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???
aufgehoben und ersetzt durch
Gemeindestatut für die Reichshaupt- und Residenzstadt Wien vom 19. December 1890
(nö. LGVBl. Nr. 45/1890)
Seine Majestät haben über einen von dem Minister des Innern mit Zustimmung des Ministerrathes erstatteten allerunterthänigsten Vortrag in Gemäßheit des § 87 der Reichsverfassung und des § 6 des provisorischen Gemeindegesetzes mit allerhöchster Entschließung vom 6. März 1850 die provisorische Gemeindeordnung für die Stadt Wien in nachstehender Weise allergnädigst zu genehmigen geruht.
I. Abschnitt.
Von dem Gebiete der Gemeinde und der Bewohner desselben.
§ 1. Umfang der Gemeinde. Die Gemeinde Wien umfaßt das Gebiet vom Sporne der Brigittenau längs des Stromstriches (Fahrwassers) der großen Donau und die Zwischenbrückenau, den Gänsehausen, die Kriegau, den Prater und die Freudenau herum bis zur Ausmündung des neuen Durchstiches des Wiener Donaukanals in die große Donau, von hier den untern rand des rechten Ufers dieses Durchstiches und des Donaukanals aufwärts bis an die Katastralgränze über den Wienerberg bis an die Wien nächst der Hundsthurmer Linie, von da längs des obern Randes des Liniengrabens bis zur Nußdorfer-Linie, von hier längs der hölzernen Bankaleinfriedung bis zur Spittelauer-Wassermauth und von dieser endlich den untern Rand des rechten Ufers des Donaukanals aufwärts bis gegenüber dem Sporne der Brigittenau.
Eintheilung der Gemeinde behufs der Verwaltung.
§ 2. Dieser ganze Complex bildet eine einzige Ortsgemeinde, welche behufs der Verwaltung der Gemeindeangelegenheiten in acht Bezirke getheilt ist.
Der I. Bezirk: Die innere Stadt, erstreckt sich von der Augartenbrücke längs der Spalier am Fußwege der Esplanade-Hauptstraße um die Stadt herum bis an die gemauerte Wienbrücke vor dem Kärnthnerthore, von hier den untern Rand des linken Ufers der Wien abwärts, bis zu ihrer Mündung in den Donaukanal und von da den untern Rand des rechten Ufers des Donaukanales aufwärts bis wieder zur Augartenbrücke.
Es gehören sonach in das Gebiet dieses Bezirkes:
a) die innere Stadt, jedoch mit Ausschluß der jenseits der Esplanade-Hauptstraße
an der Wienbrücke vor dem Kärnthnerthore liegenden Tabaktrafik, Nr. 1213;
b) das Haus Nr. 22 in der Roßau (Kaiserbad);
c) das Glacis bis an die Esplanaden-Hauptstraße und bis an dieWien.
Die Esplanade-Haupstraße selbst, sammt dem längs derselben laufenden Fußwege und dem Reitsteige, dann das Flußbett der Wien und des Donaukanals sammt den darüber führenden Brücken fallen dagegen außerhalb der Gränzen des I. Bezirks.
Der II. Bezirk Leopoldstadt erstreckt sich von dem Anfange, d. i. der Einmündung des Wiener-Donaukanals nächst des Spornes der Brigittenau, den untern Rand des rechten Ufers des Donaukanals und des neuen Durchstiches, welcher die Freudenau von der Gemeinde Simmering scheidet, abwärts bis zur Ausmündung dieses Durchstiches in die große Donau nächst des südöstlicehn Spitzes der Freudenau, und von hier den Stromstich (das Fahrwasser) der großen Donau aufwärts um die Freudenau, den Prater, die Kriegau, den Gänsehaufen, die Zwischenbrückenau und den Sporn der Brigittenau herum bis wieder zum Anfang des Wiener-Donaukanales.
Es gehören sonach in das Gebiet dieses Bezirkes:
a) die Brigittenau,
b) die Vorstadt Leopoldstadt,
c) die Vorstadt Jägerzeile,
d) die Häuser und Hütten zwischen der Taborlinie und dem Kaiserwasser,
e) die Zwischenbrückenau und der Gänsehaufen mit dem Orte Zwischenbrücken,
f) der obere und untere Prater,
g) die Kriegau,
h) die Freudenau,
i) alle übrigen hier nicht benannten zwischen dem Stromstiche der großen Donau
und dem Wiener Donaukanale liegenden kleineren Inseln,
k) Das Flußbett aller innerhalb der Gränzen dieses Bezirkes befindlichen
Nebenarme der Donau und das rechts vom Stromstiche liegende Flußbett der großen
Donau mit dem darüber befindlichen Theile der Aerarial- und Eisenbahnbrücke.
Der III. Bezirk Landstraße erstreckt sich vom Mondscheinstege über die Wien längs der Mitte der projectirten Straße durch die Heugasse und Belvedere-Linie zu den Eisenbahnhöfen, derzeit aber bis diese Straße hergestellt sein wird, vom Mondscheinstege auf die Esplanade-Hauptstraße, von hier längs der Mitte des Fahrweges der Heugasse, der Belvedere-Linie und der zum Wien-Brucker Eisenbahnhofe führenden Straße bis zu diesem Bahnhofe sohin aber längs der Basis des Dammes der Wien-Brucker Eisenbahn (die daher außerhalb der Gränzen dieses Bezirkes liegt) bis an die Katastralgränze der Gemeinde Wien, von da längst dieser Gränze bis an den Donaukanal, dann den untern Rand des rechten Ufers des Donaukanals aufwärts bis an die Mündung der Wien in den Donaukanal, und von hier endlich den untern Rand des linken Ufers der Wien aufwärts bis wieder zum Mondscheinstege, so daß dieses gegenwärtigem Bezirke ganz angehört.
Es gehören sonach in das Gebiet dieses Bezirks:
a) die Vorstadt Landstraße, jedoch mit Ausschluß der zwei Häuser Nr. 645 (Mauthhaus
an der Belvederelinie) und Nr. 734 (Wasserstation der Wien-Brucker Eisenbahn),
b) die Vorstadt Weißgräber,
c) die Vorstadt Erdberg,
d) alle außerhalb der Linie zwischen dem Liniengraben, der Donau, der
Catastralgränze der Gemeinde Wie und dem Damme der Wien-Brucker Eisenbahn
liegenden, theils zur Landstraße, theils nach Erdberg nummerirten Häuser und
Grundstücke, mit Einschluß des ganzen Friedhofes vor der St. Marxerlinie,
e) das Flußbett der Wien, vom Mondscheinstege bis zu ihrer Mündung in den
Donaukanal, und alle dazwischen befindlichen Brücken.
Der IV. Bezirk Wieden erstreckt sich vom Mondscheinstege längst der oben bezeichneten Gränze des Bezirks Landstraße durch dei Heugasse und Belvederelinie und längst der Basis des Dammes der Wien-Brucker Eisenbahn bis an die Catastralgränze der Gemeinde Wien, von hier längs dieser Gränze über den Wienerberg bis an die Wien nächst der Hundsthurmer-Linie, von da den untern Rand des linken Ufers der Wien abwärts bis wieder zum Mondscheinstege.
Es gehören sonach in das Gebiet dieses Bezirkes:
a) die Vorstadt Wieden,
b) die Vorstadt Schaumburgergrund,
c) die Vorstadt Hungelbrunn,
d) die Vorstadt Laurenzergrund,
e) die Vorstadt Matzleinsdorf,
f) die Vorstadt Nikolsdorf,
g) die Vorstadt Magarethen,
h) die Vorstadt Reinprechtsdorf,
i) die Vorstadt Hundsthurm,
k) die Häuser Nr. 645 und 734 der Vorstadt Landstraße;
l) alle außerhalb der Linie zwischen dem Liniengraben, dem Damme der
Wien-Brucker Eisenbahn und der Katastralgränze der Gemeinde Wien liegenden und
zu den Vorstädten Wieden, Schaumburgergrund, Matzleinsdorf und Hundsthurm
nummerirten Häuser und Grundstücke,
m) das Flußbett der Wien von der Hundsthurmerlinie bis zum Mondscheinstege und
alle dazwischen liegenden Brücken, mit Ausschluß dieses letzteren Steges.
Der V. Bezirk Mariahilf erstreckt sich von der gemauerten Wienbrücke vor dem Kärnthnerthore, dem untern Rand des linken Ufers der Wien aufwärts bis an den Liniengraben, von hier längs des oberen Randes des Liniengrabens bis an die Mariahilfer-Linie, sohin längs der Mitte des Fahrweges der Mariahilfer-Haupstraße bis auf die Esplanade-Hauptstraße und von da längs der Spalier am Fußwege der Esplanade-Hauptstraße bis wieder zur Wienbrücke vor dem Kärnthnerthore.
Es gehören sonach in das Gebiet dieses Bezirkes:
a) die Häuser Nr. 1 bis einschließlich 173, und 190 bis einschließlich 193 der
Vorstadt Laimgrube,
b) die Häuser Nr. 1 bis einschließlich 56, und Nr. 149 bis einschließlich 157
der Vorstadt Mariahilf,
c) die Vorstadt Windmühle,
d) die Vorstadt Magdalenagrund,
e) die Vorstadt Gumpendorf,
f) die Tabaktrafik Nr. 1213 an der Wienbrücke vor dem Kärnthnerthore.
Der VI. Bezirk Neubau (erstreckt sich von der Esplanade-Hauptstraße längs der Mitte des Fahrweges der Mariahilfer-Hauptstraße bis zur Mariahilfer-Linie, von hier längs des oberen Randes des Liniengrabens bis zu dem zwischen den Häusern Nr. 55 und 54 in Altlerechenfeld einspringenden Winkel desselben, sohin längs der Mitte des Fahrweges der Altlerchenfelder-Hauptstraße und der Rofranogasse bis aufdieEsplenade-Hauptstraße und von da längs der Spalier am Fußwege der Esplenade-Hauptstraße bis wieder zur Mariahilfer-Hauptstraße.
Es gehören sonach in das Gebiet dieses Bezirkes:
a) die Häuser Nr. 174 bis einschließlich Nr. 189, und Nr. 194 bis einschließlich
203 der Vorstadt Laimgrube,
b) die Häuser Nr. 55 bis einschließlich 147, und Nr. 158 der Vorstadt Mariahilf,
c) die Vorstadt Neubau,
d) die Vorstadt Schottenfeld,
e) die Häuser Nr. 55, Nr. 180 bis einschließlich 217, Nr. 233 und 235 der
Vorstadt Altlerchenfeld,
f) die Häuser Nr. 1 bis einschließlich 77, Nr. 145 bis einschließlich 147, Nr.
149 bis einschließlich Nr. 161 und Nr. 163 der Vorstadt St. Ulrich,
g) die Vorstadt Spittelberg.
Der VII. Bezirk Josephstadt erstreckt sich von der Esplanade-Hauptstraße längs der oben bezeichneten Gränze des Bezirkes Neubau durch die Rofranogasse und Altlerchenfelder-Hauptstraße bis zum einspringenden Winkel des Liniengrabens, von hier längs des oberen Randes des Liniengrabens bis zur Hernalser-Linie, sohin längs der Mitte des Fahrweges der Alser-Hauptstraße bis auf die Esplanade-Hauptstraße, und von da längs der Spalier am Fußwege der Esplanade-Hauptstraße bis wieder zum Fahrwege der Rofranogasse.
Es gehören sonach in das Gebiet dieses Bezirkes:
a) die Häuser Nr. 78 bis einschließlich 144, Nr. 148 und Nr. 162 der Vorstadt
St. Ulrich,
b) die Vorstadt Strozzengrund,
c) die Häuser Nr. 1 bis einschließlich 54, Nr. 56 bis einschließlich 179, Nr.
218 bis einschließlich 232, Nr. 234 und 236 bis einschließlich 239 der Vorstadt
Altlerchenfeld.
d) die Vorstadt Josephstadt,
e) nachstehende Häuser der Vorstadt Alsergrund: Nr. 1 bis einschließlich 136,
die drei Häuser des Mauthgebäudes Nr. 137 an der Hernalser-Linie, Nr. 280, 281,
287, 289, 306, 316, 318 bis einschließlich 324, Nr. 327 und Nr. 339 bis
einschließlich 345,
f) die Vorstadt Breitenfeld.
Der VIII. Bezirk Alsergrund erstreckt sich von der Esplanade-Hauptstraße längs der Mitte des Fahrweges der Alser-Hauptstraße bis zur Hernalser-Linie, vonhier längs des oberen Randes des Liniengrabens bis zur Nußdorfer-Linie, sohin längs der hölzernen Bankal-Einfriedung bis zur Spietelauer Wassermauth, vonda den unteren Rand des rechten Ufers des Donaukanales abwärts bis zur Augartenbrücke, und von dieser längs der Spalier am Fußwege der Esplanade-Hauptstraße bis wieder zum Fahrwege der Alser-Hauptstraße.
Es gehören sonach in das Gebiet dieses Bezirkes:
a) die Häuser Nr. 138 bis einschließlich Nr. 279, Nr. 282 bis einschließlich Nr.
286, Nr. 288, Nr. 290 bis einschließlich Nr. 338 und Nr. 346 bis einschließlich
361 der Vorstadt Alsergrund.
b) die Vorstadt Michelbäurischer Grund,
c) die Vorstadt Thury,
d) die Vorstadt Himmelpfortgrund,
e) die Vorstadt Lichtenthal,
f) die Spittlau mit den früher nach Heiligenstadt nummerirt gewesenen Häusern
Nr. 97 und 110,
g) die Vorstaft Althan,
h) die Vorstadt Roßau mit Ausschluß des Hauses Nr. 22 (Kaiserbad).
§ 3. Durch Beschluß des Gemeinderathes kann mit Genehmigung des Statthalters eine Unterabtheilung der im vorstehenden Paragraphe bezeichneten Bezirke vorgenommen werden.
§ 4. Es bleibt dem Gemeinderathe überlassen, die näheren Bestimmungen über das abgesondert bestehende Gemeindevermögen und Gemeindegut der Vorstadtgemeinden nach Einvernehmen derselben festzusetzen.
Das in den einzelnen Gemeinden vorhandene Stiftungs-Vermögen darf in keinem Falle seiner Widmung entzogen werden.
§ 5. Gemeindeglieder und
Fremde. In der Gemeinde unterscheidet man:
1. Gemeindeglieder,
2. Fremde.
Die Gemeindeglieder sind:
a) Gemeindeangehörige,
b) Gemeindebürger.
Nur österreichische Staatsbürger können Gemeindeangehörige oder Gemeindebürger sein.
§ 6. Erlangung der Gemeindeangehörigkeit. Gemeindeangehörige sind dermalen alle Personen, welche die Gemeindeangehörigkeit nach den bisher bestandenen Heimatsgesetzen erworben haben.
In der Folge wird die Gemeindeangehörigkeit erworben:
a) durch Geburt,
b) durch Aufnahme in den Gemeindeverband,
c) durch besondere persönliche Verhältnisse.
§ 7. a) Durch Geburt. Eheliche oder nach den bürgerlichen Gesetzen den ehelichen gleichgehaltene Kinder sind Angehörige der Gemeinde, wenn ihr Vater zur Zeit der Geburt, oder falls er früher verstorben wäre, zur Zeit seines Ablebens, oder bei legitimirten Kindern zur Zeit der stattfindenden Legitimation dem Gemeindeverbande angehörte.
Durch Annahme an Kindesstatt wird die Angehörigkeit nicht begründet.
Uneheliche Kinder treten in den Gemeindeverband, wenn ihre Mutter zur Zeit der Entbindung Gemeindeangehörige war.
Findlinge, welche im Umfange des Gemeindebezirkes gefunden werden, sind Gemeindeangehörige, so lange sich nicht ermitteln läßt, daß sie einer andern Gemeinde angehören.
Die Angehörigkeit der Findlinge im Findelhause wird durch ein besonderes Gesetz bestimmt werden.
§ 8.
b) Durch Aufnahme.
Die Aufnahme in den Gemeindeverband geschieht:
1. ausdrücklich durch einen Gemeindebeschluß, oder
2. stillschweigend, und zwar:
a) bei Frauenspersonen durch eine giltig abgeschlossene Ehe
mit einem Gemeindeangehörigen, und
b) durch Duldung eines, ohne Heimatschein oder mit einem
bereits erloschenen Heimatscheine sich durchvier Jahre, von der Zeit seiner
Eintragung in die hiesigen Conscriptionslisten an gerechnet, ununterbrochen in
der Gemeinde aufgehaltenen, die österreichische Staatsbürgerschaft besitzenden
Fremden.
Diese stillschweigende Aufnahme in den Gemeindeverband durch Duldung erfolgt jedoch nur dann, wenn der Fremde auch bei der in den obigen Zeitraum fallenden zweiten Aufnahme der Conscriptionslisten in dieselbe eingetragen war, und keine Verwahrung der Gemeinde gegen dessen Aufnahme durch Anhaltung desselben zur Erlangung eines neuen Heimatscheines, oder durch Ausweisung desselben in seinen Heimatort stattgefunden hat.
Recht zur Aufnahme in den Gemeindeverband.
§ 9. Jeder österreichische
Staatsbürger hat das Recht, die Aufnahme als Gemeindeangehöriger zu verlangen,
wenn er
1. die volle Befugniß hat, über seine Person und über sein Vermögen zu verfügen;
2. wenigstens zehn Jahre unmittelbar vorher auf Grundlage eines giltigen, nicht
erloschenen Heimatscheines ununterbrochen im Gemeindebezirke wohnhaft ist,
3. sich sammt seiner Familie eines unbescholtenen Rufes erfreut, und
4. den Besitz eines, den Unterhalt einer Familie sichernden Vermögens oder
Nahrungszweiges nachweiset.
Wird die Aufnahme verweigert, so entscheidet im Recurswege der Statthalter.
§ 10. Mit dem Aufgenommenen (§§ 8 und 9) treten zugleich dessen Gattin und die zur Zeit der Aufnahme unter dessen väterlicher Gewalt stehenden Kinder in den Gemeindeverband. Ebenso folgen uneheliche Kinder, so lange sie noch minderjährig sind, der Eigenschaft der Mutter.
§ 11. c) Durch besondere persönliche Verhältnisse. Hof-, Staats- und Landtagsbeamte, dann Officiere, die mit Officiersrang Angestellten, Geistliche und öffentliche Lehrer werden mit ihren Gattinnen und mit den unter ihrer väterlicher Gewalt stehenden Kindern Angehörige der Stadt Wien, wenn ihnen ihre Stelle daselbst den ständigen Aufenthalt anweist.
§ 12. Veränderungen in der Gemeindeangehörigkeit. Bei Veränderungen in der Gemeindenangehörigkeit folgen minderjährige im Familienbande lebende Kinder der Eigenschaft der Ältern, uneheliche jener der Mutter, die Frau der Eigenschaft des Gatten.
Der Tod eines oder beider Älterntheile, so wie die Auflösung des ehelichen Verbandes oder der ehelichen Gemeinschaft ändert nichts an der Zuständigkeit der Kinder und Gattin.
§ 13. Verlust der
Gemeindeangehörigkeit. Die Gemeindeangehörigkeit wird verloren:
a) durch den Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft, und
b) durch die Erwerbung der Angehörigkeit in einer andern Gemeinde.
§ 14. Erwerbung des Gemeindebürgerrechtes. Gemeindebürger sind jene, welche dermalen das Bürgerrecht der Stadt Wien besitzen.
In der Folge wird das Bürgerrecht nur durch ausdrückliche Verleihung von Seite der Gemeinde erworben.
Der Gemeinde steht es zu, dem Ansuchen um Verleihung des Bürgerrechtes zuwillfahren oder es abzuweisen. Es darf jedoch nur solchen österreichischen Staatsbürgern das Bürgerrecht verliehen werden, bei welchen die Bedingungen des § 9 sub 3 und 4 eintreten, und welchen keiner der im § 31 enthaltenen Ausnahms- oder Ausschließungsgründe entgegensteht.
§ 15. Verhältniß der Frauenspersonen. Frauenspersonen können selbstständig das Bürgerrecht nicht erwerben; sie übernehmen jedoch durch Verehelichung mit einem Gemeindebürger oder durch Einbürgerung ihres Ehegatten alle mit dem Bürgerrechte verbundenen Vortheile und Lasten, in soferne die Gemeindeordnung keine anderweitigen Bestimmungen enthält.
Dieses Verhältniß dauert auch während des Witwenstandes fort, erlischt dagegen im Falle der Ungiltigerklärung oder der Auflösung der Ehe, wenn die letztere nicht durch den Tod des Ehemannes erfolgt.
§ 16. Entrichtung der Bürgeraufnahmstaxe. Jeder neu aufzunehmende Bürger hat zur Gemeindecasse die jeweilig bestehende Aufnahmstaxe zu entrichten.
Aus besonders rücksichtswürdigen Gründen kann von Entrichtung dieser Taxe befreit werden.
§ 17. Verlust des
Gemeinde-Bürgerrechtes. Der Gemeindebürger verliert das Bürgerrecht:
a) wenn er aufhört, österreichischer Staatsbürger zu seyn; oder
b) Angehöriger einer anderen Gemeinde, jedoch auf eine andere Weise, als durch
die im § 11 bezeichneten besonderen persönlichen Verhältnisse, wird, oder wenn
er
c) zu einer Strafe verurtheilt wird, womit die Strafgesetze den Verlust der
Ausübung der politischen Rechte verknüpfen; bis zum Erscheinen solcher Gesetze
aber, wenn er wegen eines Verbrechens oder eines aus Gewinnsucht
hervorgegangenen, oder die öffentliche Sittlichkeit verletzenden Vergehens oder
einer solchen Übertretung schuldig erklärt, oder wegen einer anderen
Gesetzesübertretung zu einer mindestens halbjährigen Freiheitsstrafe verurtheilt
worden ist;
d) wenn er in Concurs gerathen, und seine Schuldlosigkeit nicht vollständig
nachgewiesen worden ist.
Doch treffen dienachtheiligen Folgen dieses Verlustes nur ihn allein, folglich weder seine Ehegattin noch die vor diesem Zeitpuncte erzeugten Kinder.
§ 18. Ehrenbürgerrecht. Die Gemeinde ist berechtiget, ausgezeichneten Männern, welche sich um den Staat oder die Stadt verdient gemacht haben, ohne Rücksicht auf deren Wohnsitz, das Ehrenbürgerrecht zu verleihen, welches die Theilnahme an allen Rechten der Gemeindebürger begründet, ohne die Verpflichtung derselben aufzulegen.
§ 19. Führung der Gemeindematrikel. Über alle Gemeindeglieder wird eine Matrikel geführt, deren Einsicht jedem derselben freisteht.
§ 20. Fremde in der Gemeinde sind Jene, welcheohne Gemeindeglieder zu seyn, sich in der Gemeinde aufhalten.
§ 21. Personen, deren Zuständigkeit nicht erweislich ist fallen wenn sie erwerbsunfähig werden der Gemeinde zur Last, wenn sie sich in derselben zuletzt aufgehalten haben.
Waisen solcher Personen sind nur dann Angehörige der Gemeinde, wenn sie sich beim Ableben ihrer Eltern daselbst befinden.
§ 22.
Rechte der Gemeindeglieder und Fremden überhaupt. Jedermann hat in der
Gemeinde Anspruch:
1. auf polizeilichen Schutz der Person und seines in der Gemarkung der Gemeinde
befindlichen Eigenthums;
2. auf die Benützung der Gemeindeanstalten nach Maß der bestehenden
Einrichtungen.
§ 23. Rechte der Gemeindeangehörigen insbesondere. Die
Gemeindeangehörigkeit begründet überdieß das Recht:
a) auf Benützung des Gemeindegutes nach den bestehenden Einrichtungen;
b) im Falle eingetretener Verarmung auf Unterstützung aus den Gemeindemitteln
nach Maßgabe der für die Armenversorgung bestehenden Einrichtungen;
c) auf Theilnahme am activen und passiven Wahlrechte zu den Gemeindeämtern
innerhalb der in den §§ 30 bis inclusive 33 angegebenen Gränzen.
§ 24. Rechte der
Gemeindebürger insbesondere. Das Gemeindebürgerrecht umfaßt:
a) das active und passive Wahlrecht zu den Gemeindeämtern;
b) den Anspruch auf Versorgungaus den Stiftungen, welche insbesondere für
Bürger, sowie für deren Witwen und Kinder bestimmt sind;
c) die im § 23 unter a. und b. angegebenen Befugnisse der Gemeindeangehörigen.
Pflichten der Gemeindeglieder überhaupt.
§ 25. Die
allgemeinen Verpflichtungen der Gemeindeglieder sind:
a) die Befolgung der von der Gemeinde innerhalb des ihr gesetzlich zustehenden
Wirkungskreises getroffenen Anordnungen;
b) die verhältnißmäßige Theilnahme an den Gemeindelasten.
Diese Verpflichtungen beginnen mit dem Tage des Eintrittes in den Gemeindeverband und dauern so lange fort, als das Verhältniß zur Gemeinde währt.
§ 26. Personen, welche in der Gemeinde ihre Wohnsitz nicht haben, tragen nur die nach den landesfürstlichen Steuern oder nach dem Realbesitze umgelegten Gemeindelasten.
§ 27. Verhältniß der Fremden. Fremde, welche sich innerhalb des Gemeindebezirkes aufhalten, haben an den allgemeinen Verpflichtungen der Gemeindeglieder Theil zu nehmen, ohne deren besondere Rechte zu genießen.
Fremden kann, wenn sie sich über ihre Zuständigkeit durch einen nicht erloschenen Heimatschein ausweisen, so lange sie sich entsprechend verhalten und die Mittel zu ihrer Erhaltung besitzen, der zeitliche Aufenthalt in der Gemeinde nicht verweigert werden.
Fühlt sich ein Fremder in dieser Beziehung durch einen Gemeindebeschluß beschwert, so kann er sich um Abhilfe an den Statthalter wenden.
II. Abschnitt.
Von der Gemeindeverfassung.
§ 28. Die Gemeinde wird in der Ausübung ihrer Rechte und Pflichten durch den Gemeinderath vertreten.
Die Verwaltung der Gemeindeangelegenheiten ist dem Gemeinderathe, dem Magistrate und den Bezirksvorstehern anvertraut.
Erste Abtheilung.
Von dem Gemeinderathe.
§ 29. Wahl der Mitglieder des Gemeinderathes. Die Mitglieder des Gemeinderathes werden von der Gemeinde aus ihrer Mitte gewählt.
Die Zahl derselben ist auf Einhundert Zwanzig festgesetzt.
Wahlberechtigung (actives Wahlrecht).
§ 30. Wahlberechtigt sind, in
soweit denselben nicht ein in § 31 aufgeführtes Hinderniß entgegensteht:
1. alle Gemeindebürger männlichen Geschlechtes;
2. unter den Gemeindeangehörigen alle österreichischen Staatsbürger männlichen
Geschlechtes, welche in eine der folgenden Kategorien gehören:
a) diejenigen, welche von einem im Gemeindebezirke gelegenen
Hause oder Grundstücke, oder von einem im Gemeindebezirke betriebenen Gewerbe
oder Erwerbe eine direkte Steuer von wenigstens Zehn Gulden Conv. Münze, oder
von einem anderweitigen Einkommen eine Einkommen-Steuer von wenigstens Zwanzig
Gulden Conv. Münze entrichten;
b) wirkliche, pensionirte oder quiescirte Hof-, Staats-,
Landstags- und Communal-Beamte, in soferne sie Besoldungen, Pensionen oder
Quiescentengehalte genießen, von denen eine Einkommensteuer von wenigstens Zehn
Gulden Conv. Münze entrichtet wird;
c) Officiere, welche zur Militia stabilis gehören;
d) die lateinisch-katholischen Pfarrer in Wien, sowie der
Pfarrer der hiesigen griechisch-katholischen Kirchengemeinde;
e) die Pastoren der hiesigen evangelischen Gemeinde augsburg.
und helvetischer Confessiong;
f) die Pfarrer der hiesigen griechisch-nicht-unirten
Gemeinde;
g) der erste Prediger der hiesigen Judengemeinde;
h) die Doctoren aller Facultäten, wenn sie ihren akademischen
Grad an einer inländischen Lehranstalt erhalten haben, und
i) die Vorsteher und Oberlehrer der heisigen Volksschulen und
die angestellten ordentlichen Lehrer und Professoren an den hiesigen mittleren
oder höheren öffentlichen Lehranstalten.
§ 31. Ausgenommen von der Ausübung des activen Wahlrechtes sind alle Personen, welche unter väterlicher Gewalt, unter Vormundschaft oder Curatel stehen, ebenso diejenigen, die eine Armenversorgung genießen, in einem Gesindverbande stehen oder von Tag- oder Wochenlohn leben.
Ausgeschlossen sind aber:
a) diejenigen, welche zu einer Strafe verurteilt worden sind,
womit die Strafgesetze den Verlust der Ausübung der politischen Rechte
verknüpfen, bis zum Erscheinen solcher Gesetze aber diejenigen, welche wegen
eines Verbrechens oder eines aus Gewinnsucht hervorgegangenen óder die
öffentliche Sittlichkeit verletzenden Vergehens oder einer solchen Übertretung
schuldig erklärt, oder wegen einer anderen Gesetzübertretung zu einer mindestens
halbjährigen Freiheitsstrafe verurtheilt worden sind;
b) diejenigen, welche wegen eines Verbrechens oder wegen
eines aus Gewinnsucht hervorgegangenen oder die öffentliche Sittlichkeit
verletzenden Vergehens oder einer solchen Übertretung in Untersuchung verfallen
sind, während der Dauer derselben;
c) diejenigen, über deren Vermögen der Concurs ausgebrochen
ist, in so lange die Cridaverhandlung dauert, und nach Beendigung derselben,
wenn die Schuldlosigkeit des Cridatars nicht vollständig nachgewiesen wurde, und
d) diejenigen, welche den Steuerbetrag, von dessen
Entrichtung ihr Wahlrecht bedingt ist, oder die hierauf umgelegten Zuschläge in
dem der Wahl vorangegangenen Steuerjahre nicht vollständig bezahlt haben oder in
den laufenden Steuerjahre mit einem Rückstande hieran aushaften.
Wählbarkeit (passives Wahlrecht.
§ 32. Wählbar ist jedes wahlberechtigte Gemeindeglied männlichen Geschlechtes, welches das 30. Jahr zurückgelegt hat.
§ 33. Ausgenommen von der Wählbarkeit sind:
a) alle Personen, welche nach § 31 von der Ausübung des
activen Wahlrechtes ausgenommen sind;
b) Militärpersonen in der activen Dienstleistung;
c) die Gemeindebeamten und Gemeindediener.
Ausgeschlossen
sind:
a) alle Personen, die nach § 31 von der Ausübung de activen
Wahlrechtes ausgeschlossen sind.
b) säumige Schuldner der Gemeinde, und
c) jene Personen, welche über die aufgehabte
Vermögensverwaltung der Gemeinde oder einer Gemeindeanstalt, oder über ein ihnen
von der Gemeinde besonders anvertrautes Geschäft mit der zu legenden Rechnung
noch im Rückstande sind.
§ 34. Behufs der Wahl der Mitglieder des Gemeinderathes werden sämmtliche wahlberechtigte Gemeindeglieder Wiens in drei Wahlkörper abgetheilt, deren jeder vierzig Mitglieder zu wählen hat.
Den ersten Wahlkörper bilden die höchstbesteuerten Grund- und Hausbesitzer, welche an Grund- oder Gebäudesteuer einen Steuersatz von mindestens Fünfhundert Gulden Conv. Mze. und die höchstbesteuerten Gewerbsteuer- oder Einkommensteuer-Pflichtigen, welchen einen Steuersatz von Einhundert Gulden Conv. Mze. oder mehr entrichten.
Den zweiten Wahlkörper bilden alle Grund- und Hausbesitzer, die an Grund- oder Gebäudesteuer unter Fünfhundert Gulden Conv. Mze. auf wengistens zehn Gulden Conv. Mze. bezahlen, dann die in § 30, sub b. bis inclus. i. angeführten Gemeindeangehörigen.
Der dritte Wahlkörper enthält die nach § 30, Z. 2, litt. a. wahlberechtigten Erwerbsteuer- und Einkommensteuerpflichtigen, die einen Steuersatz von weniger als Einhundert Gulden Conv. Mze. entrichten.
Gemeindebürger, welche weder nach der Steuerzahlung, noch nach ihrer Steuerzahlung, noch nach ihren persönlichen Eigenschaften in den einen oder den andern Wahlkörper gehören, üben ihr Wahlrecht im dritten Wahlkörper aus.
Wer mehrere Grundstücke besitzt, oder aus verschiedenen Titeln mit der Erwerbsteuer oder aus verschiedenen Einkommensquellen mit der Einkommensteuer mehrfach belegt ist, wird unter die Höchstbesteuerten gerechnet, wenn er im ersten Falle mindestens Fünfhundert Gulden Conv. Mze. an Grund- und Gebäudesteuer und im zweiten und dritten Falle wenigstens Einhundert Gulden Conve. Mze. Erwerb- und Einkommensteuer im Ganzen entrichtet.
Diejenigen, welche zugleich als Grund- oder Hausbesitzer und wegen ihres Erwerbes oder Einkommens direct besteuert erscheinen, gehören in die Classe der Höchstbesteuerten, wenn ihre Steuerschuldigkeiten zusammen den Betrag von wenigstens Fünfhundert Gulden Conv. Mze. oder an Erwerb- oder Einkommensteuer wenigstens Einhundert Gulden Conv. Mze. ausmachen; wenn dieß nicht der Fall ist, üben derlei, in erschiedenen Steuerkategorien erscheinenden Personen ihr Wahlrecht, wenn sie an Grund- oder Gebäudesteuer wenigstens zehn Gulden Conv. Mze. entrichten, im zweiten Wahlkörper aus.
Wer nach seinen persönlichen Eigenschaften wahlberechtiget ist und zugleich zur Classe der Höchstbesteuerten gehört, wählt im ersten Wahlkörper.
Sonst kann er sein Wahlrecht nur im zweiten Wählkörper ausüben.
Behufs der Einreihung in die Wahlkörper, nicht aber zur Begründung des activen Wahlrechtes werden dem Vater die von seinen minderjährigen Kindern, dem Gatten die von seiner Gattin entrichteten directen Steuerbeträge zugerechnet, so lange das dem Vater und Gatten gesetzlich zustehende Befugniß der Vermögensverwaltung nicht aufgehört hat.
Die Mitglieder des zweiten und dritten Wahlkörpers wählen nach den im § 2 bezeichneten Bezirken die, wenn die Zahl der Wähler zu groß seyn sollte, in Sectionen abgetheilt werden.
Die Zahl der in jedem Bezirke vom zweiten und dritten Wahlkörper zu wählenden Mitglieder des Gemeinderathes ist nach dem Verhältnisse der Bevölkerung auszumitteln.
Die Mitglieder des ersten Wahlkörpers werden mit Rücksicht auf ihre Zahl in Wahlkammern eingereiht.
Der Gemeinderath wird diese Einreihung durch einen besondere, der Bestätigung des Statthalters zu unterziehende Anordnung festsetzen.
Die Zahl der im ersten Wahlkörper zu wählenden Mitglieder des Gemeinderathes wird unter die einzelnen Wahlkammern nach dem Verhältnisse der in dieselben als Höchstbesteuerte aufgenommenen wahlberechtigten Gemeindeglieder vertheilt.
§ 35. Anfertigung und Feststellung der Wählerlisten. Über alle wahlberechtigten Gemeindeglieder sind nach Wahlkörpern und Bezirken abgesonderte Wählerlisten zu verfassen, und in jedem Wahlbezirke an einem geeigneten Orte, mindestens durch sechs Wochen vor der Wahl zu Jedermanns Einsicht aufzulegen.
Die Auflegung dieser Listen ist durch eine dreimal der Wienerzeitung einzuschaltende und den Hauseigenthümern zur Verständigung der Parteien zuzustellende Kundmachung, unter Festsetzung einer, vom Tage der ersten Kundmachung in der Wienerzeitung laufenden vierzehntätigen Präclusivfrist zur Anbringung von Einwendungen dagegen zu veröffentlichen.
Der Magistrat entscheidet über die rechtzeitig erhobenen Einwendungen binnen längstens sechs Tagen, und nimmt die für zulässig erkannten Berichtigungen sogleich vor.
Wird die begehrte Berichtigung verweigert, so steht die Berufung an den Gemeinderath innerhalb drei Tagen offen.
Vierzehn Tage vor der Wahl darf in den Wählerlisten für die im Zuge befindliche Wahl keine Veränderung mehr vorgenommen werden.
§ 36. Ausschreibung der Wahl. Zur Vornahme der Wahl sind acht Tage vorher sämmtliche wahlberechtigte Mitglieder der Gemeinde in der Art einzuladen, daß das Wahlausschreiben, in welchem Zeit und Ort der Wahl, sowie die Zahl der zu wählenden Mitglieder des Gemeinderathes genau anzugeben sind, auf die im § 35 angedeutete Art bekanntgemacht wird.
§ 37. Leitung der Wahl. Die Wahl der Mitglieder des Gemeinderathes wird durch eigene Wahlcommissionen geleitet.
Für jeden Wahlbezirk und rücksichtlich für jede Wahlkammer wird von dem Gemeinderathe eine Wahlcommission niedergesetzt, bestehend aus einem Mitgliede des Gemeinderathes, welches dabei den Vorsitz führt, aus einem Mitgliede des Magistrates und vier stimmberechtigten Gemeindegliedern, von denen vorauszusetzen ist, daß sie die Verhältnisse der Wähler in den verschiedenen Wahlbezirken hinlänglich kennen, damit die Hindernisse, welche der passiven Wahlfähigkeit entgegenstehen, nicht unbemerkt bleiben.
Die Wahlcommission sind für den gewissenhaften Vollzug der Wahl verantwortlich.
Die Mitglieder derselben haben sich jedes Einflusses auf die Stimmgebung der einzelnen Wahlberechtigten zu enthalten.
Jeder Wahlcommission wird ein vom Statthalter bestimmter landesfürstlichen Commissär beigegeben, dessen Aufgabe es ist, die Aufrechthaltung der Ruhe und Ordnung und die Befolgung des gesetzlich bestimmten Wahlmodus wahlzunehmen.
§ 38. Vornahme der Wahlhandlung. Jeder Wahlberechtigte, welcher sein Wahlrecht ausüben will, muß zur bestimmten Zeit und an dem bestimmten Orte vor der Wahlcommission persönlich erscheinen.
Die Namen der Erscheinenden werden in das, von einem Mitgliede der Wahlcommission zu führende Wahlprotokoll eingetragen.
Die Stimmgebung geschieht durch Stimmzettel, auf welchen die in dem Wahlausschreiben angegebene Zahl von wählbaren Gemeindegliedern verzeichnet wird.
Bei Überschreitung dieser Zahl sind die auf dem Stimmzettel zuletzt angesetzten Namen unberücksichtiget zu lassen.
Jeder, der sein Stimmzettel abgegeben hat, ist aufzufordern, zu einer späteren Stunde des Tages sich wieder am Versammlungsorte einzufinden, um nöthigen FAlls die Stimmgebung erneuern zu können.
Nach Ablauf der, zur Abgebung der Stimmzettel festgesetzten Frist wird am Wahlorte selbst von der Wahlcommission der Eröffnung der Stimmzettel und die Stimmenzählung vorgenommen.
Die Stimmen derjenigen, welche bei der Wahlversammlung nicht erschienen sind, werden, als dem Ergebnisse der Wahl beistimmend, betrachtet.
Als gewählt sind diejenigen anzusehen, welche die absolute Mehrheit der abgegebenen Stimmen erhalten haben.
Konnte dieses Ergebniß durch die erste Abstimmung nicht erzielt werden, so ist zu der engeren Wahl zu schreiten.
Hiebei haben die Wähler sich auf jene Personen zu beschränken, die bei der ersten Wahl nach denjenigen, welche die absolute Mehrheit erlangten, die relativ meisten Stimmen für sich hatten.
Bei Stimmengleichheit wird durch das Los entschieden, wer bei der engern Wahl berücksichtiget werden darf. Die Zahl der in engere Wahl zu bringenden Personen ist immer die doppelte von der Zahl der noch zu wählenden Mitglieder.
Jede Stimme, welche auf eine nicht in die engere Wahl gebrachte Person fällt, ist als ungiltig zu betrachten.
Ergibt sich bei der engeren Wahl Stimmengleichheit, so entscheidet das Los.
Eine besondere Instruction innerhalb der Gränzen dieser Gemeindeordnung wird die näheren Bestimmungen über die Wahlhandlung aussprechen.
§ 39. Prüfung und Bekanntmachung der Wahl. Sogleich nach beendigter Wahl ist das von der Wahlcommission und dem landesfürstlichen Commissär zu unterfertigende Wahlprotokoll mit den demselben beizuschließenden Belegen dem Gemeinderathe zu übermitteln.
Einwendungen gegen das Wahlverfahren sind beim Gemeinderathe längstens binnen acht Tagen nach beendigtem Wahlacte anzubringen.
In soweit diese Einwendungen als statthaft befunden werden, ist eine neue Wahl auszuschreiben. Werden jedoch binnen der obigen frist keine Einwendungen vorgebracht, oder die vorgebrachten als unstatthaft beseitiget, so hat der Gemeinderath die gewählten von der auf sie gefallenen Wahl mit der Aufforderung in Kenntniß zu setzen, daß sie sich binnen acht Tagen vom Zeitpuncte dieser Verständigung über die Annahme oder Nichtannahme der Wahl erklären. Die Unterlassung dieser Erklärung, sowie jede Annahme unter Protest oder Vorbehalt, gilt als Ablehnung. Im Falle der Ablehnung ist eine neue Wahl zu veranlassen.
Wird ein Wahlfähiger in mehreren Wahlbezirken oder Wahlkammern gewählt, so hat er sich gleichfalls binnen der oben bestimmten Zeit über Annahme oder Ablehnung, und im ersten Falle darüber, für welchen WAhlbezirk oder für welche Wahlkammer er die Wahl annehme, zu erklären.
Erfolgt die Annahmserklärung eines zweimal oder mehrfach Gewählten ohne Angabe, für welchen Wahlbezirk oder für welche Wahlkammer er annehme, so gilt die Annahme für den Wahlbezirk oder für die Wahlkammer, wo er mehr Stimmen erhalten hat.
Bei Stimmengleichheit ist die ausdrückliche Erklärung des Gewählten einzuholen.
Für die Wahlbezirke und Wahlkammern, für welche die Wahl nicht angenommen wird, ist eine neue Wahl auszuschreiben.
Mit der Erklärung der Annahme der Wahl hat der Gewählte, in soferne es nicht notorisch ist, auch die Nachweisung beizubringen, daß er die zur Wählbarkeit erforderlichen Eigenschaften besitzt. Wird diese Nachweisung nicht beigebracht, oder liegt dem Gemeinderathe der Nachweis vor, daß der Gewählte von der Wählbarkeit ausgenommen oder ausgeschlossen sei, so ist eine neue Wahl zu veranlassen. Der Gemeinderath macht die von ihm bestätigten Wahlen öffentlich bekannt.
§ 40. Dauer der Amtsführung. Die Mitglieder des Gemeinderathes werden auf drei Jahre gewählt.
Alljährlich scheidet im Monate März der dritte Theil, oder die dem dritten Theile zunächst kommende Zahl der Mitglieder von ihren Stellen und wird durch Neugewählte aus den Wahlkörpern, von welchen die ausscheidenden Mitglieder gewählt worden waren, ersetzt.
Der Austritt geschieht das erste und zweite Mal nach der Entscheidung des Loses, in der Folge treten immer diejenigen aus, welche drei Jahre vorher gewählt worden waren.
Bis die Neuwahlen stattgefunden haben, bleiben die zum Austritte bestimmten Mitglieder im Amte.
Dieselben sind wieder wählbar.
Die Wiederbesetzung der durch Tod oder Austritt vor der Zeit erledigten Gemeinderathsstellen wird in der Regel zugleich mit den jährlichen Ergänzungswahlen vorgenommen.
Sollte jedoch die Zahl der fehlenden Mitglieder zwanzig übersteigen, so ist zum Ersatze derselben auch vor dem Eintritte dieser Periode eine besondere Wahl auf Grundlage der letzten Wählerlisten einzuleiten.
Jede solche Ergänzungswahl gilt übrigens nur bis zum regelmäßigen Erneuerungstermine.
Der Gewählte tritt zu der Zeit wieder aus, zu welcher derjenige, an dessen Stelle er gewählt worden, hätte austreten müssen.
§ 41. Wahl des Bürgermeisters. Nach erfolgter Constituierung wählt der Gemeinderath aus seiner Mitte den Vorstand (Bürgermeister).
Dieser Wahlhandlung haben sämmtliche Gemeinderathsmitglieder beizuwohnen.
Sie sind hiezu mit dem Beisatze einzuladen, daß jene Gemeinderathsglieder, die entweder gar nicht erscheinen, oder vor Beendigung der Wahlhandlung sich entfernen, ohne ihr Ausbleiben oder ihre Entfernung durch hinreichende Gründe zu entschuldigen, als ihre Amtes verlustig anzusehen seien, und in der laufenden Wahlperiode nicht wieder gewählt werden können.
Die Wahl des Bürgermeisters kann vorgenommen werden, wenn wenigstens zwei Drittheile der sämmtlichen Gemeinderathsglieder anwesend sind, und ist derjenige als zum Bürgermeister gewählt zu betrachten, welcher die absolute Mehrheit der gesammten Gemeinderathsglieder für sich hat.
Der Gemeinderath wählt weiter auf die Dauer eines Jahres zwei Vorstands-Stellvertreter, deren Einer den Bürgermeister in Fällen zeitweiser Verhinderung zu vertreten hat.
§ 42. Dauer seiner Amtsführung. Die Wahl des Bürgermeisters, es mag dieselbe nach Ablauf der regelmäßigen dreijährigen Amtsdauer oder in Folge eines während derselben eingetretenen Erledigungsfalles geschehen seyn, gilt stets auf drei Jahre, und er verbleibt in seiner Stellung, selbst wenn ihn während dieser Zeit nach § 40 die Reihe zum Austritte aus dem Gemeinderathe treffen würde.
Der Austretende ist wieder wählbar.
§ 43. Bestätigung der Wahl. Die Wahl des Bürgermeisters unterliegt der Bestätigung Seiner Majestät des Kaisers.
Nach erfolgter Bestätigung hat der Bürgermeister im versammelten Gemeinderathe den vorgeschriebenen Diensteid in die Hände des Statthalters abzulegen, und ist die hierüber aufgenommene, von dem Bürgermeister eigenhändig gefertigte Eidesurkunde dem Statthalter vorzulegen.
§ 44. Gehalt und Gebühren der Gemeinderäthe und des Bürgermeisters. Die Mitglieder des Gemeindesrathes verwalten ihr Amt unentgeltlich.
Bei Besorgung von Gemeindeangelegenheiten außerhalb des Gemeinde-Bezirkes haben die dazu abgeordneten Mitglieder des Gemeinderathes auf die nämlichen Gebühren aus der Gemeinde-Casse Anspruch, welche im gleichen Falle den Räthen des Obergerichtes aus der Staats-Casse verabreicht werden.
Dem Bürgermeister wird in einem städtischen Gebäude eine seiner Würde angemessene Wohnung, sammt der entsprechenden Einrichtung der Empfangsräume unentgeltlich eingeräumt.
Außerdem erhält er für die von dem Gemeinderathe für die Dauer seiner Amtsführung zu bestimmenden Functionsgebühren.
§ 45. Verlust des Amtes eines Gemeinderathsmitgliedes. Ein Mitglied des Gemeinderathes wird seines Amtes verlustig, wenn in Ansehung desselben ein Grund eintritt, der es von der Wählbarkeit ausgenommen oder ausgeschlossen hätte (§ 33).
Sollte ein Mitglied des Gemeinderathes wegen eines Verbrechens, oder wegen eines aus Gewinnsucht hervorgegangenen oder die öffentliche Sittlichkeit verletzenden Vergehens, oder einer solchen Übertretung in Übersuchung verfallen, so kann es während der Dauer derselben sein Amt nicht ausüben. Diese Bestimmungen gelten auch hinsichtlich des Bürgermeisters.
§ 46. Auflösung des Gemeinderathes. Wenn die Regierung aus wichtigen Gründen den Gemeinderath aufzulösen findet, so hat der Statthalter binnen vier Wochen eine neue Wahl auszuschreiben, und hiebei in Ermangelung eines Gemeinderathes die Befugnisse zu üben, die nach den §§ 35, 36m 37 und 38 dem Gemeinderathe zustehen.
Zweite Abtheilung.
Von dem Magistrate.
§ 47. Zusammensetzung des Magistrates. Der Magistrat besteht aus dem Bürgermeister an der Spitze, aus einem rechtskundigen Vicebürgermeister und der nöthigen Anzahl von rechtskundigen Räthen, sammt dem erforderlichen Hilfspersonale.
§ 48. Die rechtskundigen Mitglieder des Magistrates müssen zur dießfälligen Geschäftsführung in der für den Eintritt in den Staatsdienst vorgeschriebenen Weise befähigt seyn, sie dürfen sich nebenbei weder in einem anderen dienstlichen Verhältnisse befinden, noch die juristische Praxis ausüben.
§ 49. Wenn die Stelle eines rechtskundigen Mitgliedes des Magistrates zu besetzen kömmt, so ist dieß durch Einrückung in die öffentlichen Zeitungsblätter mit dem Beisatze zu verlautbaren, daß diejenigen, welche sich zu diesem Amte für befähigt halten, binnen einer nach Umständen zu bestimmenden Zeitfrist ihre schriftlichen und mit den gehörigen Ausweisen belegten Gesuche bei dem Magistrate zu überreichen haben.
Letzterer erstattet hierüber dem Gemeinderathe einen begründeten, die Eigenschaften aller Bewerber würdigenden Besetzungs-Vorschlag, bei welchem er jedoch an die auftretenden Bewerber nicht gebunden ist.
§ 50. Dienstes-Entlassung und Enthebung vom Dienste. Die rechtskundigen Mitglieder des Magistrates werden auf Lebenszeit angestellt.
Die Entlassung, sowie die einstweilige Enthebung derselben vom Dienste kann nur nach denselben Grundsätzen, wie bei Staatsbeamten der Verwaltungsbehörden erfolgen.
§ 51. Gehalte und Pensionen. Die rechtskundigen, auf Lebenszeit angestellten Mitglieder des Magistrates erhalten Besoldungen und Pensionen.
Hinsichtlich ihrer Versetzung in den Ruhestand gelten die für Staatsbeamte der Verwaltungsbehörden bestehenden Vorschriften.
Dritte Abtheilung.
Von den Bezirksvorstehern und Bezirksausschüssen.
§ 52. Behufs der Verwaltung der Gemeindeangelegenheiten befindet sich an der Spitze eines jeden der im § 2 bezeichneten Bezirke, mit Ausnahme der inneren Stadt, ein Bezirksvorsteher mit Bezirksausschüssen, welchen ein aus dem Status des Magistrats zuzuweisender und zeitlich zu wechselnder Beamter sammt dem nöthigen Hilfspersonale beigegeben ist.
§ 53. Die Wahlberechtigten eines jeden Bezirkes wählen in den Wahlkörpern, zu denen sie gehören, achtzehn Bezirksausschüsse.
Jeder Wahlkörper wählt sechs Ausschüsse.
Den ersten Wahlkörper bilden nur jene, die im Bezirke zur Classe der Höchstbesteuerten gehören; sie vereinigen sich Behufs dieser Wahl in Einer Wahlversammlung.
Die für die Wahl zum Gemeinderathe betroffenen Anordnungen gelten auch für die Wahl der Bezirksausschüsse.
§ 54. Die Bezirksausschüsse wählen aus ihrer Mitte mit absoluter Stimmenmehrheit den Bezirksvorsteher.
Die Wahl desselben muß der Bestätigung des Gemeinderathes und des Statthalters unterzogen werden.
§ 55. Die Bezirksvorsteher und Bezirksausschüsse müssen in den Bezirken, für welche sie gewählt werden, ihren Wohnsitz haben.
§ 56. Die Vorschriften der §§ 32, 33 und 45 über das passive Wahlrecht und über den Verlust des Amtes eines Gemeinderathes haben auch auf die Bezirksvorsteher und Bezirksausschüsse Anwendung.
§ 57. Die Bezirksvorsteher und Bezirksausschüsse werden auf drei Jahre gewählt.
Sie sind wieder wählbar.
Die durch Tod oder sonst ausscheidenden Bezirksausschüsse werden durch neu Gewählte aus den Wahlkörpern, von welchen die Ausscheidenden gewählt worden waren, ersetzt.
Jede solche Ergänzungswahl gilt nur bis zum regelmäßigen Erneuerungs-Termine.
Sollte der Austritt des Bezirksvorstehers vor Ablauf der drei Jahre erfolgen, so haben die Bezirksausschüsse eine neue Wahl für die Zeit bis zum regelmäßigen Erneuerungs-Termine vorzunehmen.
§ 58. Die Bezirksvorsteher und Bezirksausschüsse beziehen keinen Gehalt, haben jedoch Anspruch auf eine vom Gemeinderathe jährlich festzusetzende Entschädigung für die mit ihrer Amtsführung verbundenen Auslagen.
§ 59. Durch Beschluß des Gemeinderathes können die Bezirksvorsteher oder die Bezirksausschüsse abberufen werden.
In diesem Falle ist binnen vier Wochen zu einer neuen Wahl zu schreiten.
Dasselbe hat zu geschehen, wenn die Regierung aus wichtigen Gründen die Bezirksvorsteher oder Bezirksausschüsse abzuberufen findet.
§ 60. Wird in der Folge ein Bezirk unterabgetheilt (§ 3), so hat jede Unterabtheilung einen eigenen Bezirksvorsteher nebst Bezirksausschüssen zu erhalten.
Nur hat die Zahl der Ausschüsse weniger als achtzehn zu betragen, sie muß aber jedenfalls durch drei theilbar seyn.
III. Abschnitt.
Von der Gemeindeverwaltung.
Erste
Abtheilung.
Von dem Wirkungskreise der Gemeinde überhaupt.
§
61. Der Wirkungskreis der Gemeinde ist:
a) der natürliche;
b) ein übertragener.
Der natürliche umfaßt alles, was die Interessen der Gemeinde zunächst berührt, und innerhalb ihrer Gränzen vollständig durchführbar ist.
Er erhält nur mit Rücksicht auf das Gesammtwohl durch das Gesetz die nothwendigen Beschränkungen.
Der übertragene umfaßt die Besorgung bestimmter öffentlicher Geschäfte, welche der Gemeinde vom Staate im Delegationswege zugewiesen werden.
Die Regierung kann denselben ganz oder theilweise auch durch von ihr bestellte Beamte versehen lassen.
a) Von dem natürlichen Wirkungskreise der Gemeinde.
§ 62. Verwaltung der Gemeindeangelegenheiten. Die Gemeinde der Stadt Wien verwaltet die auf den Gemeindeverband sich beziehenden Angelegenheiten und das ihre eigenthümliche Gemeindevermögen und Gemeindegut selbstständig durch ihre Verwaltungsorgane und die derselben untergeordneten Ämter und Behörden innerhalb der in dieser Gemeindeordnung festgesetzten Gränzen.
§ 63. Systemisirung der Gemeindeämter und Ernennung der Gemeindebeamten und Diener. Die Gemeinde bestimmt die Wahl und die Bezüge der zum Behufe der Gemeindeverwaltung nöthigen Gemeindebeamten und Diener, ernennt dieselben, sowie die Verwaltungsorgane sämmtlicher Gemeindeanstalten, in soferne nicht vermöge Stiftung oder Vertrag das Recht der Ernennung einem Dritten eingeräumt ist, endlich alle im Solde der Gemeinde stehenden Personen, und bestimmt ihre Genüsse, sowie die dem Bürgermeister und der im Dienste der Gemeinde verwendeten Personen zu gewährenden Reisekosten und sonstigen Entschädigungen.
§ 64. Die Gemeinde hat die Reinlichkeitspolizei; sie sorgt für Pflasterung und Erhaltung der Straßen, mit Ausnahme jener, deren Erhaltung dem k. k. Staats-Straßenfonde obliegt; für Beleuchtung, für Erhaltung und Reinigung der Hauptabzugscanäle, für Erhaltung der städtischen Brücken, Brunnen, Wasserleitungen und sonstigen Anlagen, dann der öffentlichen Badeanstalten. Sie handhabt die Gesundheits-, Feuer-, Markt-, Bau- und Straßenpolizei; sie hat die Aufsicht über die Gemarkungen, über Maß und Gewicht; ihr obliegt die Fürsorge für die Approvisionierung; sie trifft die polizeilichen Vorkehrungen zur Abwendung der die Sicherheit der Person oder des Eigenthums durch Überschwemmung oder durch sonstige Elementar-Ereignisse bedrohenden Gefahren.
Die Gemeinde hat für die zur Erfüllung dieser Obliegenheiten erforderlichen Anstalten und Einrichtungen die nöthigen Geldmittel aufzubringen, und ist für jede ihr in dieser Beziehung zur Last fallende Unterlassung verantwortlich.
Die Gemeinde ist bei der Handhabung der Localpolizei an die bestehenden Gesetze und Ordnungen gebunden.
Der Regierung bleibt die Controle und die Einwirkung dort, wo sie es erforderlich findet, vorbehalten.
§ 65. Die Gemeinde hat die Auslagen für jene Local-Polizeianstalten zu bestreiten, welche von der Regierung im Interesse der Gemeinde geleitet werden.
Deßhalb hat die Gemeinde, so lange hierüber nicht ein besonderes Übereinkommen getroffen seyn wird, zu dem für den Gemeindebezirk sich ergebenden Polizei-Aufwande in dem Verhältnisse beizutragen, in welchem sie nach dem Durchschnitte der drei Jahre 1845, 1846 und 1847 hiezu beigetragen hat.
Bei Ausmittlung des dießfälligen Beitrages sollen jedoch die Auslagen für jene polizeilichen Anstalten, die von der Gemeinde nunmehr allein zu besorgen, oder in Folge der vom Staate übernommenen Gerichtsbarkeit nunmehr bloß auf Kosten des Staates zu erhalten sind, entsprechend berücksichtiget werden.
§ 66. So wie die vom Staate bestellte Sicherheitsbehörde angewiesen ist, der Gemeinde bei Handhabung der Localpolizei die erforderliche Hilfe zu leisten, eben so ist die Gemeinde verpflichtet, so weit sie dieß mit ihren Organen vermag, die vom Staate bestellte Sicherheitsbehörde zu unterstützen.
§ 67. Ausstellung von Heimatscheinen. Die Ausstellung von Heimatscheinen steht der Gemeinde zu.
Dieselben haben nur auf vier Jahre Gilitigkeit.
§ 68. Armenpflege. Die Armenpflege ist eine Angelegenheit der Gemeinde.
Sie hat hiezu die nöthigen Geldmittel zu schaffen.
Ihr obliegt die Leitung und Erhaltung der städtischen Wohlthätigkeitsanstalten, dann der Zwangs- und freiwilligen Arbeitsanstalt. Die Gemeinde ist verpflichtet, in die Zwangsarbeitsanstalt die von der Staats-Sicherheitsbehörde dahin gewiesenen Personen aufzunehmen.
§ 69. Local-Sanitätswesen. Der Gemeinde steht die Einrichtung und Leitung des Local-Sanitätswesen nach den bestehenden Gesetzen zu. Die Beziehungen der Commune zu dem allgemeinen Krankenhause werden durch ein besonderes Übereinkommen mit der Staatsverwaltung geregelt.
b) Von dem übertragenen Wirkungskreise der Gemeinde.
§ 70. Kundmachung der Gesetze. Die Gemeinde hat, wenn Gesetze und Verordnungen der Behörden nebst der Kundmachung durch die Gesetz- und Regierungsblätter noch anderweitig veröffentlicht und verbreitet werden sollen, auf Verlangen diese Veröffentlichung und Verbreitung in üblicher Weise zu besorgen.
§ 71. Einhebung der Steuern. Die Gemeinde besorgt die Einhebung und Abfuhr der directen Steuern und alle hierauf Bezug nehmenden Amtshandlungen nach Maßgabe der gegenwärtig bestehenden oder durch spätere Anordnungen zu treffenden Einrichtungen.
§ 72. Militär-Angelegenheiten. Die Gemeinde hat das Conscriptions- und Recrutirungsgeschäft, so wie die Angelegenheiten in Bezug auf die Vorspann, auf die Verpflegung und Einquartirung des Militärs in der bisherigen Weise zu besorgen.
§ 73. Ertheilung des Eheconsensus. Die Gemeinde hat das Recht, nach Maßgabe der bestehenden Gesetze den Eheconsens zu ertheilen oder zu verweigern.
§ 74. Der Gemeinde obliegt die Besorgung des Schulwesens.
§ 75. Die Gemeinde hat über alle in ihrem Bezirke eintretenden Vorkommnisse, welche für die Staatsverwaltung vom Interesse sind, an den Statthalter Bericht zu erstatten.
§ 76. Überhaupt hat die Gemeinde alle Amtshandlungen, welche ihr durch die Gesetze übertragen sind, oder durch spätere Anordnungen zugewiesen werden, so wie alle ihr vom Statthalter zukommenden Befehle und Anordnungen in Angelegenheiten des öffentlichen Dienstes genau und in der durch das Gesetz oder die vorgesetzte Behörde bezeichneten Weise zu vollziehen.
§ 77. In den Geschäften des übertragenen Wirkungskreises geht der Instanzenzug an den Statthalter.
§ 78. Der Wirkungskreis der Gemeinde in Schul- und Kirchenangelegenheiten, dann im Gewerbswesen bleibt besonderen Bestimmungen vorbehalten.
Zweite
Abtheilung.
Wirkungskreis des Gemeinderathes.
§ 79. Der Gemeinderath ist innerhalb der gesetzlichen Gränzen berufen, die Gemeinde in der Ausübung ihrer Rechte und Pflichten zu vertreten, bindende Beschlüsse für die Gemeinde zu fassen und vollziehen zu lassen.
Er hat die Interessen der Gemeinde allseitig zu wahren, und für die Befriedigung derselben durch gesetzliche Mittel zu sorgen.
§ 80. Demnach gehört zu seinem Wirkungskreise:
A) Die Selbstbestimmung in Communalangelegenheiten;
B) die Controle über die Geschäftsführung in Communalangelegenheiten überhaupt,
und insbesondere die Vermögensgebarung des Magistrats, sowie der untergeordneten
Gemeindeämter und Gemeindeanstalten, und
C) die Entscheidung in gewissen, wegen ihrer besondern Wichtigkeit der
Genehmigung des Gemeinderathes vorbehaltenen oder im Wege der Berufung an ihn
gelangenden Verwaltungsangelegenheiten.
§ 81. A) Recht der Selbstbestimmung. Kraft des der Gemeinde zustehenden Rechtes der Selbstbestimmung in Communalangelegenheiten hat der Gemeinderath innerhalb der gesetzlichen Gränzen organische Beschlüsse in allen auf den Gemeindeverband sich beziehenden Angelegenheiten zu fassen.
§ 82. B) Ausübung der Controle. a) Überhaupt. In Folge des der Gemeinde zustehenden Rechtes der Controle ist derselbe befugt, sich in der steten Übersicht der magistratischen Geschäftsführung zu erhalten, die Vorlegung aller einschlägigen Acten, Urkunden, Rechnungen, Schriften und Berichte zu verlangen, und sich in Fällen von besonderer Wichtigkeit die Genehmigung vorzubehalten.
§ 83. b) Insbesondere in Ansehung der Verwaltung des Gemeindevermögens. Der Gemeinderath ist verpflichtet, das gesammte sowohl bewegliche als unbewegliche Eigenthum der Gemeinden und sämmtliche Gerechtsamen mittelst eines Inventars in Übersicht zu erhalten, und dasselbe jährlich zu veröffentlichen.
Er hat dafür zu sorgen, daß das gesammte erträgnißfähige Vermögen der Gemeinde der Art verwaltet werde, um die thunlichst größte Rente daraus zu erzielen.
Er ist endlich verpflichtet, darauf zu sehen, daß kein berechtigtes Gemeindeglied aus dem Gemeindegute einen größeren Nutzen ziehe, als zur Deckung seines Bedarfes nothwendig ist.
Jede nach Deckung des Bedarfes erübrigende Nutzung hat eine Rente für die Gemeinde zu bilden.
§ 84. Feststellung der Gemeindevoranschläge. Der Gemeinderath hat alljährig auf Grundlage der Inventarien und Rechnungen die Voranschläge der Einnahmen und Ausgaben der Gemeinde-Casse, so wie sämmtlicher unter abgesonderter städtischer Verwaltung stehender Fonde und Anstalten in allen Einnahms- und Ausgabsposten zu prüfen, und für das nächstfolgende Jahr festzustellen.
Diese Voranschläge müssen jährlich drei Monate vor Anfang des Rechnungsjahres, das mit jenem des Staates zusammenfällt, von dem Magistrate vorgelegt werden. Vierzehn Tage vor der Prüfung und Feststellung durch den Gemeinderath sind sie zur öffentlichen Einsicht aufzulegen.
Die Erinnerungen der Gemeindeglieder darüber werden zu Protokoll genommen und bei der Prüfung in Erwägung gezogen.
§ 85. Prüfung und Erledigung der Rechnungen und Scontirung der Cassen. Dem Gemeinderathe steht ferner die Entgegennahme, Prüfung und definitive Erledigung sämmtlichen jährlichen Rechnungsablagen und die Anordnung der Scontirung der städtischen Cassen, so wie die Mitwirkung bei derselben zu.
Vierzehn Tage vor der Prüfung und Erledigung der Rechnung durch den Gemeinderath wird dieselbe zur öffentlichen Einsicht aufgelegt.
Die Erinnerungen der Gemeindeglieder darüber werden zu Protokoll genommen und bei der Prüfung in Erwägung gezogen.
Bei nicht genügender Rechtfertigung der in Ansehung der Rechnung bestellten Mängel wird vom Gemeinderathe das administrative Erkenntiß gegen den Zahlungspflichtigen vorbehaltlich des weiteren gesetzlichen Verfahrens geschöpft.
§ 86. c) Entscheidung der Recurse. Der Gemeinderath hat über alle an ihn gelangenden Beschwerden gegen Verfügungen des Magistrates in Communal-Angelegenheiten zu entscheiden.
C) Der Entscheidung und Genehmigung des Gemeinderathes vorbehaltene Verwaltungs-Angelegenheiten.
§ 87. Die dem
Gemeinderathe sowohl für die Gemeinde selbst, als auch für die unter
abgesonderter städtischer Verwaltung stehenden Fonde und Anstalten vorbehaltenen
Verwaltungs-Gegenstände sind:
a) die Organisirung der mit der Verwaltung der Gemeinde-Angelegenheiten
beauftragten Ämter;
b) die Regulirung des Besoldungs- und Pensions-Etats der Gemeindebeamten und die
Systemisirung neuer besoldeter oder mit Remunerationen verbundenen Stellen;
c) die Anstellung aller Concepts- und aller jener Magistrats- und Fondsbeamten,
welche einen Gehalt von wenigstens 600 fl. C. M. jährlich beziehen, über
vorläufige Einvernehmung des Magistrates;
d) die Pensionirung und Quiescirung aller Gemeinde- und Fondsbeamten, dann die
Entlassung aller jener Gemeindebeamten, deren Anstellung dem Gemeinderathe
zusteht, endlich die Bewilligung der Bezüge der Hinterbliebenen;
§ 88. e) die Ertheilung der Bewilligung zum Beginne oder zur Aufhebung eines Rechtsstreites, sowie zur Eingehung eines Vergleiches, wenn der Gegenstand des Rechtsstreites oder Vergleiches nicht ein zum ordentlichen Wirthschaftsbetriebe gehöriges Geschäft, das in den Wirkungskreis des Magistrates gehört, betrifft, und die Aufstellung eines Vertreters auf bestimmte oder unbestimmte Zeit;
§ 89. f) die Erwerbung und Verpfändung unbeweglicher Güter und der denselben gleichgehaltenen Gerechtsamen, so wie die Eingehung von Bestandverträgen, wenn der Bestandzins jährlich 500 fl. C. M. oder die Dauer des Vertrages drei Jahre überschreitet; endlich die Veräußerung des Gemeindevermögens und Gemeindegutes.
Zu einer giltigen Beschlußfassung über eine Veräußerung ist erforderlich: daß zwei Drittheile des Gemeinderathes anwesend sind, und hievon überdieß die absolute Mehrheit sämmtlicher Gemeinderathsglieder zustimme.
Wenn ein Sechstheil der Anwesenden Protest einlegt, hat der Bürgermeister den Beschluß zu sistiren, und den Fall zur Entscheidung im Wege der Landesgesetzgebung vorzulegen.
Die Veräußerung eines unbeweglichen Gemeindevermögens oder Gemeindegutes im Werthe von 10.000 fl. C. M. oder darüber kann jedoch nur Kraft eines Landesgesetzes stattfinden.
Um aber den Antrag zu einer solchen Veräußerung vor den Landtag zu bringen, muß derselbe in einer Sitzung von wenigstens zwei Drittheilen des Gemeinderathes berathen und mit absoluter Mehrheit sämmtlicher Gemeinderathsmitglieder angenommen werden.
§ 90.
Der Gemeinderath hat ferner das Recht:
g) zur Deckung der Gemeindebedürfnisse Abgaben auszuschreiben und einzuheben.
Wenn der Gemeinderath neue Abgaben einführen will, so kann dieß nur im Wege eines Landesgesetzes stattfinden.
Wenn zur Deckung der Gemeindebedürfnisse Zuschläge zu directen oder indirecten Steuern einzuheben sind, und der Zuschlag zu den einen oder zu den andern 25 % der landesfürstlichen Steuern überschreitet, so muß hiezu ein Landesgesetz erwirkt werden.
Um aber einen solchen Antrag vor den Landtag zu bringen, muß derselbe in einer Sitzung von wenigstens zwei Drittheilen des Gemeinderathes berathen und mit absoluter Mehrheit sämmtlicher Gemeinderathsmitglieder angenommen worden seyn.
Bei Erhöhung derzeit schon bestehender Abgaben, welche nicht unter die Kategorie der Steuerzuschläge gehören, auf mehr als das Doppelte ihres bisherigen gesetzlichen Ausmaßes ist ebenfalls die Bewilligung durch ein Landesgesetz unter Beobachtung der eben angeführten Bestimmungen zu erwirken.
Insbesondere hat dieß bei den Zinskreuzern und Verlassenschafts-Percenten dann zu geschehen, wenn bei Ersteren das Ausmaß von drei Kreuzern vom Zinsgulden, bei Letzteren den Betrag von1 % überschritten werden soll.
§ 91. h) Die Aufnahme von Darlehen und die Leistung von Bürgschaften im Interesse der Gemeinde steht ebenfalls dem Gemeinderathe zu.
Hiebei gelten alle Bestimmungen. welche im § 89 für Veräußerung eines beweglichen, oder eines den Werth von 10000 fl. C. M. nicht erreichenden unbeweglichen Vermögens oder Gutes vorgeschrieben sind.
Sollte jedoch das Darlehen oder die verbürgte Summe das jährliche Einkommen der Gemeinde üebrsteigen, oder wollte der Gemeinderath eine Credits-Operation vornehmen, so kann die Bewilligung dazu nur durch ein Landesgesetz ertheilt werden.
Der Antrag zur Erwirkung eines Landesgesetzes muß in einer Sitzung von wenigstens zwei Drittheilen des Gemeinderathes berathen und mit absoluter Mehrheit sämmtlicher Gemeinderathsglieder angenommen worden seyn.
§ 92. Fernere der Entscheidung des Gemeidnerathes
vorbehaltene Verwaltungsgegenstände sind:
i) die Abschreibung uneinbringlich gewordener Forderungen der Gemeinde von dem
Betrage von Zweihundert Gulden Conv. Münze angefangen; - die Auflösung von
Pachtverträgen, der Nachlaß von Besoldungsvorschüssen und Mängelsersätzen - die
Herabsetzung der Bestandzinse während der Dauer des Bestandvertrages;
k) die Bewilligung zur Ausführung von Neubauten auf Kosten der Gemeinde;
l) die Bewilligung von Auslagen im Betrage von mehr als Einhundert Gulden Conv.
Münze jährlich, oder mehr als Eintausend Gulden Conv. Münze ein für alle Mal,
und von allen nicht präliminirten Auslagen; die Bewilligung von nicht
normalmäßigen Reisekosten und Besoldungsvorschüssen hinsichtlich jener Beamten,
deren Anstellung dem Gemeinderathe zusteht, wenn der Vorschuß drei Monate
übersteigt, dann de Bewilligung von Remunerationen und Aushilfen über 50 fl.
Conv. Münze.
m) die Ausübung des Petitionsrechtes der Gemeinde in Gemeindeangelegenheiten;
n) die Verleihung des Ehrenbürgerrechtes und der Salvator-Medaille.
§ 93. Damit der Gemeinderath einen giltigen Beschluß fassen kann, müssen, insoweit diese Gemeindeordnung nicht eine andere Bestimmung enthält, wenigstens vierzig Mitglieder versammelt seyn.
§ 94. Wenn die Gebarung des Bürgermeisters oder eines Gemeinderathsmitgliedes den Gegenstand der Berathung und Schlußfassung bildet, haben sich die Betheiligten der Abstimmung zu enthalten, und müssen der Sitzung, wenn es gefordert wird, zur Ertheilung der gewünschten Auskünfte beiwohnen.
§ 95. Wenn ein besonderes Privat-Interesse eines Mitgliedes oder seiner nächsten Verwandten einen Gegenstand der Verhandlung bildet, hat dasselbe abzutreten.
§ 96. Beschlußfassung. Zu einem giltigen Beschluß des Gemeinderathes ist die absolute Stimmenmehrheit erforderlich. Bei gleich getheilten Stimmen entscheidet die Stimme des Vorsitzenden.
§ 97. Der Bürgermeister, oder im Verhinderungsfalle sein Stellvertreter, führt in den Sitzungen den Vorsitz, und jede Sitzung, bei welcher dieß nicht beobachtet wurde, ist ungiltig.
§ 98. Der Statthalter oder der von ihm bestellte Commissär kann den Sitzungen beiwohnen und in denselben das Wort nehmen, ohne jedoch an der Abstimmung Theil zu nehmen.
§ 99. Die Sitzungen des Gemeinderathes sind öffentlich, doch können über den vom Bürgermeister oder von wenigstens zehn Gemeinderathsmitgliedern gestellten Antrag auch vertrauliche Sitzungen gehalten werden.
Die Zuhörer haben sich jeder Äußerung zu enthalten.
Wenn sich dieselben herausnehmen, die Berathung des Gemeinderathes in irgend einer Weise zu stören, oder gar die Freiheit desselben zu beirren, ist der Vorsitzende berechtigt und verpflichtet, nach vorausgegangener fruchtloser Ermahnung zur Ordnung, den Sitzungssaal von den Zuhörern räumen zu lassen.
§ 100. Durch Beschluß des Gemeinderathes ist die Zahl und Zeit der ordentlichen Sitzungen zu bestimmen, und darüber die Anzeige dem Statthalter zu erstatten.
Außerdem kann sich der Gemeinderath nur auf Anordnung des Bürgermeisters, oder - im Verhinderungsfalle - auf Anordnung seines Stellvertreters versammeln.
Jede Sitzung, der eine solche Anordnung nicht zu Grunde liegt, ist ungesetzlich und es sind die gefaßten Beschlüsse ungültig.
Der Bürgermeister ist jedoch verpflichtet, über schriftliches Einschreiten von wenigstens einem Drittheile der Gemeinderäthe, oder im Auftrage des Statthalters eine Versammlung einzuberufen.
Der Statthalter ist von der Anordnung jeder außerordentlichen Sitzung in Kenntniß zu setzen.
§ 101. Deputationen dürfen zu den Sitzungen nicht zugelassen werden.
§ 102. Über die Sitzungsverhandlungen ist ein Protokoll zu führen, dasselbe von dem Vorstande, einem vom Gemeinderathe zu benennenden Mitgliede und dem Schriftführer zu unterzeichnen, in den Gemeinde-Archive aufzubewahren und jedem Gemeindegliede auf Verlangen Einsicht in dasselbe zu gestatten.
Dritte Abtheilung.
Wirkungskreis des Magistrates und des Bürgermeisters als dessen Vorsteher.
§ 103. Der Magistrat ist das Executiv-Organ der Gemeinde unter der Controle des Gemeinderathes.
Sein unmittelbarer Vorstand ist der Bürgermeister.
§ 104. Der Bürgermeister repräsentirt die Gemeinde als moarlische Person nach Außen sowohl in Civilrechts- als in Verwaltungsangelegenheiten.
§ 105. Urkunden, durch welche Verbindlichkeiten der Gemeinde gegen dritte Personen begründet werden sollen, müssen vom Bürgermeister und von zwei Gemeinderathsmitglieder unterfertiget werden.
§ 106. Der Bürgermeister ist verpflichtet, die Beschlüsse des Gemeinderathes in der von demselben angegebenen Art in Vollzug zu setzen.
§ 107. Glaubt der Bürgermeister, daß ein Beschluß des Gemeinderathes dieser Gemeindeordnung oder den bestehenden Gesetzen überhaupt zuwider läuft, oder der Gemeinde einen wesentlichen Schaden zufügt, so ist er verpflichtet, mit der Vollzugsetzung innezuhalten und unverzüglich den Gegenstand an den Statthalter zu leiten, dem auch seinerseits in den beiden ersten Fällen das Sistirungsrecht zusteht.
Der Statthalter übergibt die Verhandlung dem Landtage, wenn die Sistirung wegen des gefährdeten Interesses der Gemeinde erfolgte.
Ist der Landtag nicht versammelt und erleidet die Sache keinen Aufschub, so trifft die Regierung die provisorische Verfügung.
Geschah die Sistirung wegen Verletzung der Gemeindeordnung oder der Gesetze, so hat der Statthalter zu entscheiden, gegen dessen Ausspruch der Recurs an das Ministerium ergriffen werden kann.
§ 108. Der Bürgermeister ist für die Geschäftsgebarung des Magistrates verantwortlich. Ihm steht die Geschäftszutheilung unter die ihm untergeordneten Beamten und die Disciplinargewalt über dieselben zu.
§ 109. Die Geschäftsordnung wird die Geschäfte bestimmen, welche der Magistrat collegialisch zu berathen hat, so weit nicht schon die Gemeindeordnung dieß verfügt. (§ 116).
§ 110. Bei den collegialischen Sitzungen des Magistrates hat der Bürgermeister den Vorsitz zu führen, die Berathung zu leiten und die Beschlüsse nach der Mehrheit der Stimmen zu fassen.
Bei Stimmengleichheit entscheidet seine Stimme.
Der Magistrat darf ohne seinen Vorsitz keine Beschlüsse fassen.
Ist der Bürgermeister verhindert, so kann er den Vorsitz an den Vicebürgermeister oder an einen Magistratsrath übertragen.
§ 111. Der Bürgermeister ist unter seiner Verantwortung berechtiget, Beschlüsse des Magistrates zu sistiren, und den Gegenstand, je nachdem er den natürlichen oder den übertragenen Wirkungskreis betrifft, an den Gemeinderath oder an den Statthalter zu leiten.
§ 112. Der Magistrat ist unter der Oberleitung und Verantwortung des Bürgermeisters die unmittelbare Verwaltungsbehörde für die Angelegenheiten und das Vermögen der Gemeinde.
Er hat die laufenden Geschäfte der Gemeinde zu besorgen und in allen dem Wirkungskreise des Gemeinderathes nicht vorbehaltenen Angelegenheiten selbstständig zu entscheiden.
Es sind ihm in dieser Beziehung sowohl die einzelnen Mitglieder der Gemeinde, als auch die untergeordneten städtischen Behörden, Stiftungen und Körperschaften zum Gehorsam verpflichtet.
§ 113. Bei der Vermögensgebarung hat sich der Magistrat genau an die Ansätze des Voranschlages zuhalten, und rücksichtlich der der Genehmigung des Gemeinderathes vorbehaltenen Auslagen diese Genehmigung einzuholen.
§ 114. Kommen im Laufe des Verwaltungsrathes dringende Auslagen vor, welche in der einschlägigen Rubrik des Voranschlages ihre Bedeckung gar nicht oder nicht vollständig finden, ist hiezu die Bewilligung des Gemeinderathes zu erwirken.
§ 115. In Fällen der äußersten Dringlichkeit, wo die vorläufige Einholung der Bewilligung ohne großen Schaden und ohne Gefahr nicht möglich ist, darf der Bürgermeister unter seiner Verantwortung die Bestreitung der nothwendigen Auslagen anordnen, muß jedoch unverzüglich die nachträgliche Genehmigung des Gemeinderathes sich erwirken.
§ 116. Der Magistrat hat unter der Leitung und Verantwortung des Bürgermeisters die der Gemeinde zustehende Localpolizei handzuhaben.
Übertretungen der zur Handhabung der Lokalpolizei getroffenen Maßregeln und Verfügungen können durch Beschlüsse des Magistrats (§ 110) mit Geldbußen bis zum Betrage von Zweihundert Gulden Conv. Münze, oder im Falle der Zahlungsunfähigkeit mit Arrest von je Einem Tage für fünf Gulden Conv. Münze geahndet werden.
Die Geldbußen fließen in die Gemeindecasse ein, und ist hierüber ein eigenes Protokoll zu führen.
Der Bürgermeister bestimmt die Mitglieder des Magistrats, welche in derlei Übertretungsfällen die Untersuchung zu führen, und hierüber zu erkennen haben.
Das Verfahren hiebei wird durch eine besondere Vorschrift geregelt werden.
§ 117. Der Magistrat hat unter der Leitung und Verantwortung des Bürgermeisters die Geschäfte des übertragenen Wirkungskreises zu besorgen.
Vierte
Abtheilung.
Wirkungskreis der Bezirksvorsteher.
§ 118. Die Bezirksvorsteher sind Executiv-Organe der Gemeinde, und dienen zur Unterstützung des Bürgermeisters in der Verwaltung der Gemeindeangelegenheiten und in der Handhabung der Localpolizei innerhalb ihres Bezirkes.
§ 119. Die Bezirksvorsteher besorgen die ihnen in dieser Beziehung zugewiesenen Geschäfte selbst, oder durch die unter ihrer Leitung stehenden Bezirksausschüsse.
Es ist sich hiebei an die zu ertheilende Instruction, so wie an die Anordnungen des Bürgermeisters in einzelnen Fällen zu halten.
§ 120. Die Bezirksvorsteher sind berufen, gemeinschaftlich mit den Bezirks-Ausschüssen die Sonder-Interessen ihres Bezirkes zu berathen udn dieselben zur Kenntniß des Gemeinderathes zu bringen. Zu diesem Ende können die Bezirksvorsteher jederzeit den Sitzungen des Gemeinderathes beiwohnen, und haben in denselben eine berathende Stimme.
IV.
Abschnitt.
Verhältniß der Gemeinde zur Staatsverwaltung.
§ 121. Die Stadtgemeinde Wien steht mit Umgehung jedes Bezirks- und Kreisverbandes unmittelbar unter dem Statthalter.
§ 122. Die Art der Geschäftsführung des Gemeinderathes und des Magistrates wird durch eigene Geschäftsordnung innerhalb der Gränzen dieser Gemeindeordnung näher bestimmt.
§ 123. Bis die Bestimmungen über den Wirkungskreis der Gemeinde in Schul- und Kirchenangelegenheiten dann im Gewerbswesen getroffen seyn werden (§ 78), sind die hierauf Bezug nehmenden Geschäfte in der bisherigen Weise zu besorgen.
§ 124. Ebenso verbleit die Gemeinde bis zur erfolgten Regulirung der Staatssicherheitsbehörde in den Verpflichtungen, die ihr in Bezug auf die Localpolizei und auf die zur Handhabung derselben nothwendigen Anstalten und Einrichtungen bisher obgelegen sind.
§ 125. Die vorübergehenden Bestimmungen über den Wirkungskreis des gegenwärtigen Gemeinderathes in Bezug auf die ersten nach dieser Gemeindeordnung vorzunehmenden Wahlen enthält eine besondere Vorschrift.
Wien am 9. März 1850.
Bach m. p.