter können rücksichtlich der gesetzlich unter ihrer Verantwortung erledigenden Angelegenheiten in sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen des Artikels 142, Absatz 2, lit. d, durch Beschluß der Bundesregierung beim Verfassungsgerichtshof verantwortlich gemacht werden.
(4) Wird die Ausführung eines kollegialen Beschlusses einer Schulbehörde vom Vorsitzenden auf Grund einer Weisung der übergeordneten Schulbehörde eingestellt, so kann der die Weisung enthaltende Bescheid der übergeordneten Schulbehörde auf Grund eines kollegialen Beschlusses der Schulbehörde, die den Beschluß gefaßt hat, im Instanzenzug und nach Erschöpfung des Instanzenzuges mit Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof angefochten werden.
(5) Der zuständige Bundesminister kann sich persönlich oder durch beamtete Organe des von ihm geleiteten Bundesministeriums fallweise von dem Zustand und den Leistungen auch jener mittleren und niederen Unterrichtsanstalten überzeugen, die nicht in der unmittelbaren Verwaltung des Bundesministeriums stehen; die zuständige Landesschulbehörde (der Stadtschulrat für Wien) hat sich an dieser Amtshandlung durch ein beamtetes Organ zu beteiligen. Die Wahrnehmung des Ministerialorganes sind der zuständigen Landesschulbehörde (dem Stadtschulrat für Wien) bekanntzugeben."

Artikel 103. In den Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung ist der Landeshauptmann an die Weisungen der Bundesregierung sowie der einzelnen Bundesminister gebunden; der administrative Instanzenzug geht in diesen Angelegenheiten, wenn nicht durch Bundesgesetz ausdrücklich anderes bestimmt ist, bis zu den zuständigen Bundesministerien.

Durch BVG vom 30. Juli 1925 (§ 25) erhielt der Artikel 103 folgende Fassung:
"Artikel 103. (1) In den Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung ist der Landeshauptmann an die Weisungen der Bundesregierung sowie der einzelnen Bundesminister gebunden (Artikel 20) und verpflichtet, um die Durchführung solcher Weisungen zu bewirken, auch die ihm in seiner Eigenschaft als Organ des selbständigen Wirkungsbereiches des Landes zu Gebote stehenden Mittel anzuwenden.
(2) Die Landesregierung kann bei Aufstellung ihrer Geschäftsordnung beschließen, daß einzelne Gruppen von Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung wegen ihres sachlichen Zusammenhanges mit Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches des Landes im Namen des Landeshauptmannes von Mitgliedern der Landesregierung zu führen sind. In diesen Angelegenheiten sind die betreffenden Mitglieder der Landesregierung an die Weisungen des Landeshauptmannes ebenso gebunden (Artikel 20) wie dieser an die Weisungen der Bundesregierung oder der einzelnen Bundesminister.
(3) Nach Absatz 1 ergehende Weisungen der Bundesregierung oder der einzelnen Bundesminister sind auch in Fällen des Absatzes 2 an den Landeshauptmann zu richten. Dieser ist, wenn er die bezügliche Angelegenheit der mittelbaren Bundesverwaltung nicht selbst führt, unter seiner Verantwortlichkeit (Artikel 142, Absatz 2, lit. d) verpflichtet, die Weisung an das in Betracht kommende Mitglied der Landesregierung unverzüglich und unverändert auf schriftlichem Wege weiterzugeben und ihre Durchführung zu überwachen. Wird die Weisung nicht befolgt, trotzdem der Landeshauptmann die erforderlichen Vorkehrungen getroffen hat, so ist auch das betreffende Mitglied der Landesregierung gemäß Artikel 142 der Bundesregierung verantwortlich.
(4) Der administrative Instanzenzug in den Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung geht, wenn nicht durch Bundesgesetz ausdrücklich anderes bestimmt ist, bis zu den zuständigen Bundesministern."

Artikel 104. Die Bestimmungen des Artikels 102 sind auf Einrichtungen zur Besorgung der im Artikel 17 bezeichneten Geschäfte des Bundes nicht anzuwenden.

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 52) wurde dem Artikel 104 folgender Absatz angefügt:
"(2) Die mit der Verwaltung des Bundesvermögens betrauten Bundesminister können jedoch die Besorgung solcher Geschäfte dem Landeshauptmann und den ihm unterstellten Behörden im Land übertragen. Eine solche Übertragung kann jederzeit ganz oder teilweise widerrufen werden. Inwieweit in besonderen Ausnahmefällen für die bei Besorgung solcher Geschäfte aufgelaufenen Kosten vom Bund ein Ersatz geleistet wird, wird durch Bundesgesetz bestimmt."

Artikel 105. (1) Der Landeshauptmann vertritt das Land. Er trägt in den Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung die Verantwortung gegenüber der Bundesregierung gemäß Artikel 142. Der Geltendmachung dieser Verantwortung steht die Immunität nicht im Weg.

(2) Die Mitglieder der Landesregierung sind dem Landtag gemäß Artikel 142 verantwortlich.

(3) Zu einem Beschluß, mit dem eine Anklage im Sinne des Artikels 142 erhoben wird, bedarf es der Anwesenheit der Hälfte der Mitglieder.

Durch BVG vom 30. Juli 1925 (§ 26) wurde der Artikel 105 Absatz 1 durch folgende Bestimmungen ersetzt:
"(1) Der Landeshauptmann wird durch das von der Landesregierung bestimmte Mitglied der Landesregierung (Landeshauptmannstellvertreter) vertreten. Diese Bestellung ist dem Bundeskanzler zur Kenntnis zu bringen. Tritt der Fall der Vertretung ein, so ist das zur Vertretung bestellte Mitglied der Landesregierung bezüglich der Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung gleichfalls der Bundesregierung gemäß Artikel 142 verantwortlich. Der Geltendmachung einer solchen Verantwortung des Landeshauptmannes oder des ihn vertretenden Mitgliedes der Landesregierung steht die Immunität nicht im Weg. Ebenso steht die Immunität auch nicht der Geltendmachung der Verantwortung eines Mitgliedes der Landesregierung im Falle des Artikels 103, Absatz 3, im Weg."

Artikel 106. Zur Leitung des inneren Dienstes des Amtes der Landesregierung wird ein rechtskundiger Verwaltungsbeamter als Landesamtsdirektor bestellt. Er ist auch in den Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung das Hilfsorgan des Landeshauptmannes.

Artikel 107. Vereinbarungen der Länder untereinander können nur über Angelegenheiten ihres selbständigen Wirkungsbereiches getroffen werden und sind der Bundesregierung unverzüglich zur Kenntnis zu bringen.
 

B. Die Bundeshauptstadt Wien und das Land Niederösterreich.

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 53) erhielt der Abschnitt B. des Vierten Hauptstücks die Überschrift "Die Bundeshauptstadt Wien"

Artikel 108. (1) Der Landtag von Niederösterreich gliedert sich in zwei Kurien. Die eine (Kurie Land) wird gebildet von den Abgeordneten des Landes ausschließlich Wien. Die Wahl der anderen (Kurie Stadt) wird durch die Verfassung der Bundeshauptstadt Wien geregelt.

Durch BVG vom 30. Juli 1925 (§ 27) wurde der Artikel 108 gestrichen. Siehe Hinweis bei Artikel 114.

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 53) erhielt der Artikel 108 in folgende Fassung neu eingefügt:
"Artikel 108. (1) Für die Bundeshauptstadt Wien als Land hat der Gemeinderat auch die Funktion des Landtages, der Stadtsenat auch die Funktion der Landesregierung, der Bürgermeister auch die Funktion des Landeshauptmannes, der Magistrat auch die Funktion des Amtes der Landesregierung und der Magistratsdirektor auch die Funktion des Landesamtsdirektors.
(2) Die Zahl der Mitglieder des Gemeinderates darf einhundert nicht übersteigen."

Artikel 109. Als Landtag von Niederösterreich treten beide Kurien zur Gesetzgebung in allen Angelegenheiten der ehemals autonomen Landesverwaltung zusammen, die von der gemeinsamen Landesverfassung für gemeinsam erklärt werden. Zu diesen Angelegenheiten gehört insbesondere die gemeinsame Landesverfassung selbst.

Durch BVG vom 30. Juli 1925 (§ 27) wurde der Artikel 109 gestrichen. Siehe Hinweis bei Artikel 114.

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 53) erhielt der Artikel 109 in folgende Fassung neu eingefügt:
"Artikel 108. Für den Bereich der mittelbaren Bundesverwaltung im Land Wien werden die Geschäfte der Bezirks- und der Landesinstanz vom Bürgermeister als Landeshauptmann und dem ihm unterstellten Magistrat in einer Instanz geführt. Der Instanzenzug geht in allen Fällen, in denen nicht ein Rechtsmittel gegen den Bescheid der Bezirksinstanz ausgeschlossen ist, vom Bürgermeister als Landeshauptmann an den zuständigen Bundesminister; bundesgesetzlich sonst allgemein vorgesehene Abkürzungen des Instanzenzuges (Artikels 103, Absatz 4) finden keine Anwendung. Diese Bestimmungen gelten nicht, soweit Bundesbehörden in Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung mit der Vollziehung betraut sind (Artikel 102, Absatz 1, zweiter und dritter Satz)."

Artikel 110. (1) Zu den nicht gemeinsamen Angelegenheiten hat jeder der beiden Landesteile die Stellung eines selbständigen Landes.

(2) In diesen Angelegenheiten hat für Wien der Gemeinderat der Stadt Wien, für Niederösterreich-Land die Kurie Land die Stellung des Landtages. Die Bestimmungen des Artikels 57 gelten sinngemäß auch für die Mitglieder des Wiener Gemeinderates.

Durch BVG vom 30. Juli 1925 (§ 27) wurde der Artikel 110 gestrichen. Siehe Hinweis bei Artikel 114.

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 53) erhielt der Artikel 110 in folgende Fassung neu eingefügt:
"Artikel 110. Der gemäß Artikel 11, Absatz 5, zur Rechtsprechung oberster Instanz in Verwaltungsstrafsachen des selbständigen Wirkungsbereiches des Landes beim Magistrat der Bundeshauptstadt Wie als Amt der Landesregierung zu bildende Verwaltungsstrafsenat hat zugleich auch die Rechtsprechung oberster Instanz in den Verwaltungsstrafsachen der mittelbaren Bundesverwaltung zu besorgen; zur Handhabung des gesetzlich vorgesehenen Gnadenrechtes ist in diesen Fällen auf Grund der Anträge des Verwaltungsstrafsenates der Bürgermeister als Landeshauptmann berufen."

Artikel 111. (1) Zu den nicht gemeinsamen Angelegenheiten gehören die Verfassung jedes der beiden Landesteile sowie die Wahl der Mitglieder zum Bundesrat (Artikel 35).

(2) Ebenso steht die Gesetzgebung hinsichtlich der Abgaben, soweit sie in den Wirkungsbereich der Länder fällt, dem Gemeinderat der Stadt Wien und dem Landtag (Kurie Land) zu.

(3) Die Aufbringung der Kosten für die gemeinsamen Angelegenheiten regelt die gemeinsame Landesverfassung.

Durch BVG vom 30. Juli 1925 (§ 27) wurde der Artikel 111 gestrichen. Siehe Hinweis bei Artikel 114.

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 53) erhielt der Artikel 111 in folgende Fassung neu eingefügt:
"Artikel 111. In den Angelegenheiten des Bauwesens und des Abgabenwesens steht die Entscheidung in oberster Instanz besonderen Kollegialbehörden zu. Die Zusammensetzung und Bestellung dieser Kollegialbehörden wird landesgesetzlich geregelt."

Artikel 112. Für beide Landesteile gelten die allgemeinen Bestimmungen dieses Hauptstückes. Für Wien hat dabei der vom Gemeinderat gewählte Bürgermeister auch die Stellung eines Landeshauptmannes, der vom Gemeinderat gewählte Stadtsenat auch die Stellung einer Landesregierung und der Magistratsdirektor auch die Stellung eines Landesamtsdirektors.

Durch BVG vom 30. Juli 1925 (§ 27) wurde der Artikel 112 gestrichen.  Siehe Hinweis bei Artikel 114.

Artikel 113. (1) Die gemeinsamen Angelegenheiten werden durch eine vom Landtag von Niederösterreich aus seiner Mitte nach dem Verhältniswahlrecht zu wählende Verwaltungskommission verwaltet.

(2) Der Bürgermeister der Stadt Wien und der Landeshauptmann von Niederösterreich-Land gehören der Verwaltungskommission an und führen abwechselnd den Vorsitz.

Durch BVG vom 30. Juli 1925 (§ 27) wurde der Artikel 113 gestrichen. Siehe Hinweis bei Artikel 114.

Artikel 114. Ein  selbständiges Land Wien kann durch übereinstimmende Gesetze des Wiener Gemeinderates und des Landtages von Niederösterreich-Land gebildet werden.

Durch übereinstimmende Gesetze von Niederösterreich (LGBl. 346/1921) und Wien (LGBl. 153/1921) wurde mit Wirkung vom 1. Januar 1922 von der Bestimmung des Artikels 114 Gebrauch gemacht. Dadurch wurden die Bestimmungen der Artikel 108 bis 114 faktisch gegenstandslos.

Durch BVG vom 30. Juli 1925 (§ 27) wurde der Artikel 114 gestrichen.
 

C. Gemeinden.

Artikel 115. Die allgemeine staatliche Verwaltung in den Ländern wird gemäß den nachfolgenden Bestimmungen nach dem Grundsatz der Selbstverwaltung eingerichtet.

Artikel 116. (1) Verwaltungssprengel und Selbstverwaltungskörper, in die sich die Länder gliedern, sind die Ortsgemeinden und die Gebietsgemeinden.

(2) Die Gemeinde sind den Gebietsgemeinden und diese den Ländern untergeordnet.

Artikel 117. (1) Ortsgemeinden mit mehr als 20.000 Einwohnern sind auf ihren Antrag zu Gebietsgemeinden zu erklären. Bei ihnen fällt die Bezirksverwaltung mit der Gemeindeverwaltung zusammen.

(2) Die bisherigen Städte mit eigenem Statut werden Gebietsgemeinden.

Artikel 118. Die Ortsgemeinden und Gebietsgemeinden sind auch selbständige Wirtschaftskörper; sie haben das Recht, Vermögen aller Art zu besitzen und zu erwerben und innerhalb der Schranken der Bundes- und Landesgesetze darüber zu verfügen, wirtschaftliche Unternehmungen zu betreiben, ihren Haushalt selbständig zu führen und Abgaben einzuheben.

Artikel 119. Die Organe der Ortsgemeinde sind die Ortsgemeindevertretung und das Ortsgemeindeamt, die Organe der Gebietsgemeinde die Gebietsgemeindevertretung und das Gebietsgemeindeamt.

(2) Die Wahlen in alle Vertretungen finden auf Grund des gleichen, unmittelbaren, geheimen und persönlichen Verhältniswahlrechts aller Bundesbürger statt, die im Bereich der zu wählenden Vertretung ihren ordentlichen Wohnsitz haben. Die Erlassung der Wahlordnungen liegt der Landesgesetzgebung ob; in diesen Wahlordnungen dürfen die Bedingungen des aktiven und passiven Wahlrechtes nicht enger gezogen sein als in der Wahlordnung zum Landtag. Die Wahlordnung kann bestimmen, daß die Wähler ihr Wahlrecht in Wahlkreisen ausüben, von denen jeder ein geschlossenes Gebiet umfassen muß. Eine Gliederung der Wählerschaft in andere Wahlkörper ist nicht zulässig. Für die Wahlen in die Gebietsgemeindevertretungen ist der Gerichtsbezirk Wahlkreis. Die Zahl der Abgeordneten ist auf die Wahlkreise im Verhältnis der Bürgerzahl zu verteilen.

(3) In die Gebietsgemeindevertretungen sind nur Personen wählbar, die im Bereich der Gebietsgemeinde ihren ordentlichen Wohnsitz haben und zum Landtag wählbar sind.

(4) Die Vertretungen können nach dem Grundsatz der Verhältniswahl aus ihrer Mitte für die einzelnen Zweige der Verwaltung besondere Verwaltungsausschüsse bestimmen, die, soweit bestimmte Berufs- oder Interessentengruppen in Betracht kommen, auch noch durch die Heranziehung von Vertretern dieser Berufs- oder Interessengruppen erweitert werden können.

(5) Die Leiter der Gebietsgemeindeämter müssen rechtskundige Verwaltungsbeamte sein.

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 54) wurde im Artikel 119 Absatz 2 nach den Worten "nicht enger gezogen sein als in der Wahlordnung zum Landtag." folgende Sätze einzufügen: "Die Landesgesetzgebung kann jedoch bestimmen, daß das aktive und passive Wahlrecht in die Ortsgemeindevertretung Personen, die sich noch nicht ein Jahr in der Gemeinde aufhalten, dann nicht zukommt, wenn ihr Aufenthalt in der Gemeinde offensichtlich nur vorübergehend ist. Die Bestimmungen über die Wahlpflicht bei den Wahlen zum Landtag (Artikel 95, Absatz 1, letzter Satz) finden für die Wahlen in alle Gemeindevertretungen sinngemäß Anwendung."

Artikel 120. (1) Die Festsetzung der weiteren Grundsätze für die Organisation der allgemeinen staatlichen Verwaltung in den Ländern nach den Artikeln 115 bis 119 ist Sache der Bundesverfassungsgesetzgebung; die Ausführung liegt den Landesgesetzgebungen ob.

(2) Welche Verwaltungsgeschäfte sachlich und instanzenmäßig den Vertretungen und Verwaltungsausschüssen sowie den Ämtern zukommt, bestimmen die Bundesgesetzgebung und die Landesgesetzgebungen innerhalb ihrer verfassungsmäßigen Zuständigkeit.

(3) Hiebe ist jedoch den Ortsgemeinden ein Wirkungsbereich in erster Instanz in folgenden Angelegenheiten gewährleistet:
1. Obsorge für die Sicherheit der Person und des Eigentums (örtliche Sicherheitspolizei);
2. Hilfs- und Rettungswesen;
3. Sorge für die Erhaltung der Straßen, Wege, Plätze und Brücken der Gemeinde;
4. örtliche Straßenpolizei;
5. Flurschutz und Flurpolizei;
6. Markt- und Lebensmittelpolizei;
7. Gesundheitspolizei;
8. Bau- und Feuerpolizei.
 

Fünftes Hauptstück.
Rechnungskontrolle des Bundes.

Artikel 121. (1) Zur Überprüfung der Gebarung der gesamten Staatswirtschaft des Bundes, ferner der Gebarung der von Organen des Bundes verwalteten Stiftungen, Fonds und Anstalten ist der Rechnungshof berufen. Ihm kann auch die Überprüfung der Gebarung von Unternehmungen übertragen werden, an denen der Bund finanziell beteiligt ist.

(2) Der Rechnungshof verfaßt den Bundesrechnungsabschluß und legt ihn dem Nationalrat vor.

(3) Alle Urkunden über Staatsschulden (Finanz- und Verwaltungsschulden) sind, insoweit sie eine Verpflichtung des Bundes beinhalten, vom Präsidenten des Rechnungshofes gegenzuzeichnen; durch diese Gegenzeichnung wird lediglich die Gesetzmäßigkeit und rechnungsmäßige Richtigkeit der Gebarung bekräftigt.

Artikel 122. (1) Der Rechnungshof untersteht unmittelbar dem Nationalrat.

(2) Der Rechnungshof besteht aus einem Präsidenten und den erforderlichen Beamten und Hilfskräften.

(3) Der Präsident des Rechnungshofes wird auf Vorschlag des Hauptausschusses vom Nationalrat gewählt.

(4) Der Präsident des Rechnungshofes darf keinem allgemeinen Vertretungskörper angehören und in den letzten fünf Jahren nicht Mitglied der Bundesregierung oder einer Landesregierung gewesen sein.

Durch BVG vom 30. Juli 1925 (§ 28) wurde der Artikel 122 wie  folgt geändert:
- dem Absatz 3 wurde folgender Satz angefügt:
"Das Gelöbnis auf die Bundesverfassung leistet er vor dem Antritt seines Amtes dem Bundespräsidenten."
- im Absatz 4 wurde an Stelle der Worte: "in den letzten fünf Jahren" gesetzt: "in den letzten vier Jahren".

Artikel 123. (1) Der Präsident des Rechnungshofes ist hinsichtlich der Verantwortlichkeit den Mitgliedern der Bundesregierung gleichgestellt.

(2) Er kann durch Beschluß des Nationalrates abberufen werden.

Artikel 124. (1) Der Präsident des Rechnungshofes wird von dem nächsten Beamten des Rechnungshofes vertreten.

(2) Im Falle der Stellvertretung des Präsidenten gelten für den Stellvertreter die Bestimmungen des Art. 123.

Artikel 125. (1) Die Beamten des Rechnungshofes ernennt auf Vorschlag und unter Gegenzeichnung des Präsidenten des Rechnungshofes der Bundespräsident; das gleiche gilt für die Verleihung der Amtstitel. Doch kann der Bundespräsident den Präsidenten des Rechnungshofes ermächtigen, Beamte bestimmter Kategorien zu ernennen.

(2) Die Hilfskräfte ernennt der Präsident des Rechnungshofes.

Artikel 126. Kein Mitglied des Rechnungshofes darf an der Leitung und Verwaltung von Unternehmungen beteiligt sein, die dem Bund oder den Ländern Rechnung zu legen haben oder zum Bund oder einem Land in einem Subventions- oder Vertragsverhältnis stehen. Ausgenommen sind Unternehmungen, die ausschließlich die Förderung humanitärer Bestrebungen oder der wirtschaftlichen Verhältnisse von öffentlichen Angestellten oder deren Angehörigen zum Zwecke haben.

Durch BVG vom 30. Juli 1925 (§ 29) wurden nach dem Artikel 126 folgende Artikel eingefügt:
"Artikel 126a. (1) Der Rechnungshof hat auf Ersuchen der Bundesregierung oder eines Bundesministers in seinen Wirkungsbereich (Artikel 121, Absatz 1) fallende besondere Akte der Gebarungsüberprüfung durchzuführen und das Ergebnis der ersuchenden Stelle mitzuteilen.

Artikel 126b. (1) Entstehen zwischen dem Rechnungshof und der Bundesregierung oder einem Bundesminister Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen, die die Zuständigkeiten des Rechnungshofes regeln, entscheidet auf Anrufung durch die Bundesregierung oder den Rechnungshof der Verfassungsgerichtshof in nichtöffentlicher Verhandlung. Das Verfahren wird durch Verordnung geregelt.

Artikel 126c. Der Rechnungshof hat jeden Bericht vor der Vorlage an den Nationalrat dem Bundeskanzler mitzuteilen. Die Bundesregierung kann binnen drei Wochen Äußerungen zu einem solchen Bericht erstatten, die der Rechnungshof auf ihren Wunsch zugleich mit dem Bericht dem Nationalrat vorzulegen hat. Der Bericht kann jedoch auch schon vor Ablauf dieser dreiwöchigen Frist mit Zustimmung der Bundesregierung dem Nationalrat vorgestellt werden. Nach der Vorlage an den Nationalrat ist der Bericht zu veröffentlichen."

Artikel 127. Durch die Landesverfassungsgesetze können dem Rechnungshof die ihm nach diesem Gesetz bezüglich der Gebarung des Bundes zustehenden Funktionen auch bezüglich der Gebarung des Landes übertragen werden.

Durch BVG vom 30. Juli 1925 (§ 30) erhielt der Artikel 127 folgende Fassung:
"Artikel 127. (1) Der Rechnungshof hat auch die Gebarung der Länder zu überprüfen. Hat ein Land nach seinen Landesgesetzen Kontrolleinrichtungen, durch die die Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der Landesgebarung fortlaufend überprüft wird und deren Unabhängigkeit von der Landesregierung dadurch gesichert ist, daß der Vorstand dieser Stelle vom Landtag bestellt und abberufen wird und nur diesem verantwortlich ist, so hat sich der Rechnungshof auf die Überprüfung des jährlichen Rechnungsabschlusses auf seine ziffermäßige Richtigkeit und darauf, ob die Gebarung und die Rechnungsergebnisse in Übereinstimmung mit den bestehenden Vorschriften stehen, zu beschränken; bestehen solche Kontrolleinrichtungen nicht, so hat der Rechnungshof auch die Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit der Landesgebarung zu überprüfen. In beiden Fällen funktioniert der Rechnungshof unter sinngemäßer Anwendung der Artikel 126a., 126b und 126c als Organ des betreffenden Landtages; der Präsident des Rechnungshofes ist auch diesem verantwortlich (Artikel 142, Absatz 2, lit. c.). Die nach Artikel 126a der Bundesregierung oder einem Bundesminister zustehenden Rechte stehen bezüglich der Gebarungskontrolle gegenüber dem Lande der Landesregierung oder dem Landeshauptmann zu.
(2) Jede Landesregierung hat alljährlich eine oder mehrere mit den besonderen Verhältnissen des Landes vertraute Personen, die nicht der Landesregierung angehören dürfen, dem Rechnungshof namhaft zu machen, die diesen bei Durchführung seiner auf das Land bezüglichen Tätigkeit zu unterstützen haben. Der Rechnungshof ist gehalten, allen Amtshandlungen, die er hinsichtlich der Gebarung eines Landes vornimmt, insbesondere den an Ort und Stelle vorzunehmenden Überprüfungen, den in Betracht kommenden Beauftragten des Landes zuzuziehen.
(3) Ebenso hat der Rechnungshof in allen Fällen, in denen er über Kontrollergebnisse an den Landtag zu berichten beabsichtigt, diese Berichte vorher dem in Betracht kommenden Beauftragten des Landes und überdies, wo eine den Voraussetzungen des Absatzes 1 entsprechende Einrichtung besteht, deren Vorstande mitzuteilen. Dem Beauftragten sowie dem Vorstande der eben erwähnten Kontrollstelle des Landes steht eine Frist von drei Wochen zur Äußerung offen.
(4) Für die Zwecke der im Absatz 1 vorgesehenen Überprüfung haben die Landesregierungen die jährlichen Rechnungsabschlüsse über die Gebarung im selbständigen Wirkungsbereich der Länder dem Rechnungshof zu übermitteln.
(5) Der Rechnungshof hat die Rechnungsabschlüsse auf Grund Einsichtnahme an Ort und Stelle in die Bücher und sonstigen mit der Gebarung im Zusammenhang stehenden Belege zu überprüfen und das Ergebnis der Überprüfung dem Landtage zugleich mit dem Landesrechnungsabschluß vor.
(6) Hinsichtlich Unternehmungen, an denen das Land finanziell beteiligt ist oder für die es eine Ausfallshaftung trägt, hat der Rechnungshof die Betätigung des Landes als Teilhaber oder Bürge derartiger Unternehmungen auf Ersuchen der Landesregierung zu überprüfen und das Ergebnis seiner Prüfung der Landesregierung mitzuteilen."
(7) Die Bestimmungen dieses Artikels finden auf das Bundesland Wien keine Anwendung."

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 55) wurde der Artikel 127 wie folgt geändert:
- der Absatz 1 erhielt folgende Fassung:
"(1) Der Rechnungshof hat die Gebarung der Länder zu überprüfen. Die Überprüfung hat sich auf die ziffernmäßige Richtigkeit, die Übereinstimmung mit den bestehenden Vorschriften, ferner die Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit der Gebarung zu erstrecken. Die Überprüfung hat jedoch nicht auch die für die Gebarung maßgebender Beschlüsse der verfassungsmäßig zuständigen Vertretungskörper zu umfassen. Der Rechnungshof ist bei dieser Tätigkeit unter sinngemäßer Anwendung der Artikel 126a., 126b und 126c als Organ des betreffenden Landtages tätig, dem der Präsident des Rechnungshofes in Bezug auf diese Überprüfung verantwortlich (Artikel 142, Absatz 2, lit. c.). Die nach Artikel 126a der Bundesregierung oder einem Bundesminister zustehenden Rechte stehen bezüglich der Gebarungskontrolle gegenüber dem Land der Landesregierung oder dem Landeshauptmann zu."
- im Absatz 3 wurde an Stelle der Worte: "wo eine den Voraussetzungen des Absatzes 1 entsprechender Einrichtung besteht," gesetzt: "wenn das betreffende Land eine eigene Kontrollstelle besitzt,"
- der Beginn des Absatzes 6 erhielt folgende Fassung:
"(6) Unternehmungen unterliegen der Überprüfung des Rechnungshofes wie die übrige Gebarung des Landes, wenn sie in der Privatwirtschaft des betreffenden Landes keine Konkurrenz haben. Hinsichtlich anderer Unternehmungen, die das Land allein betreibt, sowie hinsichtlich Unternehmungen, an denen das Land finanziell beteiligt ist .....".
- der Absatz 7 erhielt folgende Fassung:
"(7) Der Rechnungshof hat das Ergebnis seiner Gebarensüberprüfung auch der Bundesregierung zur Kenntnis zu bringen."
- folgender Absatz wurde angefügt:
"(8) Die Bestimmungen dieses Artikels gelten auch für die Überprüfung der Gebarung (Landes- und Gemeindegebarung) der Bundeshauptstadt Wien, mit der Maßgabe, daß an Stelle des Landtages der Gemeinderat, an Stelle der Landesregierung der Stadtsenat und an Stelle des Landeshauptmannes der Bürgermeister zu treten hat."

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 56) wurde nach dem Artikel 127 folgender Artikel eingefügt:
"Artikel 127a. (1) Die Gebarung der Gemeinden mit über 20.000 Einwohnern (Städte, Ortsgemeinden) unterliegt der Überprüfung durch den Rechnungshof. Die Überprüfung hat sich auf die ziffernmäßige Richtigkeit, die Übereinstimmung mit den bestehenden Vorschriften, ferner die Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit der Gebarung zu erstrecken. Der Rechnungshof übt diese Überprüfung als Organ des zuständigen Landtages aus, dem der Präsident des Rechnungshofes in bezug auf diese Überprüfung verantwortlich ist.
(2) Der Rechnungshof ist befugt, durch Einschau an Ort und Stele in die Bücher und die sonstigen mit der Gebarung im Zusammenhang stehenden Belege die Gebarung im Zusammenhang stehenden Belege die Gebarung im ganzen oder hinsichtlich gewisser Teilgebiete zu überprüfen. Unbeschadet seiner Überprüfungstätigkeit auf Grund der vorstehenden Bestimmungen hat der Rechnungshof auf begründetes Ersuchen der zuständigen Landesregierung besondere, in seinem Wirkungsbereich fallende Akte der Gebarungsüberprüfung bei den im Absatz 1 bezeichneten Gemeinden durchzuführen und das Ergebnis der Landesregierung mitzuteilen.
(3) Die Bestimmungen des Artikels 127, Absätze 2 bis 4, sind sinngemäß auf die Überprüfung der Gemeindegebarung anzuwenden, mit der Maßgabe, daß an Stelle der in den Absätzen 2 und 3 genannten Beauftragten des Landes solche der Gemeinde treten.
(4) Das Ergebnis seiner Überprüfung hat der Rechnungshof dem Gemeindevorstand sowie der zuständigen Landesregierung, letzterer zusammen mit den seitens des Gemeindevorstandes hiezu allenfalls gemachten Äußerungen mitzuteilen. Die Landesregierung bringt die Vorlage des Rechnungshofes dem Landtag zur Kenntnis.
(5)  Unternehmungen unterliegen der Überprüfung des Rechnungshofes wie die übrige Gebarung der Gemeinden, wenn sie in der Privatwirtschaft der betreffenden Gemeinden, keine Konkurrenz haben. Hinsichtlich anderer Unternehmungen, die die Gemeinde allein betreibt, sowie hinsichtlich Unternehmungen, an denen eine Gemeinde finanziell beteiligt ist oder für die sie eine Ausfallhaftung trägt, hat der Rechnungshof die Betätigung der Gemeinde als Teilhaber oder Bürger derartiger Unternehmungen auf Ersuchen der zuständigen Landesregierung zu überprüfen und das Ergebnis seiner Prüfung unter Einhaltung des im Absatz 4 angeordneten Vorganges der Landesregierung mitzuteilen.
(6) Der Rechnungshof hat auf begründetes Ersuchen der zuständigen Landesregierung auch die Gebarung von Gemeinden mit weniger als 20.000 Einwohnern fallweise zu überprüfen und das Ergebnis dieser Überprüfung der Landesregierung mitzuteilen.
(7) Artikel 127, Absatz 7, findet sinngemäß Anwendung."

Artikel 128. Die näheren Bestimmungen über die Tätigkeit des Rechnungshofes erfolgen durch Bundesgesetz.
 

Sechstes Hauptstück.
Garantien der Verfassung und Verwaltung.

A. Verwaltungsgerichtshof

Artikel 129. (1) Wer durch rechtswidrige Entscheidung oder Verfügung einer Verwaltungsbehörde in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, kann nach Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof erheben.

(2) Erachtet in den Angelegenheiten der Artikel 11 und 12 der zuständige Bundesminister die Interessen des Bundes durch eine rechtswidrige Entscheidung oder Verfügung einer Landesbehörde für verletzt, so kann auch er namens des Bundes wegen der Rechtsverletzung beim Verwaltungsgerichtshof Beschwerde erheben.

(3) Eine Rechtsverletzung liegt nicht vor, soweit die Behörde nach den Bestimmungen des Gesetzes zur Entscheidung oder Verfügung nach freiem Ermessen befugt war und von diesem Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat.

Durch BVG vom 30. Juli 1925 (§ 31) erhielt der Artikel 129 folgende Fassung:
"Artikel 129. (1) Der Verwaltungsgerichtshof erkennt über Rechtswidrigkeit von Bescheiden (Entscheidungen oder Verfügungen) der Verwaltungsbehörden.
(2) Gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde kann Beschwerde erheben:
1. wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet: wegen Rechtswidrigkeit;
2. wer Anspruch hatte, an dem dem Bescheide zugrunde liegenden Verfahren als Beteiligter teilzunehmen, und an dem Verfahren tatsächlich teilgenommen hat: wegen eines gesetzlich vorgesehenen Nichtigkeitsgrundes oder Verletzung zwingender Rechtsnormen, das ist wegen eines verbots- oder gebotswidrigen oder rechtlich unmöglichen Inhaltes;
3. der zuständige Bundesminister: wegen Rechtswidrigkeit, und zwar
a) in den Angelegenheiten des Artikels 10, sofern der Bescheid von einer Kollegialbehörde, deren Mitglieder in Ausübung dieses Amtes an keine Weisungen gebunden sind, erlassen wurde und der Instanzenzug an das Bundesministerium ausgeschlossen ist und bundesgesetzlich dem Bundesminister die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes vorbehalten ist;
b) in den Angelegenheiten der Artikel 11 und 12, soferne der Bundesminister durch den Bescheid einer Landesbehörde die Interessen des Bundes für verletzt erachtet.
(3) Die Beschwerde gemäß Ziffer 1 des Absatzes 2 kann erst nach Erschöpfung des Instanzenzuges die Beschwerde gemäß Ziffer 2 und 3 nur gegen den Bescheid der Verwaltungsbehörde erhoben werden, die in der Sache zuletzt entscheiden hat.
(4) Wegen einer in der Verletzung von Verfahrensvorschriften begründeten Rechtswidrigkeit kann die Beschwerde nur dann erhoben werden, wenn behauptet wird, daß im Falle der Einhaltung dieser Vorschriften die Verwaltungsbehörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.
(5) Eine Rechtswidrigkeit liegt nicht vor, soweit die Verwaltungsbehörde nach den Bestimmungen des Gesetzes nach freiem Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat."

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 57) erhielt der Artikel 129 folgende Fassung:
"Artikel 129. (1) Der Verwaltungsgerichtshof erkennt über Rechtswidrigkeit von Bescheiden (Entscheidungen oder Verfügungen) der Verwaltungsbehörden. Rechtswidrigkeit liegt nicht vor, soweit die Verwaltungsbehörde auf Grund der Bestimmungen des Gesetzes nach freiem Ermessen vorzugehen befugt war und von diesem Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat.
(2) Gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde kann wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben:
1. wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet;
2. in den Angelegenheiten der Artikel 11 und 12 auch der zuständige Bundesminister.
(3) Die Beschwerde gemäß Z. 1 des Absatzes 2 kann erst nach Erschöpfung des Instanzenzuges durch die beschwerdeführende Partei, die Beschwerde gemäß Z. 2 nur gegen einen Bescheid erhoben werden, der von den Parteien im Instanzenzug nicht mehr angefochten werden kann.
(4) Unter welchen Voraussetzungen auch in anderen als den im Absatz 2 angeführten Fällen Beschwerden gegen Bescheide von Verwaltungsbehörden wegen Rechtswidrigkeit zulässig sind, wird in den die einzelnen Gebiete der Verwaltung regelnden Bundes- oder Landesgesetzen bestimmt.
(5) Ausgeschlossen von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes sind:
1. die Angelegenheiten, die zur Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes gehören;
2. die Disziplinarangelegenheiten der Angestellten des Bundes, der Länder, der Bezirke oder der Gemeinden;
3. die Angelegenheiten des Patentwesens;
4. die Angelegenheiten, über die in oberster Instanz die Entscheidung einer Kollegialbehörde zusteht, wenn nach dem die Einrichtung dieser Behörde regelnden Bundes- oder Landesgesetz unter den Mitgliedern sich wenigstens ein Richter befindet, auch die übrigen Mitglieder in Ausübung dieses Amtes an keine Weisungen gebunden sind, die Bescheide der Behörde nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg unterliegen und nicht, ungeachtet des Zutreffens dieser Bedingungen, die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes ausdrücklich für zulässig erklärt ist."

Artikel 130. Für Angelegenheiten, in denen die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zulässig ist, kann der administrative Instanzenzug durch Bundes- oder Landesgesetz gemäß den Zuständigkeitsbestimmungen der Artikel 10 bis 15 abgekürzt werden.

Durch BVG vom 30. Juli 1925 (§ 31) erhielt der Artikel 130 folgende Fassung:
"Artikel 130. Von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes sind ausgeschlossen die Angelegenheiten:
1. die zur Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes gehören;
2. über die den ordentlichen Gerichten die Entscheidung zusteht;
3. über die in letzter Instanz einer Kollegialbehörde zu entscheiden oder zu verfügen hat, wenn sich nach bundes- oder landesgesetzlicher Vorschrift unter den Mitgliedern der Kollegialbehörde wenigstens ein Richter befindet, auch die übrigen Mitglieder in Ausübung dieses Amtes an keine Weisungen gebunden sind, die Bescheide der Kollegialbehörde im Verwaltungswege weder aufgehoben noch abgeändert werden können und die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes gesetzlich nicht ausdrücklich für zulässig erklärt ist oder Artikel 129, Absatz 2, Z. 3, lit. a, Anwendung findet."

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 57) erhielt der Artikel 130 folgende Fassung:
"Artikel 130. (1) Der Verwaltungsgerichtshof erkennt in Verwaltungsstrafsachen über Rechtswidrigkeit eines Straferkenntnisses auf Beschwerde des Bestraften, über Rechtswidrigkeit eines Einstellungsbescheides auf Beschwerde des Privatanklägers.
(2) Außerdem erkennt er auf Beschwerde des Bestraften auch über die Höhe der in einem Straferkenntnis ausgesprochenen Strafe, wenn es sich um eine Freiheitsstrafe von mehr als einer Woche, um eine Geldstrafe von mehr als 200 S, um die Strafe des Verfalles von Gegenständen in diesem Wert oder um die Strafe der Entziehung einer Berechtigung handelt.
(3) Die Beschwerden können in allen diesen Fällen erst nach Erschöpfung der Instanzenzuges erhoben werden."

Artikel 131. Von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes sind ausgeschlossen die Angelegenheiten:
1. die zur Kompetenz des Verfassungsgerichtshofes gehören;
2. über die den ordentlichen Gerichten die Entscheidung zusteht;
3. über die eine Kollegialbehörde zu entscheiden oder zu verfügen hat, der in erster oder höherer Instanz wenigstens ein Richter angehört.

Durch BVG vom 30. Juli 1925 (§ 31) erhielt der Artikel 131 folgende Fassung:
"Artikel 131. (1) In Verwaltungsstrafsachen kann Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erheben
a) der Bestrafte gegen ein Straferkenntnis oder der Privatankläger gegen einen Einstellungsbescheid: wegen Rechtswidrigkeit;
b) der Bestrafte, wenn er behauptet, daß eine ihm auferlegte Freiheitsstrafe von mehr als einer Woche oder die Strafe der Entziehung einer Berechtigung oder Geldstrafe von mehr als 200 S oder die Strafe des Verfalles von Gegenständen in diesem wert mit Rücksicht auf das Maß seines Verschuldens und die geringe Bedeutung der Übertretung unbillig oder geeignet sei, seine wirtschaftliche Lage zu gefährden: wegen der Höhe der Strafe.
(2) Die Beschwerden sind in allen diesen Fällen nur nach Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges zulässig."

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 57) erhielt der Artikel 131 folgende Fassung:
"Artikel 131. (1) Der Verwaltungsgerichtshof erkennt über Klagen, womit gegen den Bund, die Länder, die Bezirke oder die Gemeinden vermögensrechtliche Ansprüche geltend gemacht werden, sofern diese Ansprüche weder im ordentlichen Rechtsweg noch vor dem Verfassungsgerichtshof auszutragen sind.
(2) Inwieweit der Verwaltungsgerichtshof auch berufen ist, über die Haftung des Bundes, der Länder, der Bezirke oder der Gemeinden für den Schaden, den die als ihre Organe handelnden Personen verursacht haben, sowie über die Haftung dieser Organe gegenüber der Gebietskörperschaft zu erkennen, wird in den im Artikel 23, Absätze 1 und 3, bezeichneten bundesgesetzlichen Bestimmungen geregelt."

Artikel 132. Jedem Senat des Verwaltungsgerichtshofes, der über die angefochtene Entscheidung oder Verfügung der Verwaltungsbehörde eines Landes zu erkennen hat, soll in der Regel ein Richter angehören, der aus dem Justiz- oder Verwaltungsdienst in diesem Land hervorgegangen ist.

Durch BVG vom 30. Juli 1925 (§ 31) erhielt der Artikel 132 folgende Fassung:
"Artikel 132. (1) Das stattgebende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes bewirkt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.
(2) Die Verwaltungsbehörden sind bei dem unverzüglich zu erlassenden neuen Bescheid an die Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes gebunden.
(3) Im Falle des Artikels 131, Absatz 1, lit. b, hat der Verwaltungsgerichtshof selbst in seinem stattgebenden Erkenntnis die Strafe innerhalb des gesetzlichen Ausmaßes festzusetzen."

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 57) erhielt der Artikel 132 folgende Fassung:
"Artikel 132. (1) Der Verwaltungsgerichtshof erkennt in Streitfällen, die sich aus dem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis der Angestellten des Bundes, der Länder, der Bezirke oder der Gemeinden ergeben.
(2) Die Parteien können die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes anrufen:
a) durch eine Klage, womit ein vermögensrechtlicher Anspruch geltend gemacht wird,
b) durch eine Beschwerde, womit die Rechtswidrigkeit des Bescheides der Verwaltungsbehörde geltend gemacht wird.
(3) Wenn über einen vermögensrechtlichen Anspruch durch Bescheid im Verwaltungsverfahren unmittelbar oder mittelbar entscheiden wurde, so kann eine Klage nach Absatz 2, lit. a, nur dann eingebracht werden, wenn auch der Bescheid durch eine Beschwerde nach Absatz 2, lit. b, angefochten wird.
(4) Die Klage oder die Beschwerde kann, sofern nicht nach bundesgesetzlicher Vorschrift die sofortige Erhebung zulässig ist, erst dann erhoben werden, wenn der Instanzenzug erschöpft wurde oder die angerufene Behörde erster oder höherer Instanz nicht binnen der bundesgesetzlich zu bestimmenden Frist in der Sache entscheiden hat. Auf die behauptete Rechtswidrigkeit eines Diziplinarerkenntnisses kann weder eine Klage noch eine Beschwerde gegründet werden."

Artikel 133. (1) Das stattgebende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes bewirkt die Aufhebung der rechtswidrigen Entscheidung oder Verfügung.

(2) Die Verwaltungsbehörden sind bei der neu zu treffenden Entscheidung oder Verfügung an die Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes gebunden.

(3) Der Verwaltungsgerichtshof kann in der Sache selbst entscheiden, soweit nicht die Behörde nach den Bestimmungen des Gesetzes zur Entscheidung oder Verfügung nach freiem Ermessen befugt ist.

Durch BVG vom 30. Juli 1925 (§ 31) erhielt der Artikel 133 folgende Fassung:
"Artikel 133. (1) Der Verwaltungsgerichtshof erkennt, sofern nicht nach dem Bundesgesetz über die Verwaltungsgerichtsbarkeit und die Organisation des Verwaltungsgerichtshofes ein Beschluß der Vollversammlung notwendig ist, in Senaten.
(2) Jedem Senat des Verwaltungsgerichtshofes, der über den Bescheid der Verwaltungsbehörde eines Landes zu erkennen hat, soll in der Regel ein Richter angehören, der aus dem Justiz- oder Verwaltungsdienst in diesem Lande hervorgegangen ist."

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 57) erhielt der Artikel 133 folgende Fassung:
"Artikel 133. (1) In den Fällen des Artikels 129, des Artikels 130, Absatz 1, und des Artikels 132, Absatz 2, lit. b, hat der Verwaltungsgerichtshof, sofern er die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder als unbegründet abzuweisen findet, den angefochtenen Bescheid als aufgehoben zu erklären.
(2) Wegen einer in der Verletzung von Verfahrensvorschriften begründeten Rechtswidrigkeit ist die Aufhebung des Bescheides nur dann zulässig, wenn die Verwaltungsbehörde im Fall der Einhaltung der Verfahrensvorschriften zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.
(3) Wird der Bescheid der Verwaltungsbehörde aufgehoben, so sind die Verwaltungsbehörden verpflichtet, in dem betreffenden Fall mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.
(4) In den Fällen des Artikels 130, Absatz 2, hat der Verwaltungsgerichtshof, sofern er die Beschwerde nicht zurückgewiesen oder als unbegründet abzuweisen findet, die Strafe innerhalb des gesetzlichen Ausmaßes selbst festzusetzen.
(5) In den Fällen des Artikels 131 und des Artikels 132, Absatz 2, lit. a, hat der Verwaltungsgerichtshof, sofern er die Klage nicht zurückzuweisen findet, über den geltend gemachten Anspruch selbst zu entscheiden und gegebenenfalls auch die Frist zu bestimmen, innerhalb welcher der Anspruch zu erfüllen ist. Die Vollstreckung dieser Erkenntnisse obliegt den ordentlichen Gerichten."

Artikel 134. (1) Der Verwaltungsgerichtshof hat seinen Sitz in der Bundeshauptstadt Wien.

(2) Er besteht aus einem Präsidenten, einem Vizepräsidenten und der erforderlichen Anzahl von Senatspräsidenten und Räten.

(3) Wenigstens die Hälfte der Mitglieder muß die Eignung zum Richteramt haben.

Durch BVG vom 30. Juli 1925 (§ 31) erhielt der Artikel 134 folgende Fassung:
"Artikel 134. (1) Der Verwaltungsgerichtshof hat seinen Sitz in der Bundeshauptstadt Wien.
(2) Er besteht aus einem Präsidenten, einem Vizepräsidenten und der erforderlichen Zahl von sonstigen Mitgliedern (Senatspräsidenten und Räten).
(3) Wenigstens ein Drittel der Mitglieder muß die Eignung zum Richteramt haben.
(4) Die Bestimmungen des Artikels 87, Absatz 1 und 2, und des Artikels 88, Absätze 1 und 2, gelten auch für die Mitglieder des Verwaltungsgerichtshofes."

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 57) erhielt der Artikel 134 folgende Fassung:
"Artikel 134. (1) Der Verwaltungsgerichtshof besteht aus einem Präsidenten, einem Vizepräsidenten und der erforderlichen Zahl von sonstigen Mitgliedern (Senatspräsidenten und Räten).
(2) Den Präsidenten, den Vizepräsidenten und die übrigen Mitglieder des Verwaltungsgerichtshofes ernennt der Bundespräsident auf Vorschlag der Bundesregierung. Die Bundesregierung erstattet ihre Vorschläge, soweit es sich nicht um die Stelle des Präsidenten oder des Vizepräsidenten handelt, auf Grund von Dreiervorschlägen der Vollversammlung des Verwaltungsgerichtshofes.
(3) Alle Mitglieder des Verwaltungsgerichtshofes müssen die rechts- und staatswissenschaftlichen Studien vollendet und bereits durch mindestens zehn Jahre eine Berufsstellung bekleidet haben, für die die Vollendung dieser Studien vorgeschrieben ist. Wenigstens der dritte Teil der Mitglieder muß die Befähigung zum Richteramt haben, wenigstens der vierte Teil soll aus Berufsstellungen in den Ländern, womöglich aus dem Verwaltungsdienst der Länder, entnommen werden.
(4) Dem Verwaltungsgerichtshof können Mitglieder der Bundesregierung, einer Landesregierung oder eines allgemeinen Vertretungskörpers nicht angehören; für Mitglieder der allgemeinen Vertretungskörper, die auf eine bestimmte Gesetzgebungs- oder Funktionsperiode gewählt wurden, dauert die Unvereinbarkeit auch bei vorzeitigem Verzicht auf das Mandat bis zum Ablauf der Gesetzgebungs- oder Funktionsperiode fort.
(5) Zum Präsidenten oder Vizepräsidenten des Verwaltungsgerichtshofes kann nicht bestellt werden, wer eine der im Absatz 4 bezeichneten Funktionen in den letzten vier Jahren bekleidet hat.
(6) Alle Mitglieder des Verwaltungsgerichtshofes sind berufsmäßig angestellte Richter. Die Bestimmungen des Artikels 87, Absätze 1 und 2, und des Artikels 88, Absatz 2, finden auf sie Anwendung. Am 31. Dezember des Jahres, in dem sie das fünfundsechzigste Lebensjahr vollenden, treten die Mitglieder des Verwaltungsgerichtshofes kraft Gesetzes in den dauernden Ruhestand."

Artikel 135. Der Präsident, der Vizepräsident und die Mitglieder des Verwaltungsgerichtshofes werden auf Vorschlag der Bundesregierung vom Bundespräsidenten ernannt. Der Vorschlag der Bundesregierung bedarf bezüglich des Präsidenten und der Hälfte der Mitglieder der Zustimmung des Hauptausschusses des Nationalrates, bezüglich des Vizepräsidenten und der anderen Hälfte der Mitglieder der Zustimmung des Bundesrates.

Durch BVG vom 30. Juli 1925 (§ 31) erhielt der Artikel 135 folgende Fassung:
"Artikel 135. Der Präsident, der Vizepräsident und die übrigen Mitglieder des Verwaltungsgerichtshofes werden auf Vorschlag der Bundesregierung vom Bundespräsidenten ernannt. Der Vorschlag der Bundesregierung bedarf bezüglich der einen Hälfte der Mitglieder einschließlich des Präsidenten der Zustimmung des Hauptausschusses des Nationalrates, bezüglich der anderen Hälfte der Mitglieder einschließlich des Vizepräsidenten der Zustimmung des Bundesrates."

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 57) erhielt der Artikel 135 folgende Fassung:
"Artikel 135. (1) Der Verwaltungsgerichtshof erkennt in Senaten; die Fälle, in denen Beschlüsse der Vollversammlung oder von Fachgruppen der Vollversammlung einzuholen sind, bestimmt das im Artikel 136 bezeichnete Bundesgesetz.
(2) Jedem Senat, der über eine Beschwerde in Angelegenheiten der Landesverwaltung oder über eine Klage gegen ein Land, einen Bezirk oder eine Gemeinde zu erkennen hat, soll in der Regel ein Mitglied angehören, das in dem betreffenden Land beruflich tätig war.".

Artikel 136. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit und die Organisation des Verwaltungsgerichtshofes werden durch Bundesgesetz geregelt.

Durch BVG vom 30. Juli 1925 (§ 31) erhielt der Artikel 136 folgende Fassung:
"Artikel 136. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit und die Organisation des Verwaltungsgerichtshofes werden durch Bundesgesetz geregelt."

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 57) erhielt der Artikel 136 folgende Fassung:
"Artikel 136. Die näheren Bestimmungen über die Einrichtung und das Verfahren des Verwaltungsgerichtshofes enthält ein besonderes Bundesgesetz."
 

B. Verfassungsgerichtshof

Artikel 137. Der Verfassungsgerichtshof erkennt über alle Ansprüche an den Bund, die Länder, die Bezirke oder die Gemeinden, die im ordentlichen Rechtsweg nicht auszutragen sind.

Durch BVG vom 30. Juli 1925 (§ 32) erhielt der Artikel 137 folgende Fassung:
"Artikel 137. (1) Der Verfassungsgerichtshof erkennt über alle vermögensrechtlichen Ansprüche an den Bund, die Länder, die Bezirke oder die Gemeinden, die im ordentlichen Rechtsweg nicht auszutragen sind.
(2) Er erkennt insbesondere über solche aus einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis abgeleiteten Ansprüche der Angestellten des Bundes, der Länder (Bezirke) und der Gemeinde. In diesen Fällen kann die Klage beim Verfassungsgerichtshof soferne sie nicht nach bundesgesetzlicher Vorschrift sofort erhoben werden kann, erst eingebracht werden, wenn der administrative Instanzenzug erschöpft ist oder die anzurufende Behörde erster oder höherer Instanz nicht binnen einer bundesgesetzlich festzulegenden Frist in der Sache entschieden hat. Auf die behauptete Rechtswidrigkeit eines Disziplinarerkenntnisses kann ein solcher Anspruch nicht gegründet werden."

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 58) erhielt der Artikel 137 folgende Fassung:
"Artikel 137. Der Verfassungsgerichtshof erkennt über Klagen, womit vermögensrechtliche Ansprüche des Bundes, der Länder, der Bezirke und der Gemeinden gegeneinander geltend gemacht werden, sofern diese Ansprüche im ordentlichen Rechtsweg nicht auszutragen sind."

Artikel 138. Der Verfassungsgerichtshof erkennt ferner über Kompetenzkonflikte
a) zwischen Gerichten und Verwaltungsbehörden;
b) zwischen dem Verwaltungsgerichtshof und allen anderen Gerichten, insbesondere auch zwischen dem Verwaltungsgerichtshof und dem Verfassungsgerichtshof selbst;
c) zwischen den Ländern untereinander sowie zwischen einem Land und dem Bund.

Durch BVG vom 30. Juli 1925 (§ 33) wurde der Artikel 138 wie folgt geändert:
- der lit. b. erhielt folgende Fassung:
"b) zwischen dem Verwaltungsgerichtshof und allen anderen Gerichten, insbesondere auch zwischen dem Verwaltungsgerichtshof und dem Verfassungsgerichtshof selbst, sowie zwischen den ordentlichen Gerichten und anderen Gerichten."
- folgender Absatz wurde angefügt:
"(2) Der Verfassungsgerichtshof stellt weiters auf Antrag der Bundesregierung oder einer Landesregierung fest, ob ein Akt der Gesetzgebung oder Vollziehung gemäß Artikel 10 bis 15 in die Zuständigkeit des Bundes oder der Länder fällt."

Artikel 139. (1) Der Verfassungsgerichtshof erkennt über Gesetzwidrigkeit von Verordnungen einer Bundes- oder Landesbehörde auf Antrag eines Gerichtes, sofern aber eine solche Verordnung die Voraussetzung eines Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs bilden soll, von Amts wegen;
über Gesetzwidrigkeit von Verordnungen einer Landesbehörde auch auf Antrag der Bundesregierung;
über Gesetzwidrigkeit von Verordnungen einer Bundesbehörde auch auf Antrag einer Landesregierung.

(2) Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, mit dem die Verordnung als gesetzwidrig aufgehoben wird, verpflichtet die zuständige oberste Behörde zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung; die Aufhebung tritt am Tage der Kundmachung in Kraft.

Durch BVG vom 30. Juli 1925 (§ 34) wurde dem Artikel 139 folgender Absatz angefügt:
"(3) Wenn die vom Gericht anzuwendende Verordnung bereits außer Kraft getreten ist und der Antrag daher gemäß Artikel 89, Absatz 3, gestellt wurde, hat sich das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes auf den Ausspruch zu beschränken, ob die Verordnung gesetzwidrig war."

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 59) wurde dem Artikel 139 Absatz 2 folgende Worte angefügt:
", wenn nicht der Verfassungsgerichtshof für das Außerkrafttreten eine Frist bestimmt, die sechs Monate nicht überschreiten darf"

Artikel 140. (1) Der Verfassungsgerichtshof erkennt über Verfassungswidrigkeit von Landesgesetzen auf Antrag der Bundesregierung, über Verfassungswidrigkeit von Bundesgesetzen auf Antrag einer Landesregierung, sofern aber ein solches Gesetz die Voraussetzung eines Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes bilden soll, von Amts wegen.

(2) Der im Absatz 1 erwähnte Antrag kann jederzeit gestellt werden; er ist vom Antragsteller sofort der zuständigen Landesregierung oder der Bundesregierung bekanntzugeben.

(3) Das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, mit dem ein Gesetz als verfassungswidrig aufgehoben wird, verpflichtet den Bundeskanzler oder den zuständigen Landeshauptmann zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung; die Aufhebung tritt am Tage der Kundmachung in Kraft, wenn nicht der Verfassungsgerichtshof für das Außerkrafttreten eine Frist bestimmt. Diese Frist darf sechs Monate nicht überschreiten.

(4) Die Bestimmung des Artikels 89, Absatz 1, gilt nicht für die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von gesetzen durch den Verfassungsgerichtshof.

Durch BVG vom 30. Juli 1925 (§ 35) wurde der Artikel 140 wie folgt geändert:
- im Absatz 3 wurden zwischen den Worten "mit dem ein Gesetz" und "als verfassungswidrig aufgehoben wird" die Worte "oder ein bestimmter  Teil eines solchen" eingesetzt.
- nach dem Absatz 3 wurde folgender Absatz eingefügt:
"(4) Das Finanz-Verfassungsgesetz bestimmt, inwieweit Landtagsbeschlüsse über Landeszuschläge zu den Bundessteuern beim Verfassungsgerichtshof angefochten werden können und welche rechtlichen Wirkungen mit einem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, das die Aufhebung eines solchen Landtagsbeschlusses oder eines Landesgesetzes über Landes- oder Gemeindeabgaben ausspricht, verbunden sind."
- der bisherige Absatz 4 erhielt die Bezeichnung Absatz 5.

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 60) wurde der Artikel 140 wie folgt geändert:
- der Absatz 1 erhielt folgende Fassung:
"(1) Der Verfassungsgerichtshof erkennt
über Verfassungswidrigkeit eines Bundes- oder Landesgesetzes auf Antrag des Obersten Gerichtshofes oder des Verwaltungsgerichtshofes, sofern ein solches Gesetz die Voraussetzung eines Erkenntnisses des antragstellenden Gerichtshofes bildet, ferner von Amts wegen dann, wenn ein solches Gesetz die Voraussetzung für ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes selbst bildet;
über Verfassungswidrigkeit von Landesgesetzen auch auf Antrag der Bundesregierung;
über Verfassungswidrigkeit von Bundesgesetzen auch auf Antrag einer Landesregierung."
- im Absatz 3 wurde im letzten Satz an Stelle der Worte "sechs Monate" gesetzt: "ein Jahr"
- nach dem Absatz 3 wurde folgender Absatz eingefügt:
"(4) Wird durch ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes ein Gesetz oder ein Teil eines solchen als verfassungswidrig aufgehoben, so treten mit dem Tag des Inkrafttretens der Aufhebung, falls das Erkenntnis nicht anderes ausspricht, die gesetzlichen Bestimmungen wieder in Wirksamkeit, die durch das vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig erkannte Gesetz aufgehoben worden waren. In der Kundmachung über die Aufhebung des Gesetzes ist auch zu verlautbaren, ob und welche gesetzlichen Bestimmungen wieder in Kraft treten."
- die bisherigen Absätze 4 und 5 erhielten die Bezeichnung als Absätze 5 und 6.

Artikel 141. Der Verfassungsgerichtshof erkennt über die Anfechtung der Wahlen zum Nationalrat, zum Bundesrat, zu den Landtagen und zu allen anderen allgemeinen Vertretungskörpern und auf Antrag eines dieser Vertretungskörper auf Erklärung des Mandatsverlustes eines seiner Mitglieder.

Durch BVG vom 2. Juli 1929 wurde dem Artikel 141 folgender Absatz angefügt.
"(2) Unter welchen Voraussetzungen der Verfassungsgerichtshof über Anfechtungen des Ergebnisses von Volksabstimmungen zu entscheiden hat, wird durch Bundesgesetz geregelt. Dieses Bundesgesetz kann auch anordnen, wie lange im Hinblick auf eine solche Anfechtungsmöglichkeit mit der Kundmachung des Bundesgesetzes, über das eine Volksabstimmung erfolgte, zugewartet werden muß."

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 61) wurde der Artikel 141 wie folgt geändert:
- an Stelle der Worte "zum Bundesrat" wurde gesetzt: "zum Länder- und Ständerat". Diese Änderung ist nicht in Kraft getreten; siehe Hinweis bei Artikel 24.
- dem Artikel wurde folgender Absatz angefügt:
"(2) Unter welchen Voraussetzungen der Verfassungsgerichtshof über Anfechtungen des Ergebnisses von Volksbegehren oder Volksabstimmungen zu entscheiden hat, wird durch Bundesgesetz geregelt. Bundesgesetzlich kann auch angeordnet werden, wie lang im Hinblick auf eine solche Anfechtungsmöglichkeit mit der Kundmachung des Bundesgesetzes, über das eine Volksabstimmung erfolgte, zugewartet werden muß."

Artikel 142. (1) Der Verfassungsgerichtshof erkennt über die Anklage, mit der die verfassungsmäßige Verantwortlichkeit der obersten Bundes- und Landesorgane für die durch ihre Amtstätigkeit erfolgten schuldhaften Rechtsverletzungen geltend gemacht wird.

(2) Die Anklage kann erhoben werden:
a) gegen den Bundespräsidenten wegen Verletzung der Bundesverfassung: durch Beschluß der Bundesversammlung;
b) gegen die Mitglieder der Bundesregierung und die ihnen hinsichtlich der Verantwortlichkeit gleichgestellten Organe wegen Gesetzesverletzung: durch Beschluß des Nationalrates;
c) gegen die Mitglieder einer Landesregierung und die ihnen hinsichtlich der Verantwortlichkeit durch die Landesverfassung gleichgestellten Organe wegen Gesetzesverletzung: durch Beschluß des zuständigen Landtages;
d) gegen einen Landeshauptmann wegen Gesetzesverletzung sowie wegen Nichtbefolgung der Verordnungen oder sonstigen Anordnungen des Bundes in Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung: durch Beschluß der Bundesregierung;

(3) Das verurteilende Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes hat auf Verlust des Amtes, unter besonders erschwerenden Umständen auch auf zeitlichen Verlust der politischen Rechte zu lauten; bei geringfügigen Rechtsverletzungen in den in Absatz 2 unter d) erwähnten Fällen kann sich der Verfassungsgerichtshof auf die Feststellung beschränken, daß eine Rechtsverletzung vorliegt.

Durch BVG vom 30. Juli 1925 (§ 36) wurde der Artikel 142 wie folgt geändert:
- im Absatz 2 lit. c. wurden nach den Worten "hinsichtlich der Verantwortlichkeit" die Worte: "durch dieses Gesetz oder" eingefügt.
- Absatz 2 lit. d erhielt folgende Fassung:
"d) gegen einen Landeshauptmann, dessen Stellvertreter (Artikel 105, Absatz 1) oder ein Mitglied der Landesregierung (Artikel 103, Absatz 2 und 3) wegen Gesetzesverletzung sowie wegen Nichtbefolgung der Verordnungen oder sonstigen Anordnungen (Weisungen) des Bundes in Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung wenn es sich um ein Mitglied der Landesregierung handelt, auch der Weisungen des Landeshauptmannes in diesen Angelegenheiten: durch Beschluß der Bundesregierung."
- als Absatz 3 wurden folgende Bestimmungen eingefügt:
"(3) Wird von der Bundesregierung gemäß Abs. 2 lit. d die Anklage nur gegen einen Landeshauptmann oder dessen Stellvertreter erhoben und erweist es sich, daß einem nach Artikel 103, Absatz 2, mit Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung befaßten anderen Mitglied der Landesregierung ein Verschulden im Sinne des Absatzes 2, lit. d, zur Last fällt, so kann die Bundesregierung jederzeit bis zur Fällung des Erkenntnisses ihre Anklage auch auf dieses Mitglied der Landesregierung ausdehnen."
- der bisherige Absatz 3 erhielt die Bezeichnung Absatz 4.
- als Absatz 5 wurden dem Artikel folgende Bestimmungen angefügt:
"(5) Der Bundespräsident kann von dem ihm nach Art. 65 Abs. 2 lit. c zustehenden Recht in den Fällen der lit. a, b und c des zweiten Absatzes dieses Artikels nur auf Antrag des Vertretungskörpers, der die Anklage beschlossen hat, im Falle des lit. d nur auf Antrag der Bundesregierung Gebrauch machen, und zwar in allen Fällen nur mit Zustimmung des Angeklagten."

Artikel 143. Die Anklage gegen die in Artikel 142 Genannten kann auch wegen strafgerichtlich zu verfolgender Handlungen erhoben werden, die mit der Amtstätigkeit des Anzuklagenden in Verbindung stehen. In diesem Falle wird der Verfassungsgerichtshof allein zuständig; die bei den ordentlichen Strafgerichten etwa bereits anhängige Untersuchung geht auf ihn über. Der Verfassungsgerichtshof kann in solchen Fällen neben dem Artikel 142, Absatz 3, auch die strafgesetzlichen Bestimmungen anwenden.

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 62) wurden im Artikel 143 an Stelle der Worte "neben dem Artikel 142, Absatz 3" gesetzt: "neben dem Artikel 142, Absatz 4".

Artikel 144. (1) Der Verfassungsgerichtshof erkennt über Beschwerden wegen Verletzung der verfassungsmäßig gewährleisteten Rechte durch die Entscheidung oder Verfügung einer Verwaltungsbehörde nach Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges.

(2) Das stattgebende Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes bewirkt die Aufhebung der verfassungswidrigen Entscheidung oder Verfügung. Die Behörden sind bei der neu zu treffenden Entscheidung oder Verfügung an die Rechtsanschauung des Verfassungsgerichtshofes gebunden.

Durch BVG vom 30. Juli 1925 (§ 37) erhielt der Artikel 144 folgende Fassung:
"Artikel 144. (1) Der Verfassungsgerichtshof erkennt über Beschwerden gegen Bescheide (Entscheidungen und Verfügungen) der Verwaltungsbehörden, soweit der Beschwerdeführer durch den Bescheid in einem verfassungsmäßig gewährleisteten Recht verletzt zu sein behauptet, und zwar, insoweit bundesgesetzlich nicht anderes bestimmt ist, nach Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges.
(2) Er erkennt weiters über Beschwerden aus einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis der Angestellten des Bundes, der Länder (Bezirke) und der Gemeinden wegen Verletzung der aus dem Dienstverhältnis entsprungenen Rechte durch einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde, und zwar, insoweit bundesgesetzlich nicht anderes bestimmt ist, nach Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges.
(3) Auf die behauptete Rechtswidrigkeit eines Disziplinarerkenntnisses kann eine solche Beschwerde nicht gegründet werden.
(4) Die Bestimmungen des Artikels 132, Absatz 1 und 2, gelten in diesen Fällen auch für das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes."

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 63) erhielt der Artikel 144 folgende Fassung:
"Artikel 144. (1) Der Verfassungsgerichtshof erkennt über Beschwerden gegen Bescheide (Entscheidungen und Verfügungen) der Verwaltungsbehörden, soweit der Beschwerdeführer durch den Bescheid in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt zu sein behauptet. Die Beschwerde kann, sofern bundesgesetzlich nicht anderes bestimmt, erst nach Erschöpfung des Instanzenzuges erhoben werden.
(2) Die Bestimmungen des Artikels 133, Absätze 1 und 3, gelten in diesen Fällen sinngemäß für das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes.
(3) Findet der Verfassungsgerichtshof, daß durch den angefochtenen Bescheid der Verwaltungsbehörde ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht nicht verletzt wurde, und handelt es sich nicht um einen Fall, der nach Art. 129, Absatz 5, von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen ist, so hat der Verfassungsgerichtshof zugleich mit dem abweisenden Erkenntnis auf Antrag des Beschwerdeführers die Beschwerde zur Entscheidung darüber, ob der Beschwerdeführer durch den Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt wurde, dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten."

Artikel 145. Der Verfassungsgerichtshof erkennt über Verletzungen des Völkerrechtes nach den Bestimmungen eines besonderen Bundesgesetzes.

Artikel 146. Die Exekution der Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes liegt dem Bundespräsidenten ob.

Durch BVG vom 30. Juli 1925 (§ 38) erhielt der Artikel 146 folgende Fassung:
"Artikel 146. (1) Die Exekution der Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes über Ansprüche nach Artikel 137 wird von den ordentlichen Gerichten durchgeführt.
(2) Die Exekution der übrigen Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes liegt dem Bundespräsidenten ob. Sie ist nach dessen Weisungen durch die nach seinem Ermessen hiezu beauftragten Organe des Bundes oder der Länder durchzuführen. Der Antrag auf Exekution solcher Erkenntnisse ist vom Verfassungsgerichtshof beim Bundespräsidenten zu stellen."

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 64) wurde der Artikel 146 wie folgt geändert:
- im Absatz 2 wurde nach den Worten "hiezu beauftragten Organe des Bundes oder der Länder" eingeschaltet: "einschließlich des Bundesheeres".
- dem Absatz 2 wurde folgender Satz angefügt:
"Die erwähnten Weisungen des Bundespräsidenten bedürfen, wenn es sich um Exekutionen handelt, keiner Gegenzeichnung nach Artikel 67."

Artikel 147. (1) Der Verfassungsgerichtshof hat seinen Sitz in Wien.

(2) Er besteht aus einem Präsidenten, einem Vizepräsidenten, ferner der erforderlichen Anzahl von Mitgliedern und Ersatzmitgliedern.

(3) Der Präsident, der Vizepräsident sowie die Hälfte der Mitglieder und Ersatzmitglieder werden vom Nationalrat, die andere Hälfte der Mitglieder und Ersatzmitglieder vom Bundesrat auf Lebensdauer gewählt.

Durch BVG vom 30. Juli 1925 (§ 39) wurden dem Artikel 147 folgende Absätze angefügt
"(4) Mitglieder der Bundesregierung oder einer Landesregierung können dem Verfassungsgerichtshof nicht angehören. Der Präsident, der Vizepräsident, zwei Drittel der sonstigen Mitglieder und zwei Drittel der Ersatzmitglieder dürfen nicht Mitglieder des Nationalrates, des Bundesrates oder eines Landtages sein.
(5) Wenn ein Mitglied oder Ersatzmitglied drei aufeinanderfolgenden Einladungen zu einer Verhandlung des Verfassungsgerichtshofes ohne genügende Entschuldigung keine Folge geleistet hat, so hat dies nach seiner Anhörung der Verfassungsgerichtshof festzustellen. Diese Feststellung hat den Verlust der Mitgliedschaft oder der Eigenschaft als Ersatzmitglied zur Folge."

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 65) erhielt der Artikel 147 folgende Fassung:
"Artikel 147. (1) Der Verfassungsgerichtshof besteht aus einem Präsidenten, einem Vizepräsidenten, zwölf weiteren Mitgliedern und sechs Ersatzmitgliedern.
(2) Den Präsidenten, den Vizepräsidenten, sechs weitere Mitglieder und drei Ersatzmitglieder ernennt der Bundespräsident auf Vorschlag der Bundesregierung; diese Mitglieder sind aus dem Kreis der Richter, Verwaltungsbeamten und Professoren eines rechts- und staatswissenschaftlichen  Fakultäten der Universitäten zu entnehmen. Die übrigen sechs Mitglieder und drei Ersatzmitglieder ernennt der Bundespräsident auf Grund von Dreiervorschlägen, die für drei Mitglieder und zwei Ersatzmitglieder der Nationalrat und für drei Mitglieder und ein Ersatzmitglied der Länder- und Ständerat erstatten. Drei Mitglieder und zwei Ersatzmitglieder müssen ihren ständigen Wohnsitz außerhalb der Bundeshauptstadt Wien haben. Verwaltungsbeamte, die zu Mitgliedern des Verfassungsgerichtshofes ernannt werden, sind, soweit und solange sie nicht im Ruhestandsverhältnis sind, außer Dienst zu stellen.
(3) Der Präsident, der Vizepräsident sowie die übrigen Mitglieder und die Ersatzmitglieder müssen die rechts- und staatswissenschaftlichen Studien vollendet und bereits durch mindestens zehn Jahre eine Berufsstellung bekleidet haben, für die die Vollendung dieser Studien vorgeschrieben ist.
(4) Dem Verfassungsgerichtshof können nicht angehören: Mitglieder der Bundesregierung oder einer Landesregierung, ferner Mitglieder des Nationalrates, des Länder- und Ständerates oder sonst eines allgemeinen Vertretungskörpers; für Mitglieder dieser Vertretungskörper, die auf eine bestimmte Gesetzgebungs- oder Funktionsperiode gewählt wurden, dauert die Unvereinbarkeit auch bei vorzeitigem Verzicht auf das Mandat bis zum Ablauf der Gesetzgebungs- oder Funktionsperiode fort. Endlich können dem Verfassungsgerichtshof Personen nicht angehören, die Angestellte oder sonstige Funktionäre einer politischen Partei sind.
(5) Zum Präsidenten oder Vizepräsidenten des Verfassungsgerichtshofes kann nicht bestellt werden, wer eine der im Absatz 4 bezeichneten Funktionen in den letzten vier Jahren bekleidet hat.
(6) Auf die Mitglieder des Verfassungsgerichtshofes finden Artikel 87, Absätze 1 und 2, und Artikel 88, Absatz 2, Anwendung; die näheren Bestimmungen werden in dem gemäß Artikel 148 ergehenden Bundesgesetz geregelt. Als Altersgrenze, nach deren Erreichung ihr Amt endet, wird der 31. Dezember des Jahres bestimmt, in dem der Richter das siebzigste Lebensjahr vollendet hat.
(7) Wenn ein Mitglied oder Ersatzmitglied drei aufeinanderfolgenden Einladungen zu einer Verhandlung des Verfassungsgerichtshofes ohne genügende Entschuldigung keine Folge geleistet hat, so hat dies nach seiner Anhörung der Verfassungsgerichtshof festzustellen. Diese Feststellung hat den Verlust der Mitgliedschaft oder der Eigenschaft als Ersatzmitglied zur Folge."
Die Änderung der Bezeichnung "Bundesrat" in "Länder- und Ständerat" ist nicht in Kraft getreten; siehe Hinweis bei Artikel 24.

Artikel 148. Die nähere Organisation und das Verfahren des Verfassungsgerichtshofes wird durch Bundesgesetz geregelt.

Durch BVG vom 30. Juli 1925 (§ 38) erhielt der Artikel 148 folgende Fassung:
"Artikel 148. (1) Der Verfassungsgerichtshof entscheidet in der Vollversammlung, in den Fällen des Artikels 137, Absatz 2 und des Artikels 144, Absatz 2, nach Maßgabe des nach Absatz 2 zu erlassenden Bundesgesetzes in einem Senat.
(2) Die nähere Organisation und das Verfahren des Verfassungsgerichtshofes werden durch Bundesgesetz geregelt."

Durch BVG vom 7. Dezember 1929 (§ 66) wurde der Artikel 148 Absatz 1 gestrichen.
 

Siebentes Hauptstück.
Schlußbestimmungen.

Artikel 149. (1) Neben diesem Gesetz haben im Sinne des Artikels 44, Absatz 1, unter Berücksichtigung der durch dieses Gesetz bedingten Änderungen als Verfassungsgesetze zu gelten:
    Staatsgrundgesetz vom 21. Dezember 1867, RGBl. Nr. 142, über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger für die im Reichsrate vertretenen Königreiche und Länder;
    Gesetz vom 27. Oktober 1862, RGBl. Nr. 87, zum Schutze der persönlichen Freiheit;
    Gesetz vom 27. Oktober 1862, RGBl. Nr. 88, zum Schutze des Hausrechtes;
    Beschluß der provisorischen Nationalversammlung vom 30. Oktober 1918, StGBl. Nr. 3;
    Gesetz vom 3. April 1919, StGBl. Nr. 209, betreffend die Landesverweisung und die Übernahme des Vermögens des Hauses Habsburg-Lothringen;
    Gesetz vom 3. April 1919, StGBl. Nr. 211, über die Aufhebung des Adels, der weltlichen Ritter- und Damenorden und gewisser Titel und Würden;
    Gesetz vom 8. Mai 1919, StGBl. Nr. 257, über das Staatswappen und das Staatssiegel der Republik Deutschösterreich mit den durch die Art. 2, 5 und 6 des Gesetzes vom 21. Oktober 1919, StGBl. Nr. 484, bewirkten Änderungen;
    Abschnitt V des III. Teiles des Staatsvertrages von St. Germain vom 10. September 1919, StGBl. Nr. 303 aus 1920.

(2) Artikel 20 des Staatsgrundgesetzes vom 21. Dezember 1867, RGBl. Nr. 142, sowie das auf Grund dieses Artikels erlassene Gesetz vom 5. Mai 1869, RGBl. Nr. 66, treten außer Kraft.

Artikel 150. Der Übergang zu der durch dieses Gesetz eingeführten bundesstaatlichen Verfassung wird durch ein eigenes, zugleich mit diesem Gesetz in Kraft tretendes Verfassungsgesetz geregelt.

hierzu Verfassungsgesetz vom 1. Oktober 1920, betreffend den Übergang zur bundesstaatlichen Verfassung, St.G.Bl. 451/1920 und B.G.Bl. 2/1920, seit der Wiederverlautbarung vom 26. September 1925, B.G.Bl. 368/1925 nur noch "Übergangsgesetz 1920".

Artikel 151. (1) Dieses Gesetz tritt am Tag der ersten Sitzung des Nationalrates in Kraft, soweit nicht durch das im Artikel 150 bezeichnete Gesetz Ausnahmen festgesetzt werden.

(2) Die Bestimmungen des Artikels 50, Absatz 1, und des Artikels 66, Absatz 2, treten jedoch am Tag der Kundmachung in Kraft, wobei bis zum Inkrafttreten der anderen Bestimmungen dieses Gesetzes das dem Nationalrat zustehende Genehmigungsrecht von der Nationalversammlung ausgeübt wird.

Durch BVG vom 30. Juli 1925 (Artikel II) wurde die Bundesregierung ermächtigt, das Bundes-Verfassungsgesetz in der neuen Fassung und unter Weglassung des Artikels 151 wieder zu verlautbaren; in der Wiederverlautbarung B.G.Bl. 367/1925 deshalb weggelassen.

In Kraft getreten am 10. November 1920.

Artikel 152. Mit der Vollziehung dieses Bundesverfassungsgesetzes ist die Staatsregierung betraut.
 

Seitz  m.p.

Mayr  m.p.
Hanusch  m.p.
Renner  m.p.
Breisky  m.p.
Reisch  m.p.
Heinl  m.p.
Haueis  m.p.
Deutsch  m.p.
Ellenbogen  m.p.
Roller m.p.
Pesta  m.p.
Grünberger  m.p.

Die vorstehende Fassung des Bundes-Verfassungsgesetzes, das die hauptsächlichen verfassungsrechtlichen Bestimmungen Österreichs beinhaltet, ist in der Urfassung vom 1. Oktober 1920 mit den Änderungen bis zur Wiederverlautbarung vom 1. Januar 1930 wiedergegeben. Die ursprüngliche österreichische Verfassung errichtete ein "extrem parlamentarisches System" (so die damalige Auslegungsformel), in dem das Parlament die Regierung erwählt (wie erst nach 1949 in Deutschland üblich); dieses konnte sich jedoch nur bis 1929 halten. Das, auch heute noch als verfassungsmäßige Grundlage dienende "Bundes-Verfassungsgesetz" in der Fassung von 1929 ist keinesfalls (also nicht wie in Deutschland das Grundgesetz) das vollständige Verfassungsrecht der Republik Österreich. Vielmehr bestehen unzählige "Bundesverfassungsgesetze" (das sind Gesetze, die nur Verfassungsbestimmungen, evtl. auch gegen dem Bundes-Verfassungsgesetz entgegenstehende, enthalten; hier gilt das Prinzip, daß das neuere Gesetz den älteren vorgeht), sowie in Einzelgesetzen stehende "Verfassungsbestimmungen", die ebenfalls zum Verfassungsrecht Österreichs gehören; dadurch ist das Verfassungsrecht in Österreich so unübersichtlich.

Achtung: Das Bundesverfassungsgesetz vom 7. Dezember 1929, B.G.Bl. 392/1929,  hat die Änderungen, die zwischen der Wiederverlautbarung des B-VG von 1925 und dem genannten Bundesverfassungsgesetz i.d.F. von 1929 in diesem nochmals erwähnt, da dieses BVG das wieder verlautbarte B-VG von 1925 als Grundlage seiner Änderungen nimmt.
 


Quellen: Rechtsinformationssystem der Bundesregierung
Fischer / Silvestri, Texte zur österreichischen Verfassungs-Geschichte, Geyer-Edition 1970
Schäffer, Österreichische Verfassungs- und Verwaltungsgesetze, Manz Wien, C.H.Beck München
© 30. November  2001
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