Gesetz
vom 27. Oktober 1862 (R.G.Bl. 87/1862),
zum Schutze der persönlichen Freiheit

in Kraft seit dem 18. Januar 1863
seit 23. Dezember 1867 Bestandteil des Staatsgrundgesetzes über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger (Verfassungsrecht)

außer Kraft vom 1. Juli 1934 bis 1. Mai 1945

das Gesetz galt gemäß Artikel 149 Absatz 1 B-VG bis zu seiner Aufhebung durch BVG, B.G.Bl. 684/1988 als Verfassungsgesetz der Republik Österreich

geändert durch
Gesetz vom 1. Oktober 1920, womit die Republik Österreich als Bundesstaat eingerichtet wird (Bundes-Verfassungsgesetz), B.G.Bl. Nr. 1/1920
Bundesgesetz vom 11. Juli 1974 über die Anpassung von Bundesgesetzen an das Strafgesetzbuch, B.G.Bl. 422/1974
Strafrechtsänderungsgesetz vom 25. November 1987, B.G.Bl. Nr. 605/1987

aufgehoben durch
BVG vom 29. November 1988, über dem Schutz der persönlichen Freiheit, B.G.Bl. 684/1988

Über Antrag beider Häuser Meines Reichsrates finde Ich, um die Freiheit der Person gegen Übergriffe der Organe der öffentlichen Gewalt zu schützen, folgendes zu verordnen:

§ 1. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

hierzu auch Art. 83 Abs. 2 B-VG

§ 2. Die Verhaftung einer Person darf nur kraft eines richterlichen, mit Gründen versehenen Befehles erfolgen.

Dieser Befehl muß sogleich bei der Verhaftung oder doch innerhalb der nächsten 24 Stunden dem Verhafteten zugestellt werden.

§ 3. Wegen eines durch die strafbare Handlung verursachten großen öffentlichen Ärgernisses (Strafprozeßordnung § 156 lit. d und § 424) kann weder die Verwahrungs- noch die Untersuchungshaft verhängt werden.

das Zitat betraf die Strafprozeßordnung von 1853

§ 4. Die zur Anhaltung berechtigten Organe der öffentlichen Gewalt dürfen zwar in den vom Gesetze bestimmten Fällen eine Person in Verwahrung nehmen, sie müssen aber Jeden, den sie in Verwahrung genommen haben, innerhalb der nächsten 48 Stunden entweder freilassen oder an die zuständige Behörde abliefern.

Unter der zuständigen Behörde ist diejenige zu verstehen, welcher das weitere Verfahren bezüglich der in Verwahrung genommenen Person nach Maßgabe des Falles gesetzlich zukommt.

§ 5. Niemand kann zum Aufenthalte in einem bestimmten Orte oder Gebiete ohne rechtlich begründete Verpflichtung verhalten (interniert, konfiniert) werden.

Ebenso darf niemand außer den durch ein Gesetz bezeichneten Fällen aus einem bestimmten Orte oder Gebiete ausgewiesen werden.

hierzu auch Artikel 2 des Protokolls Nr. 4 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, B.G.Bl. 434/1969

§ 6. Jede in Ausübung des Amtes oder Dienstes gegen die vorstehenden Bestimmungen vorgenommene Beschränkung der persönlichen Freiheit ist im Falle des bösen Vorsatzes als Mißbrauch der Amtsgewalt (§ 101 des Strafgesetzes) zu behandeln, außer diesem Falle aber als Übertretung mit Arrest bis zu drei Monaten, und bei wiederholter Verurteilung mit eben so langem strengem Arreste zu bestrafen.

Durch das Strafrechtsanpassungsgesetz, B.G.Bl. 422/1974 erhielt der § 6 folgende Fassung:
"§ 6. Jede in Ausübung des Amtes oder Dienstes gegen die vorstehenden Bestimmungen vorgenommene Beschränkung der persönlichen Freiheit ist im Falle des bösen Vorsatzes als Mißbrauch der Amtsgewalt (§ 302 des Strafgesetzbuches) zu behandeln, außer diesem Falle aber mit Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen zu bestrafen."

§ 7. Die wegen des Verdachtes der Flucht (Strafprozeßordnung § 151 lit. a, § 156 lit. c, § 424) verhängte Verwahrungs- oder Untersuchungshaft muß gegen Kaution oder Bürgschaft für eine vom Gerichte mit Rücksicht auf die Folgen der strafbaren Handlung die Verhältnisse der Person des Verhafteten und das Vermögen des Sicherheit Leistenden zu bestimmende Summe auf Verlangen unterbleiben oder aufgehoben werden. Jedoch hat der Beschuldigte mittels Handgelöbnisses zu versprechen, daß er sich bis zur rechtskräftigen Entscheidung nicht entfernen noch verborgen halten, noch auch die Untersuchung zu vereiteln suchen werde.

Die Kautions- oder Bürgschaftssumme ist entweder in barem Gelde oder in auf den Überbringer lautenden österreichischen Staatsschuldverschreibungen, nach dem Börsekurse des Erlagstages berechnet, gerichtlich zu hinterlegen oder durch Pfandbestellung auf unbewegliche Güter oder durch taugliche Bürgen (§ 1374 des allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches), welche sich zugleich als Zahler verpflichten, sicherzustellen.

das Zitat betraf die Strafprozeßordnung von 1853

§ 8. Die Kautions- oder Bürgschaftssumme ist vom Gerichte für verfallen zu erklären, wenn sich der Beschuldigte ohne Erlaubnis von seinem Wohnorte entfernt oder über die an ihn ergangene Vorladung, welche im Falle seiner Nichtauffindung in seiner Wohnung anzuschlagen ist, binnen drei Tagen vor Gericht nicht erscheint.

Dieses Erkenntnis ist, sobald es rechtskräftig geworden, gleich jedem Zivilurteile exekutionsfähig. Die verfallenen Sicherheitsbeträge sind an die Staatskasse  abzuführen; doch hat der durch die strafbare Handlung Beschädigte das Recht, zu verlangen, daß vor allem seine Entschädigungsansprüche daraus befriedigt werden.

§ 9. Wenn der Beschuldigte nach gestatteter Freilassung Anstalten zur Flucht trifft, oder wenn neue Umstände vorkommen, die seine Verhaftung erfordern, so hat ungeachtet der Sicherheitsleistung die Verhaftung desselben einzutreten; ist die Verhaftung in diesen Fällen erfolgt, so wird die Kautions- oder Bürgschaftssumme frei.

Dasselbe ist der Fall, sobald die Entscheidung rechtskräftig geworden ist.

Durch Gesetz, B.G.Bl. 605/1987 erhielt der § 9 Absatz 2 folgende Fassung:
"Dasselbe ist der Fall, sobald die Entscheidung rechtskräftig geworden ist, bei Verurteilung zu einer nicht bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe aber erst, sobald der Verurteilte die Strafe angetreten hat."

§ 10. Unter Beobachtung der vorstehenden, die Kautions- oder Bürgschaftsleistung betreffenden Vorschriften kann die Belassung auf freiem Fuße oder die Versetzung auf denselben auch bei dringenden Anzeigen eines Verbrechens, welches wenigstens mit fünfjähriger Kerkerstrafe bedroht ist, jedoch nur von dem höheren Gerichtshofe bewilligt werden.
 

Die Polizeiminister und der Leiter Meines Justizministeriums sind mit dem Vollzuge dieses Gesetzes beauftragt.

Franz Joseph
 


Quellen: Rechtsinformationsamt der Republik Österreich
Klecatsky-Morscher, Bundes-Verfassungsgesetz 1987, Manz Taschenausgaben
© 15. Dezember  2001 - 23. September 2008
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