Kaiserliches Patent

 

vom 30. Dezember 1849,


wodurch die Landesverfassung für das Herzogthum Kärnthen sammt der dazu gehörigen Landtags-Wahlordnung erlassen und verkündet wird.

 

aufgehoben durch

das Kaiserliche Patent vom 31. Dezember 1851,

womit die Verfassungs-Urkunde vom 4. März 1849, Nr. 150 des R. G. B., außer Gesetzeskraft erklärt, jedoch die Gleichheit aller Staats-Angehörigen vor dem Gesetze, sowie die Unzulässigkeit und die Abstellung jedes bäuerlichen Unterthänigkeits- oder Hörigkeits-Verbandes und der damit verbundenen Leistungen ausdrücklich bestätiget, ferner für die zunächst wichtigsten und dringendsten Richtungen der organischen Gesetzgebung eine Reihe von Grundsätzen festgestellt bis zur Kundmachung der hiernach auszuarbeitenden gesetze aber die Beobachtung der dermalen in Wirksamkeit bestehenden Gesetze angeordnet wird
("Silvesterpatent").

 

Wir Franz Joseph der Erste,

von Gottes Gnaden Kaiser von Österreich;

König von Hungarn und Böhmen, König der Lombardei und Venedigs, von Dalmatien, Croatien, Slavonien, Galizien, Lodomerien und Illirien, König von Jerusalem ect.; Erzherzog von Österreich; Großherzog von Toscana und Krakau; Herzog von Lothringen, von Salzburg, Steier, Kärnthen, Krain und der Bucowina, Großfürst von Siebenbürgen; Markgraf von Mähren; Herzog von Ober- und Nieder-Schlesien, von Modena, Parma, Piacenza und Guastalla, von Auschwitz und Zator, von Teschen, Friaul, Ragusa und Zara; gefürsteter Graf von Habsburg und Tirol, von Kyburg, Görz und Gradiska, Fürst von Trient und Brixen; Markgraf von Ober- und Nieder-Lausitz und in Istrien; Graf von Hohenembs, Feldkirch, Bregenz, Sonnenberg ect.; Herr von Triest, von Cattaro und auf der windischen Mark, Großwoiwod der Woiwodschaft Serbien ect. ect.;

 

haben Uns in Vollziehung der §§ 77 - 83 der Reichsverfassung über Einrathen Unseres Ministerrathes bestimmt gefunden, für das Herzogthum Kärnthen  nachstehenden Landesverfassung und die ihr beiliegende Landtags-Wahlordnung zu verkünden und in Wirksamkeit zu setzen:

 

Landesverfassung

für das

Herzogthum Kärnthen

 

I. Vom Lande.

 

§ 1. Das Herzogthum Kärnthen ist ein untrennbarer Bestandtheil der österreichischen Erbmonarchie und ein Kronland dieses Kaiserthumes.

 

§ 2. Das Verhältniß des Herzogthums Kärnthen zur Gesammt-Monarchie ist durch die Reichsverfassung bestimmt.

 

Innerhalb der durch die Reichsverfassung festgestellten Beschränkungen wird diesem Herzogthume seine Selbstständigkeit gewährleistet.

 

§ 3. Die im Lande wohnenden Volksstämme sind gleichberechtiget, und haben ein unverletzliches Recht auf Wahrung und Pflege seiner Nationalität und Sprache.

 

§ 4. Die Gränzen des Herzogthums dürfen nur durch ein Gesetz verändert werden.

 

§ 5. Das Herzogthum Kärnthen behält sein bisheriges Wappen und die Landesfarben.

 

§ 6. Klagenfurt ist die Hauptstadt des Herzogthums Kärnthen.

 

II. Von der Landesvertretung überhaupt.

 

§ 7. Das Herzogthum Kärnthen wird in den Landesangelegenheiten vom Landtage vertreten.

 

§ 8. Alle Angelegenheiten, welche nicht durch die Reichsverfassung oder durch die Reichsgesetze als Landesangelegenheiten erklärt werden, gehören zu dem Wirkungskreise der Reichsgewalt.

 

§ 9. Als Landesangelegenheit werden durch die Reichsverfassung erklärt:

I. Alle Anordnung in Betreff:

    1. der Landescultur;

    2. der öffentlichen Bauten, welche aus Landesmitteln bestritten werden;

    3. der Wohlthätigkeitsanstalten im Lande;

    4. des Voranschlages und der Rechnungslegung des Landes, sowohl

        a) hinsichtlich der Landeseinnahmen aus der Verwaltung des dem Lande gehörigen Vermögens, der Besteuerung für Landeszwecke und der Benützung des Landescredits, als

        b) rücksichtlich der ordentlichen und außerordentlichen Landesausgaben.

II. Die näheren Anordnungen inner der Gränzen der Reichsgesetze in Betreff:

    1. der Gemeindeangelegenheiten;

    2. der Kirchen- und Schulangelegenheiten;

    3. der Vorspannsleistung, dann der Verpflegung und Bequartierung des Heeres; endlich

III. Die Anordnung über jene Gegenstände, welche durch Reichsgesetze dem Wirkungskreise der Landesgewalt zugewiesen werden.

 

§ 10. Die zum Wirkungskreise der Landesvertretung gehörigen Befugnisse werden entweder durch den Landtag selbst, oder durch den Landesausschuß geübt.

 

III. Von dem Landtage.

 

 

§ 11. Der Landtag des Herzogthums Kärnthen wird mit Beachtung aller Landesinteressen zusammengesetzt, und besteht aus dreißig Abgeordneten, nämlich:
a) aus zehn Abgeordneten der Höchstbesteuerten des Landes,
b) aus zehn Abgeordneten der in der Wahlordnung benannten Städte, Märkte und Industrial-Orte, und
c) aus zehn Abgeordneten der übrigen Gemeinden.

 

§ 12. Die Abgeordneten zum Landtage werden durch directe Wahl berufen.

 

Die Wahlordnung für das Herzogthum Kärnthen enthält die näheren Bestimmungen, sowohl über die Vertheilung der Abgeordneten auf die zu bildenden Wahlbezirke, als über das Verfahren bei der Wahl.

 

§ 13. Wahlberechtiget ist im Allgemeinen jeder österreichische Reichsbürger, welcher großjährig und im vollen Genusse der bürgerlichen und politischen Rechte befindlich ist, und im Herzogthume Kärnthen entweder den durch die Wahlordnung festgesetzten Jahresbetrag an directer Steuer zahlt, oder nach den Bestimmungen der Wahlordnung, vermöge seiner persönlichen Eigenschaft, das Wahlrecht zum Landtage besitzt.

 

§ 14. Um in den Landtag gewählt werden zu können, muß man selbst in einer Wählerclasse des Landes wahlberechtiget, seit wenigstens fünf Jahren vom Wahltage zurückgerechnet, österreichischer Reichsbürger, im Vollgenusse der bürgerlichen und politischen Rechte befindlich, und mindestens dreißig Jahre als sein.

 

§ 15. Personen, über deren Vermögen Concurs eröffnet ist, und solche, die nach gepflogener Concursverhandlung in der Untersuchung nicht schuldlos erklärt wurden, können weder zu Mitgliedern des Landtages gewählt werden, noch wenn sie zur Zeit des Ausbruches des Concurses Abgeordnete sind, Mitglieder des Landtages bleiben.

 

§ 16. Ebenso sind von der Wählbarkeit ausgeschlossen jene Personen, welche eines Verbrechens oder eines aus Gewinnsucht hervorgegangenen, oder die öffentliche Sittlichkeit verletzenden schweren Polizeiübertretung schuldig erklärt, oder welche wegen einer anderen Gesetzübertretung zu einer mindestens halbjährigen Freiheitsstrafe verurtheilt wurden.

 

Wenn Personen in den Landtag gewählt sind, die über eine Anklage wegen eines Verbrechens oder einer aus Gewinnsucht hervorgegangenen, oder die öffentliche Sittlichkeit verletzenden schweren Polizeiübertretung in Untersuchung stehen, so haben kein Recht an den Landtagssitzungen Theil zu nehmen, so lange das richterliche Erkenntniß nicht herausgestellt hat, ob sie die Wählbarkeit für den Landgtag verloren oder behalten haben.

 

§ 17. Die Mitglieder des Landtages werden auf die Dauer von vier auf einander folgenden Jahren gewählt.

 

Die Wahlen der Abgeordneten zum Landtage können von den Wählern nicht widerrufen werden.

 

Nach Ablauf der vierjährigen Periode oder nach der früher erfolgten Auflösung des Landtages, sowie in den Fällen, wenn inzwischen einzelne Abgeordnete austreten, mit Tod abgehen, oder die zur Wählbarkeit erforderliche Eignung verlieren, werden neue Wahlen ausgeschrieben.

 

Gewesene Landtagsmitglieder sind wieder wählbar.

 

§ 18. Wird Jemand, der ein öffentliches Amt bekleidet, in den Landtag gewählt, so darf ihm der Urlaub nicht versagt werden.

 

§ 19. Die Mitglieder des Landtages erhalten eine Entschädigungspauschale für die Kosten der Reise und des Aufenthalts während der Session.

 

Der Aufwand für diese Entschädigung ist aus Landesmitteln zu bestreiten.

 

Die Höhe des Entschädigungsbetrages wird durch ein Landesgesetz und bis zu dessen Zustandekommen im Verordnungswege bestimmt.

 

§ 20. Die in den Landtag gewählten Abgeordneten dürfen keine Instructionen annehmen und ihr Stimmrecht nur persönlich ausüben.

 

§ 21. Der Landtag wird vom Kaiser jährlich, und zwar in der Regel im November und auf die Dauer von sechs Wochen berufen.

 

Auf begründeten Antrag des Landtages kann der Kaiser die Sitzungszeit verlängern.

 

Außerdem kann der Landtag, um besondere Acte vorzunehmen, oder specielle Vorlagen zu berathen, vom Kaiser auch zu einer außerordentlichen Session zusammenberufen werden.

 

§ 22. Der Landtag darf nicht gleichzeitig mit dem Reichstage versammelt sein.

 

§ 23. Der Landtag versammelt sich in Klagenfurt, kann aber vom Kaiser auchaneinen anderen Ort des Herzogthums Kärnthen berufen werden.

 

§ 24. Sämmtliche Abgeordneten bilden im Landtage Eine Versammlung.

 

§ 25. Jeder Abgeordnete hat bei dem Eintritte in die Landtagscurie den Eid der Treue dem Kaiser-Herzoge, und sowohl auf die Reichs- als auf die Landesverfassung zu leisten.

 

§ 26. Dem Landtage steht das Recht zu, die Wahlausweise der neu eintretenden Mitglieder zu prüfen, und über deren Zulassung zu entscheiden.

 

§ 27. Der Landtag ernennt durch absolute Stimmenmehrheit seinen Präsidenten und Vicepräsidenten für die Dauer der Session.

 

§ 28. Die Landtagssitzungen sind öffentlich. Ausnahmsweise kann eine vertrauliche Sitzung gehalten werden, wenn entweder der Präsident oder wenigstens fünf Mitglieder es verlangen, und nach Entfernung der Zuhörer der Landtag sich dafür entscheidet.

 

§ 29. Bittschriften darf der Landtag nur annehmen, wenn sie durch ein Mitglied überreicht werden.

 

Deputationen dürfen weder auf dem Landtage zugelassen, noch von einer Abtheilung oder einem Ausschusse desselben angenommen werden.

 

§ 30. Zur Beschlußfassung ist die Anwesenheit der Mehrzahl der verfassungsmäßigen Landtagsmitglieder und zur Giltigkeit eines Beschlusses, die absolute Stimmenmehrheit der Anwesenden erforderlich. Bei Stimmengleichheit ist der in Berathung gezogene Antrag als verworfen anzusehen.

 

§ 31. Geheime Stimmgebung findet in der Regel nicht Statt.

 

Die Ausnahmen in Betreff der vorzunehmenden Wahlen oder Besetzungen bleiben der Geschäftsordnung vorbehalten.

 

Die Reichstags-Wahlordnung wird bestimmen, auf welche Art die Abgeordneten für das Oberhaus des Reichstages gewählt werden.

 

§ 32. Der Statthalter des Herzogthums Kärnthen oder die von ihm abgeordneten Commissäre haben das Recht, im Landtage zu erscheinen und jederzeit das Wort zu nehmen; an den Abstimmungen nehmen sie nur Theil, wenn sie Mitglieder des Landtages sind.

 

§ 33. Die näheren Bestimmungen über die Art der Geschäftsbehandlung des Landtages enthält die Geschäftsordnung.

 

So lange diese nicht innerhalb der durch die Verfassung bestimmten Grundsätze durch ein Landesgesetz festgestellt ist, wird sie im Verordnungswege geregelt.

 

§ 34. Der Kaiser im Vereine mit dem Landtage übt die gesetzgebende Gewalt in Landesangelegenheiten.

 

§ 35. Dem Kaiser, sowie dem Landtage steht das Recht zu, in Landesangelegenheiten Gesetze vorzuschlagen.

 

§ 36. Zu jedem Landesgesetze ist die Übereinstimmung des Kaisers und des Landtages erforderlich.

 

Anträge auf Erlassung von Gesetzen, welche durch den Landtag oder durch den Kaiser abgelehnt worden sind, können in derselben Session nicht wieder vorgebracht werden.

 

§ 37. Wenn der Landtag nicht versammelt ist, und dringende in den Gesetzen nicht vorhergesehene Maßregeln mit Gefahr auf dem Verzuge für das Herzogthum Kärnthen erforderlich sind, so ist der Kaiser berechtiget, die nöthigen Verfügungen unter Verantwortlichkeit des Ministeriums mit provisorischer Gesetzeskraft zu treffen; jedoch mit der Verpflichtung, darüber dem nächsten Landtage die Gründe und Erfolge darzulegen.

 

§ 38. Nach Maßgabe der §§ 35 und 36 der Reichsverfassung, und soweit es dieselbe anordnet, inner den Gränzen der Reichsgesetze, gehören zum Wirkungskreise des Landtages namentlich auch die gesetzlichen Bestimmungen über Grundzerstückungen und Zusammenlegungen, über Bewässerungs-Anlagen, über Landescredits- und Landes-Assecuranz-Anstalten, über die Expropriation zu Landesculturzwecken, oder zu öffentlichen Landesbauten, über die aus Landesmitteln gegründeten oder erhaltenen Anstalten zur Beförderung der Künste und Wissenschaften, der Urproduction und des Verkehres im Innern des Landes, über öffentliche zu Landeszwecken und aus Landesmitteln unternommene Bauten, insbesondere für das Landes-Communicationswesen und für Landesinstitute, ferner über die Armenversorgung, soweit sie nicht der Vertretung der Orts- oder Bezirksgemeinde anheimfällt; endlich über die Stiftungen, Pfründen und Wohlthätigkeits-Anstalten des Landes, in soferne sie entweder zum Wirkungskreise der ehemaligen ständischen Körperschaften gehörten, oder eine Dotierung aus Landesmitteln in Anspruch nehmen, unvorgegriffen der von den Stiftern bezüglich der Verleihung, Verwaltung und Verwendung getroffenen Verfügungen.

 

§ 39. Der Landeshaushalt wird nach einem Voranschlage, der alle Einnahmen und Ausgaben ersichtlich macht, und durch den Statthalter dem Landtage vorgelegt wird, jährlich durch ein Landesgesetz festgestellt.

 

§ 40. Die Landeseinnahmen fließen aus der Besteuerung zu Landeszwecken, aus der Benützung des Landescredits und aus der Verwaltung des dem Lande gehörigen Vermögens.

 

Die Besteuerung zu Landeszwecken und der Benützung des Landescredits ist Gegenstand der Landesgesetzgebung.

 

Der Landtag überwacht die Verwahrung, Verwaltung und Verrechnung des Vermögens und der Einkünfte des Landes.

 

§ 41. Die nach dem Voranschlage zur Deckung des inneren Haushaltes der Landesvertretung bestimmten Beträge werden dem Landesausschusse, und die für andere Landeszwecke bestimmten Summen dem Statthalter zur Verfügung gestellt.

 

§ 42. Die allgemeine Rechnung über den Landeshaushalt und die Ausweise über den Stand des Landesvermögens und Landes-Creditwesens werden jährlich dem Landtage vorgelegt.

 

Überschreitungen des Voranschlages sind der nachträglichen Anerkennung von Seite des Landtages zu unterziehen.

 

§ 43. DieWirksamkeit des Landtages in Gemeindeangelegenheiten wird durch das Gemeindegesetz und durch die besonderen Gemeindestatuten geregelt.

 

§ 44. Der Landtag des Herzogthums Kärnthen hat außer den bereits erwähnten auch die übrigen Geschäfte der bisherigen ständigen Vertretung zu besorgen, insoweit dieselben nicht an andere Organe übergehen oder in Folge der geänderten Verhältnisse aufhören.

 

Die Auseinandersetzung und Übernahme dieser Geschäfte bildet einen Gegenstand der Vorlage und Berathung für den ersten Landtag.

 

§ 45. Das verfassungsmäßige Recht des Landtages, die Ausführung der Landesgesetze zu überwachen, wird vom Landtage in der Art geübt, daß derselbe, wenn er von einer ungehörigen Vollziehung der Landesgesetze Kenntniß erhält, die Beschwerde darüber und den Antrag auf Abhilfe bei dem Statthalter oder bei dem Ministerium einbringt.

 

§ 46. Zur Ausführung von Unternehmungen auf Kosten des Landes, besonders bei bedeutendern Bauten oder bei Errichtung wichtiger Anstalten können von dem Landtage, mit Zustimmung der vollziehenden Gewalt, Specialcommissionen entweder aus der Mitte des Landtages oder durch Berufung besonderer Vertrauensmänner bestellt werden.

 

§ 47. In den das Herzogthum betreffenden Reichsangelegenheiten steht es dem Landtage zu, über Aufforderung von Seite der vollziehenden Reichsgewalt die Bedürfnisse und Wünsche des Landes zu berathen und seine Vorschläge durch den Statthalter zu erstatten.

 

§ 48. Der Kaiser vertagt und schließt den Landtag und kann zu jeder Zeit die Auflösung desselben anordnen.

 

Die Wiederberufung des Landtages hat im Falle der vor dem Verlaufe seiner vierjährigen Periode erfolgten Auflösung innerhalb drei Monaten nach derselben, oder, wenn in diese Zeit die Sitzungen des Reichstages fallen, binnen zwei Monaten nach der Vertagung oder nach dem Schlusse des Reichstages stattzufinden.

 

§ 49. Der Landtag kann sich auf acht Tage vertagen.

 

Zu einer längeren Vertagung ist die Genehmigung des Kaisers erforderlich.

 

Ohne vorausgegangene Berufung darf der Landtag sich nicht versammeln, auch nach ihrer Vertagung, dem Schlusse oder der Auflösung des Landtages nicht ferner versammelt bleiben.

 

IV. Von dem Landesausschusse.

 

§ 50. Der Landesausschuß besteht aus fünf Mitgliedern.

 

Ein Mitglied wird durch die, von der Wählerclasse der Hächstbesteuerten (§ 11, a) gewählten Abgeordneten, Ein Mitlgied durch diein den Städten, Märkten und Industrialorte (§ 11, b) gewählten Abgeordneten, und Ein Mitglied durch die Abgeordneten der Landgemeinden (§ 11, c) aus der Mitte des Landtages gewählt.

 

Jede solche Wahl geschieht durch absolute Mehrheit der Stimmenden.

 

Kommt bei der ersten und zweiten Wahlhandlung keine solche Mehrheit zu Stande, so ist die engere Wahl zwischen jenen beiden Abgeordneten vorzunehmen, welche bei der zweiten Wahlhandlung die meisten Stimmen erhalten haben.

 

Bei Stimmengleichheit entscheidet dann das Los.

 

§ 51. Für jedes einzelne Ausschußmitglied wird nach dem Wahlmodus des vorigen Paragraphes ein Ersatzmann gewählt.

 

Wenn ein Ausschußmitglied, während der Landtag nicht versammelt ist, mit Tod abgeht, auszutreten hat, oder auf längere Zeit an der Besorgung der Ausschuß-Geschäfte verhindert ist, tritt der Ersatzmann, welcher zur Stellvertretung jenes Ausschußmitgliedes gewählt worden ist.

 

Ist der Landtag versammelt, so wird für das bleibend abgängige Ausschußmitglied eine neue Wahl vorgenommen.

 

§ 52. Die Mitglieder des Landesausschusses sind verpflichtet, ihren Aufenthalt in Klagenfurt zu nehmen.

 

Sie erhalten eine jährliche Entschädigung aus Landesmitteln, deren Betrag durch ein Gesetz bestimmt wird.

 

§ 53. Der Landesausschuß wählt für die Dauer seiner Wirksamkeit den Vorsitzenden aus seiner Mitte.

 

Bei zeitweiliger Behinderung des Vorsitzenden vertritt denselben das an Jahren älteste Mitglied.

 

§ 54. Zur Giltigkeit einer Entscheidung ist die Anwesenheit von wenigstens drei Ausschußmitgliedern erforderlich.

 

Die Beschlüsse werden mit absoluter Stimmenmehrheit der anwesenden Mitglieder gefaßt.

 

Der Vorsitzende hat das Recht mitzustimmen; bei Stimmengleichheit gibt seine Stimme den Ausschlag.

 

§ 55. Der Wirkungskreis des Ausschusses umfaßt folgende Geschäfte:
a) Der Landesausschuß hat die nöthigen Vorbereitungen für die Abhaltung der Landtagssitzungen und die Ausmittlung, Instandhaltung und Einrichtung der für die Landesvertretung und die ihr unmittelbar unterstehenden Ämter und Organe bestimmten Räumlichkeiten zu besorgen.

b) Der Landesausschuß hat dem Landtage die in Bezug auf Landesangelegenheiten geforderten Nachweisungen und Auskünfte zu sammeln und vorzulegen, und über Auftrag des Landtages legislative Vorlagen in Landesangelegenheiten zu entwerfen und zu berathen.
c) Er ist berechtiget, wenn der Landtag nicht versammelt ist, Berichte und Anträge über Landesangelegenheiten an den Statthalter oder durch denselben an das Ministerium zu richten.
d) Über wichtige Landesverwaltungs-Angelegenheiten, oder in Fällen der Erlassung provisorische Landesgesetze (§ 37) hat der Landesausschuß sein Gutachten abzugeben, wenn er dazu vom Statthalter aufgefordert wird.
e) Der Landesausschuß sorgt für die Verwahrung, Verwaltung und Verrechnung des Landesvermögens und der Landeseinkünfte, und übt die Aufsicht über das Schulden und Creditswesen des Landes.
Es obliegen ihm in diesen Beziehungen insbesondere alle Geschäfte, welche dem bisherigen ständischen Verordneten- und provisorischen Landtags-Ausschuß-Collegium zustanden, insoweit sie nicht an andere Organe überwiesen werden, oder durch die geänderten Verhältnisse gänzlich entfallen sind.

f) Die Landescasse, in welche alle Einkünfte des Landes (§ 40) einzufließen haben, und woraus alle Ausgaben für Landeszwecke zu bestreiten sind, ist ebenso wie die Landtagsarchive und Registraturen unmittelbar dem Landesausschusse untergeordnet.
g) Wenn in außerordentlichen, im Landesvoranschlage nicht vorhergesehenen Fälle Ausgaben für Landeszwecke zu machen sind, kann der Statthalter die verfügbaren Gelder der Landescasse dazu nur im Einvernehmen mit dem Landesausschusse verwenden.
h) Über die für die Landesvertretung, ihre Beamten, Diener, Gebäude und Einrichtungen, überhaupt für den ganzen inneren Haushalt erforderlichen Summen hat der Landesausschuß jährlich den Voranschlag zu verfassen und ihn dem Statthalter zur Einbeziehung in den allgemeinen Voranschlag des Landes zu übergeben.
Ebenso obliegt dem Landesausschusse die Sorge für die Verwendung und Verrechnung dieser Gelder.
i) Der Landesausschuß führt die Aufsicht über die der Landesvertretung unmittelbar unterstehenden Beamten und Diener und verfügt über deren Disciplinarbehandlung, Anstellung, Suspendirung, Entlassung oder Versetzung in den Ruhestand nach Maßgabe der hierüber bestehenden Normen.
k) Der Landesausschuß hat hinsichtlich der Pfründen und Stiftungen, sowie überhaupt bezüglich aller nicht ausdrücklich an andere Organe überwiesenen Gegenstände, in den Geschäftskreis und in die Rechte und Pflichten einzutreten, welche dem bisherigen ständischen Verordneten- und provisorischen Landtags-Ausschuß-Collegium zustanden und demnach auch alle Angelegenheiten zu verhandeln, welche aus der Übernahme der von der früheren Landesvertretung gegenüber dritten Personen eingegangenen Verbindlichkeiten und erworbenen Rechte entspringen.

 

§ 56. Die Bestimmung, ob und welche andere Geschäfte dem Landesausschusse zuzuweisen seien, bleibt der Landesgesetzgebung vorbehalten.

 

Das Recht der Theilnahme an der Gesetzgebung in Landesangelegenheiten steht dem Ausschusse nicht zu.

 

§ 57. Der Landesausschuß ist für seine Geschäftsführung dem Landtage verantwortlich.

 

§ 58. Die Ausführung der, von dem Landesausschusse innerhalb des verfassungsmäßigen Wirkungskreises erlassenen, und nicht bloß den inneren Haushalt der Landesvertretung betreffenden Entscheidungen, steht der vollziehenden Gewalt zu.

 

§ 59. Der Landesausschuß steht mit dem Landtag und mit den, von ihm nach § 55 bestellten Organen in unmittelbarer Geschäftsverbindung.

 

Mit den von der vollziehenden Gewalt zur Ausführung der Landesgesetze und der Entscheidungen der Landesvertretung bestellten Organen, steht der Ausschuß nur durch den Statthalter in Verbindung.

 

An diesen richtet er alle Eingaben und Vorlagen und durch denselben gelangen die Verfügungen der vollziehenden Gewalt an den Ausschuß.

 

§ 60. Alle Entscheidungen des Landesausschusses werden dem Statthalter mitgetheilt.

 

Findet der Statthalter solche Maßregeln dem Gesetze widersprechend, so hat er die Ausführung derselben zu sistiren und sogleich dem Ministerium behufs der nach § 89 der Reichsverfassung ihm zustehenden Entscheidung davon die Anzeige zu machen.

 

Findet er aber solche Entscheidungen dem Gesammtwohle des Landes oder des Reiches widersprechend, so hat er den Vollzug einzustellen, und die Gründe davon sogleich dem Landesausschusse mitzutheilen.

 

Beharrt der Ausschuß auf der Ausführung der Maßregel, und fühlt sich der Statthalter durch die Gegenbemerkungen desselben nicht beruhiget, so ist, wenn der Landtag nicht versammelt ist, die Entscheidung des Ministeriums einzuholen, sonst aber der Gegenstand der Schlußfassung des Landtages nach Maßgabe des ihm zustehenden Wirkungskreises zu unterziehen.

 

§ 61. Wenn eine neue Wahl der Abgeordneten für den Landtag ausgeschrieben wird, bleibt der bisherige Landesausschuß noch so lange in Wirksamkeit, bis der neugewählte Landtag einen neuen Ausschuß eingesetzt hat.

 

Werden die früheren Ausschußmitglieder und Ersatzmänner wieder in den Landtag gewählt, so können sie von dem Landtage auch wieder in den neuen Ausschuß berufen werden.

 

V. Von dem verstärkten Landesausschusse.

 

§ 62. Der verstärkte Landesausschuß besteht aus den Mitgliedern und Ersatzmännern des Landesausschusses (§§ 50 und 51), ferner aus drei vom Gemeinderathe der Stadt Klagenfurt, aus Einem vom Gemeindeausschusse der Stadt Villach, und aus je Einem von dem Bezirksausschusses eines jeden politischen Bezirkes des Herzogthumes aus der Mitte dieser Körperschaften mit absoluter Stimmenmehrheit gewählten Abgeordneten.

 

§ 63. Die Wirksamkeit des verstärkten Landesausschusses erstreckt sich mit Ausnahme der dem Landtage obliegenden Vertretung der Interessen des ganzen Landes auf alle Gemeindesachen durch das Gesetz der Kreisvertretung zugewiesenen Angelegenheiten.

 

§ 64. Der Vorsitzende des Landesausschusses (§ 53) ist zugleich der Obmann des verstärkten Landesausschusses.

 

Die Auflösung der Kreisvertretung hat nur eine neue Wahl der Abgeordneten der politischen Bezirke und der Städte Klagenfurt und Villach, nicht aber eine neue Wahl der Mitglieder und Ersatzmänner des Landesausschusses zur Folge.

 

In allen übrigen Beziehungen finden die Bestimmungen des Gemeindegesetzes über die Kreisvertretung auf den verstärkten Landesausschuß Anwendung.

 

VI. Allgemeine Bestimmungen.

 

§ 65. Änderungen der Landesverfassung sollen in dem Landtage, welcher zuerst berufen wird, im gewöhnlichen Wege der Gesetzgebung beantragt werden können.

 

In den folgenden Landtagen ist zu einem Beschlusse über solche Abänderungen die Gegenwart von mindestens drei Viertheilen aller Abgeordneten und die Zustimmung von mindestens zwei Drittheilen der Anwesenden erforderlich.

 

 

    So gegeben in Unserer kaiserlichen Haupt- und Residenzstadt Wien am dreißigsten December im Jahre Eintausend achthundert vierzig neu, Unserer Reiche im Zweiten.

 

Franz Joseph

 

Schwarzenberg. Krauß. Bach. Bruck. Thinnfeld.

Gyulai.  Schmerling. Thun. Kulmer.

 

 

Vorstehende Verfassung für das, erst im Jahr 1849 durch die Reichsverfassung wieder selbstständige Kärnten, das bis dahin Teil des Königreichs Illyrien war (Villacher und Klagenfurter Kreis des Guberniums Laibach) wurde zwar in Kraft gesetzt, aber ist wegen der fehlenden Ausschreibung der Wahlen zum Landtag nie in Wirksamkeit getreten. Mit der Aufhebung der österreichischen Reichsverfassung vom 4. März 1849 durch das Silvesterpatent von 1851 war auch die Grundlage der vorstehenden Verfassung weggefallen, womit es einer formalen Aufhebung nicht bedurfte.

 

In der Zeit zwischen 1851 und 1861 bestand in Kärnten ebenso wie in den anderen österreichischen Kronländer keine Landesvertretung. Durch das Landtagsstatut vom 20. Oktober 1860, welches durch die Landesordnung vom 26. Februar 1861 ersetzt wurde, wurde wiederum ein (dann allerdings) einheitlicher, aber dafür viel stärker nach Ständen gegliederten Landtag geschaffen, der bis 1918 bestand.

 


Quellen:  Allg. Reichs-Gesetz- und Regierungsblatt für das Kaiserthum Österreich Jg. 1850 Nr. 8
© 9. April 2006


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