Kaiserliches Patent
vom 20. October 1860 (R.G.Bl. Nr. 254/1860),
womit das Statut über die Landesvertretung für die gefürstete Grafschaft Tirol erlassen wird.

ist nie in Wirksamkeit gekommen

aufgehoben und ersetzt durch
das Kaiserliche Patent vom 26. Februar 1861 ("Februarpatent").
 

Wir Franz Joseph der Erste,
von Gottes Gnaden Kaiser von Österreich;

König von Hungarn und Böhmen, König der Lombardei und Venedigs, von Dalmatien, Kroatien, Slawonien, Galizien, Lodomerien und Illirien, König von Jerusalem ect.; Erzherzog von Österreich; Großherzog von Toscana und Krakau; Herzog von Lothringen, von Salzburg, Steyer, Kärnthen, Krain und der Bukowina, Großfürst von Siebenbürgen; Markgraf von Mähren; Herzog von Ober- und Nieder-Schlesien, von Modena, Parma, Piacenza und Guastalla, von Auschwitz und Zator, von Teschen, Friaul, Ragusa und Zara; gefürsteter Graf von Habsburg und Tirol, von Kyburg, Görz und Gradiska, Fürst von Trient und Brixen; Markgraf von Ober- und Nieder-Lausitz und in Istrien; Graf von Hohenembs, Feldkirch, Bregenz, Sonnenberg ect.; Herr von Triest, von Cattaro und auf der windischen Mark, Großwoiwod der Woiwodschaft Serbien ect. ect.;

In Anerkennung der treuen und kräftigen Stütze, die Unsere in Gott ruhenden Vorfahren an den Ständen Unserer gefürsteten Grafschaft Tirol seit nahe an 500 Jahren jeder Zeit und vorzüglich bei den schwersten und drangvollsten Ereignissen gefunden haben, und mit Rücksicht auf die eifrige Fürsorge, welche die Stände Tirols für das wahre Wohl dieses Landes und die Förderung seiner Interessen getragen haben, finden Wir Uns bewogen, über die von weiland Seiner Majestät Kaiser Frankz I. durch kaiserliches Patent vom 24. März 1816 wiedereingeführte verfassungsmäßige Vertretung des Landes mit Rücksicht auf die veränderten Verhältnisse nach Vernehmung Unserer Minister und Anhörung Unseres Reichsrathes folgende Bestimmungen zu erlassen:

§ 1. Unsere gefürstete Grafschaft Tirol bildet im österreichischen Staatsverbande ein innerhalb seiner gegenwärtigen Gränzmarken untheilbares Land.

§ 2. Dieselbe wird fortan durch die vier Stände, nämlich den Prälaten-, den Adelsstand, den Bürger- und Bauernstand auf dem Landtage vertreten.

§ 3. Der Landtag hat aus sechsundfünfzig Mitglieder, und zwar vierzehn aus jedem Stande zu bestehen:

§ 4. Der Prälatenstand wird vertreten:
1. Durch den Fürstbischof von Trient oder seinen Delegaten;
2. durch den Fürstbischof von Brixen oder seinen Delegaten;
3. durch einen Delegaten des Fürsterzbischofes von Salzburg aus den Pfarrern des tirolischen Diöcesan-Antheiles;
4. durch das Domcapitel von Trient;
5. durch das Domcapitel von Brixen;
6. durch den Abt von Wilten;
7. durch den Abt von Stams;
8. durch den Probst von Neustift;
9. durch den Abt von Fiecht;
10. durch den Abt von Marienberg;
11. durch den Prior von Gries, den Landcomthur des deutschen Ordens und den Propst von Botzen, welche ihren gemeinsamen Vertreter aus ihrer Mitte bestimmen;
12. durch den Propst von Innichen;
13. durch den Propst von Arco;
14. durch den Arciprete von Roveredo.

§ 5. Der Adelstand wird vertreten durch vierzehn Abgeordnete, welche aus dem immatriculirten im Lande begüterten Adel in der Weise gewählt werden, daß hievon acht auf den deutschen und sechs auf den italienischen Landestheil entfallen.

§ 6. Die Vertretung des Bürgerstandes besteht aus sechs Abgeordneten der Städte Innsbruck, Botzen, Meran, Hall, Rattenberg, Kitzbühel, Kufstein, Sterzing, Brixen, Klausen, Bruneck, Lienz, Glurns und Vils; ferneres der Märkte: Schwaz, Imst, Reute; dann aus fünf Abgeordneten der Städte Trient, Roveredo, Riva, Arco und Ala; ferners der Märkte: Pergine, Levico, Borgo, Lavis, Cles und Fondo; endlich aus zwei Abgeordneten der in Deutschtirol bestehenden Handels- und Gewerbekammern und aus einem Abgeordneten der im italienischen Landestheile bestehenden Handels- und Gewerbekammern.

§ 7. Die Vertretung des Bauernstandes besteht aus vierzehn Abgeordneten sämmtlicher Landbezirke, mit Ausschluß der Sätdte und Märkte, welche ihre Vertretung im Bürgerstande haben.

Die Vertheilung der vierzehn Stimmen im Bürger- und Bauernstande ist aus der, der Wahlordnung angehängten Tabelle zu entnehmen.

§ 8. Die Stellvertreter der Äbte werden von diesen selbst aus der Mitte ihrer Stiftsgeistlichen namhaft gemacht, jene der zwei Pröbste von Innichen und Arco und des Arciprete von Roveredo vom Fürstbischofe über Einvernehmen des betreffenden Propstes oder Arciprete.

Für die Abgeordneten des zweiten, dritten und vierten Standes sind gleichzeitig mit ihrer Wahl auch die Wahlen ihrer Stellvertreter vorzunehmen.

§ 9. Als Landtagsmitglieder können nur österreichische Staatsbürger, welche Angehörige einer tirolischen Gemeinde, im Vollgenusse der bürgerlichen Rechte, christlicher Religion sind und das dreißigste Lebensjahr zurückgelegt haben, zugelassen werden.

§ 10. Personen, welche wegen eines Verbrechens, Vergehens oder wegen einer aus Gewinnsucht oder gegen die öffentliche Sittlichkeit begangenen Übertretung in Untersuchung gezogen wurden, können, wenn und in solange sie nicht schuldlos erkannt worden sind, weder in den Landtag berufen werden, noch darin verbleiben, falls sie demselben angehören.

Ihr Stimmrecht ist, bis das Erkenntniß erfließt, suspendirt, und ebenso wenig können sie ein Wahlrecht ausüben.

Dasselbe gilt auch rücksichtlich jener Personen, über deren Vermögen der Concurs eröffnet, oder das Vergleichsverfahren eingeleitet wurde, in solange die Concurs- oder Vergleichsverhandlung dauert, und nach Beendigung der Verhandlung, wenn sie hieran nicht für schuldlos erkannt worden sind.

§ 11. Die weiteren Bestimmungen über die Wahlberechtigung und über die Wählbarkeit werden in der beiliegenden Wahlordnung festgestellt.

§ 12. Die Funktionsdauer der gewählten Mitglieder des Landtages und ihrer Stellvertreter erstreckt sich auf sechs Jahre.

Die Austretenden können wieder gewählt werden.

Während dieser Functionsdauer sind sowohl zum Ersatze für die bleibend Ausgeschiedenen, als auch für die vorübergehend Verhinderten, deren Stellvertreter zu berufen.

§ 13. Die Mitglieder des Landtages haben bei ihrem Eintritte Uns Treue und Gehorsam, Beorbachtung der Gesetze und gewissenhafte Erfüllung ihrer Pflichten in die Hände ihres Vorstehers an Eidesstatt zu geloben.

§ 14. Die Leitung des Landtages führt ein von Uns ernannter Landeshauptmann.

Er führt den Vorsitz in den Versammlungen der Stände, er leitet die Berathungen, eröffnet den Landtag und schließt ihn nach Beendigung der Geschäfte.

§ 15. Wir gestatten dem Landtage, sich in allen die Wohlfahrt und Bedürfnisse des Landes betreffenden Gegenständen vertrauensvoll an Uns zu wenden, Uns die Wünsche des Landes nach seinem besten Wissen und gewissen vorzutragen und seine Anträge entweder unmittelbar oder nach seinem Ermessen im Wege Unserer Behörden an Uns gelangen zu lassen.

§ 16. Wir weisen ferner dem Landtage folgende Rechte und Befugnisse zu:
a) über die kundgemachten allgemeinen gesetzlichen Anordnungen und Einrichtungen in Beziehung auf ihre besondere Rückwirkung auf das Wohl dieses Landes; Anträge an Uns zu stellen;
b) bei, in Absicht auf die besonderen Verhältnisse dieses Landes zu erlassenden Gesetzen mitzuwirken;
c) über besondere Landesangelegenheiten zu berathen und Beschlüsse zu fassen.
Als solche Landesangelegenheiten sind vorzugsweise anzusehen:
    die Fürsorge für gemeinnützliche Landesanstalten und Einrichtungen, die Maßregeln und Unternehmungen zur Hebung der Landwirthschaft, des Realcredites, des Handels, der Industrie und des Verkehres;
    die Aufbringung der für innere Landeszwecke nöthigen Mittel und die Controle über deren Verwendung;
    die Oberaufsicht in den Gemeindeangelegenheiten nach den Bestimmungen des Gemeindegesetzes, die Mitwirkung bei der Evidenzhaltung und Regelung des Grundsteuerwesens, sowie überhaupt bei den zur Aufbringung der landesfürstlichen Steuern abzielenden Einrichtungen, nach den besonderen Gesetzen;
    die Maßregeln zur leichteren Erfüllung jenen Leistungen, welche dem Lande wegen der Verpflegung und der Bequartierung des Heeres und wegen der Vorspann obliegen.
d) Mit dem landschaftlichen Vermögen selbständig zu gebaren und die Landes- sowie die der Landschaft unterstehenden Fonde selbständig zu verwalten;
e) die landschaftlichen Ämter zu constituiren, ihnen Instructionen zu ertheilen und die landschaftlichen beamten zu ernennen.

§ 17. Beschlüsse des Landtages, welche auf Neuerungen oder Abweichungen von bestehenden Gesetzen abzielen, oder eine Veräußerung, Verpfändung oder bleibende Belastung des Landesvermögens enthalten, oder einen mehr als zehnpercentigen Zuschlag zu den landesfürstlichen Steuern mit sich bringen, sind Unserer Genehmigung vorzubehalten.

§ 18. Der Landtag ist berechtiget, die Wahl der für Tirol bestimmten Mitglieder des verstärkten Reichsrathes vorzunehmen und die Gewählten zu Unserer Bestätigung vorzuschlagen.

§ 19. Über das Verhältniß der Landesvertretung zu der Landesvertheidigung, zu dem damit zusammenhängenden Schießstandswesen, sowie zu den, für diese Zwecke bestimmten Waffenvorräthen behalten Wir Uns nach Anhörung des Landtages die weitere Regelung vor.

§ 20. Der Landtag hat sich über Unsere Einberufung in der Regel jährlich zu versammeln, sowie Wir Uns vorbehalten, ihn zu jeder Zeit zu schließen oder unter Anordnung neuer Wahlen gänzlich aufzulösen.

§ 21. Die Vollziehung der Beschlüsse des Landtages und die Führung der laufenden Geschäfte werden unter der Leitung des Landeshauptmannes durch den ständigen Landtags-Ausschuß und die landschaftlichen Ämter besorgt.

Der Landeshauptmann ist Vorstand des ständigen Ausschusses und der landschaftlichen Ämter, er hat alle Erlässe und Ausfertigungen zu unterzeichnen.

Die übrigen Mitglieder des ständigen Landtags-Ausschusses werden von dem Landtage aus seiner Mitte gewählt. Ihre Functionsdauer ist dieselbe wie jene des Landtages, welcher sie gewählt hat. Sie währt jedoch nach dem Ablaufe der Letzteren sowie im Falle der Auflösung des Landtages noch so lange fort, bis aus dem neuen Landtage ein anderer Ausschuß bestellt worden ist.

§ 22. Der ständige Landtagsausschuß berathet und beschließt über die vorkommenden wichtigeren Geschäfte, überwacht die unmittelbare Verwaltung er Fonde, führt die Aufsicht über die Landesanstalten und bereitet die nöthigen Anträge und Berichte für den Landtag vor.

Die Art der Bestellung dieses ständigen Ausschusses und die Ertheilung der Instructionen an denselben bleibt dem Landtage vorbehalten.

§ 23. Der Landtag ebstimmt, welche seiner Mitglieder eine Entschädigung, und in welchem Betrage aus der für den ständigen Haushalt bewilligten Dotationssumme zu erhalten haben.

§ 24. Da die früher zur Deckung der ständischen Erfordernisse bestimmten Bezüge und Capitalien nicht mehr bestehen, und seither an deren Stelle die Dotation nach Maßgabe des Bedarfes vom Staate gegeben wurde, finden Wir zu bestimmen, daß zur Bestreitung des ständischen Haushaltes künftig eine jährliche Aversualsumme von 70.000 fl. (Siebenzigtausend Gulden) Österreichischer Währung aus dem Staatsschatze verabfolgt werde.

§ 25. Die Führung der Matrikel über den ständischen Adel wird unter Beobachtung der hiefür bestehenden Normen, wie bisher, dem Oberst-Erbland-Marschalle überlassen.

Die Genossenschafts- und Vermögensverhältnisse dieser Corporation bleiben unberührt.

§ 26. Wir behalten Uns vor, bei besonderen Veranlassugnen zur feierlichen Repräsentation des Landes nebst den Landtagsmitgliedern, die im Lande bestehenden Landeswürdenträger, ferner die sonst zur Landstandschaft berechtigten kirchlichen Würdenträger und Mitglieder des Adels, dann die Vorsteher der zur Landstandschaft berechtigten Städte und Märkte und eine angemessene Anzahl der Vorsteher der übrigen Gemeinden des Landes um Unsere Person zu versammeln.

    Gegeben in Unserer Haupt- und Residenzstadt Wien den zwanzigsten Tage des Monates October im Eintausend achthundert Sechzigsten, Unserer Reiche im zwölften Jahre.

Franz Joseph

Graf von Rechberg.            Graf von Goluchowski

Auf Allerhöchste Anordnung:
Freih. v. Ransonnet.
 

Wahlordnung
für die Stände der gefürsteten Grafschaft Tirol.

Wahlbefähigung

§ 1. Um an den Wahlen für den Landtag überhaupt theilnehmen zu können, ist die österreichische Staatsbürgerschaft und die Angehörigkeit zu einer tirolischen Gemeinde nebst dem Vollgenusse der bürgerlichen Rechte erforderlich.

§ 2. Besondere Erfordernisse sind:
für den Adelsstand:
    daß jeder Wähler und Gewählte der tirolischen Adelsmatrikel angehöre, einen Grundbesitz in Tirol habe, von welchem wenigstens fünfundzwanzig Gulden ö. W. jährlich an landesfürstlicher Grundsteuer zu entrichten sind, und daß der Gewählte seit wenigstens Einem Jahre in Tirol wohnhaft sei;
für den Bürgerstand:
    daß der Gewählte der Gemeindevertretung einer Stadt oder eines Marktes seines Wahlkreises angehöre;
für die Vertretung des Handels und der Gewerbe:
    daß der Gewählte der betreffenden Handels- udn Gewerbekammer als wählbar angehöre und in deren Gebiete wohnhaft sei;
für den Bauernstand:
    daß der Gewählte einer Gemeinde seines Wahlkreises als Gemeindeglied angehöre, als solches für die Gemeindevertretung wählbar sei und in seinem Wahlkreise einen grundbesitz eigenthümlich oder zum lebenslänglichen Fruchtgenusse inne habe, von welchem wenigstens zehn Gulden ö. W. jährlich an landesfürstlicher Grundsteuer entrichtet werden.

Wer in einem Stande als Wähler berufen ist, kann in einem anderen Stande nicht mitwählen.

Wahlvorgang

§ 3. Zum Behufe der im Adelsstande vorzunehmenden Wahlen hat der ständige Landtagsausschuß nach vorläufiger Erhebung ein Verzeichniß Derjenigen, welche wählen und gewählt werden können, den Betheiligten zur allfälligen Berichtigung innerhalb einer angemessenen Frist bekannt zu geben.

Erst nach Ablauf dieser Frist kann die Aufforderung zur Einsendung der Wahlstimmen mittelst verschlossener Wahlzettel auf Grundlage der mitgetheilten, oder im Falle von Reclamationen berichtigten Verzeichnisse ergehen.

Die Wahlzettel sollen eben so viele Namen enthalten als im ganzen Abgeordnete und Stellvertreter bei dem einzelnen Wahlacte zu wählen sind.

Die Wahlzettel werden vom ständigen Landtagsausschusse eröffnet und verzeichnet.

Die relative Mehrheit der Stimmen entscheidet.

Jene, welche die meisten Stimmen erhalten haben, sind zu Abgeordneten, jene aber, auf welche die nächstzahlreichen Stimmen gefallen sind, zu Stellvertretern ernannt, falls auch die Wahl der Letzteren eintritt.

Damit eine Wahl giltig sei, muß wenigstens ein Drittel der bekannten Wähler ihre Stimmzettel eingesendet haben. Bei Stimmengleichheit entscheidet der ständige Landtagsausschuß durch das Los.

Die Zahl der Stellvertreter bei diesem Stande wird auf sieben bestimmt, wovon vier auf den deutschen, drei auf den italienischen Landestheil entfallen.

Im Falle ihrer Einberufung ist auf die Mehrzahl der bei der Wahl auf sie entfallenden Stimmen zu sehen.

§ 4. Beim dritten und vierten Stande wird die Zahl der Abgeordneten nach der angehängten Tabelle so vertheilt, daß in jedem Wahlbezirke ein Abgeordneter zu wählen ist.

§ 5. Die Wahl der Abgeordneten aus dem Bürgerstande wird in den Städten Innsbruck, Botzen, Trient und Roveredo durch die Mitglieder der Gemeindevertretung vorgenommen.

Für jene Städte und Märkte, welche zusammen nur einen Abgeordneten senden, erfolgt dessen Wahl durch Wahlmänner. Hiezu bestimmt die Gemeindevertretung einer jeden dieser Städte oder Märkte drei aus eigener Mitte gewählte Mitglieder.

Die Abgeordneten der Handels- und Gewerbekammern werden von den Mitgliedern der betreffenden Kammern gewählt.

Die Wahlen finden nach den für die Beschlußfähigkeit der Gemeindevertretung und der Kammer bestehenden Vorschriften Statt.

§ 6. Die Wahl der Abgeordneten des Bauernstandes erfolgt durch Wahlmänner.

Hiezu wird für jede Gemeinde der Gemeindevorsteher und ein von der Gemeindevertretung aus ihrer Mitte gewähltes Mitglied bestimmt.

§ 7. Die nach §§ 5 und 6 unmittelbar oder durch Wahlmänner vorzunehmende Wahl der Abgeordneten wird in jedem Wahlkörper durch einen Commissär geleitet, welcher von Fall zu Fall vom Landeshauptmanne, für die ersten Landtagswahlen aber vom ständischen Präsidium für jeden Wahlkörper ernannt wird.

Dieser Commissär hat Zeit und Ort für die Wahl zu bestimmen und die Wahlmänner einzuberufen.

Das Nichterscheinen eines Wahlmannes wird als Verzicht auf sein Stimmrecht angesehen.

Die zusammengetretenen Wahlmänner haben einen Wahlausschuß von drei bis fünf Mitgliedern zusammen zu setzen, welcher alle Stimmzettel sammelt und die Stimmzählung vornimmt.

Über den ganzen Vorgang wird ein Protokoll geführt, welchem die Stimmzettel beizulegen sind.

Die absolute Stimmenmehrheit entscheidet. Bis diese erzielt wird, ist die Wahl zu wiederholen. Allfällige Anstände werden im Protokolle bemerkt, und vom Wahlausschusse sogleich entschieden.

Das Protokoll wird vom Wahlcommissär dem Landeshauptmanne (ständischen Präsidium) vorgelegt.

Wenn vor Beginn des Landtages die Wahl bestimmt abgelehnt wird, hat der Landeshauptmann und für das erste Mal das ständische Präsidium die Wiederwahl durch denselben Wahlkörper zu veranlassen.

§ 8. Für die Abgeordneten des dritten und vierten Standes, sowie der Handels- und Gewerbekammern, sind Stellvertreter, und zwar für jeden Abgeordneten Einer, auf die nämliche Art und Weise, wie die Abgeordneten selbst, zu wählen.

Die Wahl des Stellvertreters ist sogleich nach vollendeter Wahl des Abgeordneten vorzunehmen.

§ 9. Hinsichtlich der Wählbarkeit gelten für die Stellvertreter die nämlichen Vorschriften wie für die Abgeordneten.

§ 10. Die Wahl der Abgeordneten und Stellvertreter unterliegt keiner weiteren Bestätigung.

Der ständige Landtagsausschuß hat sämmtliche an ihn gelangenden Wahloperate zu prüfen und hierüber an den Landtag Bericht zu erstatten.

Über allfällige Anträge auf Ungiltigkeitserklärung einer Wahl entscheidet der Landtag. Bis dahin ist die Wahl für giltig zu halten.

Wahlkreise im Bürgerstande

Wahlkreise im Bauernstande
 

Geschäftsordnung
für den Landtag der gefürsteten Grafschaft Tirol.

§ 1. Für den ersten Landtag, und zwar bis zur Ernennung des Landeshauptmannes, läßt das ständische Präsidium die Vorarbeiten, welche für den Zusammentritt des Landtages nöthig sind, besorgen.

§ 2. Die Eröffnung des Landtages erfolgt jedesmal nach der von Seiner k. k. Apostolischen Majestät erlassenen Anordnung.

§ 3. Auf Grund der Bestimmungen des § 14 des Allerhöchsten Patentes über die Landesvertretung eröffnet der Landeshauptmann die Sitzungen und schließt sie, er bestimmt die Tagesordnung, er ertheilt das Wort und entzieht es, er stellt die Fragen zur Abstimmung und spricht das Ergebniß aus, er hat die Ordnung im Innern der Versammlung und des Saales aufrecht zu erhalten.

§ 4. Der Landeshauptmann ist berechtiget, bei der Verhandlung einzelner Gegenstände, zur Ertheilung von Auskünften und Aufklärungen die Beiziehung von Gliedern der Regierungsbehörden zu veranlassen.

§ 5. Der Landtag bestimmt die Art der Veröffentlichung der gepflogenen Verhandlungen.

Der Landeshauptmann ist berechtiget, für Zuhörer bei den einzelnen Landtagssitzungen Einladungskarten zu vertheilen.

§ 6. Die vor den Landtag kommenden Vorlagen sind in der Regel dem ständigen Ausschusse vorläufig zu berathen, wichtigere Gegenstände können aber auch der Vorberathung durch hiezu von Fall zu Fall gebildete, jedoch nicht über die Dauer der Landtagsversammlung hinaus bestehende Ausschüsse unterzogen werden, über deren Bestellung die näheren Vorschriften vom Landtage erlassen werden.

§ 7. Wegen der Wichtigkeit dieser Vorberathungen hat der Landtag dafür zu sorgen, daß den Ausschüssen alle Hilfsmittel gewährt, insbesondere die von Seite der Regierung erforderlichen Auskünfte ertheilt werden.

§ 8. Die Verhandlungsgegenstände gelangen an den Landtag:
a) als Regierungsvorlagen;
b) als Eröffnungen des Landeshauptmannes, Vorschläge und Berichte des ständigen Landtagsausschusses oder der während des Landtages gebildeten Ausschüsse;
c) als Anträge einzelner Abgeordneter.

§ 9. Die Einlagen sind durch den Landeshauptmann zur Kenntniß und Verhandlung des Landtages zu bringen. Anträge über Gegenstände, welche außerhalb des Geschäftskreises des Landtages liegen, sind durch den Landeshauptmann von der Berathung auszuschließen.

§ 10. Wichtige Berichte oder Anträge können nur dann zur Berathung kommen, wenn sie wenigstens vierundzwanzig Stunden vorher den Mitgliedern des Landtages bekannt gegeben werden.

Diese vorläufige Bekanntgebung ist nicht erforderlich bei den Vorträgen über die laufenden Geschäfte.

§ 11. Es steht den Abgeordneten frei, sowohl den Übergang zur Tagesordnung als auch den Schluß der Verhandlung zu verlangen, worüber der Vorsitzende abstimmen läßt.

Die Bestimmungen der weiteren Modalitäten bleiben dem Landtage überlassen.

§ 12. Nach dem Schlusse der Berathung findet die Abstimmung in der Regel durch Aufstehen und Sitzenbleiben Statt. Über Antrag und über Beschluß des Landtages erfolgt eine Abstimmung durch Namensaufruf.

Bei Verleihungen und Wahlen werden Stimmzettel abgegeben. Die Abstimmung nach ganzen Ständen (Curien) ist ausgeschlossen. Eine Übertragung der Stimme ist unter allen Umständen unzulässig.

§ 13. Der Landeshauptmann hat das Recht, an der Erörterung Theil zu nehmen und mitzustimmen, bei gleicher Stimmenzahl gibt seine Stimme den Ausschlag.

§ 14. Zur Beschlußfassung im Landtage ist die Anwesenheit von mehr als der Hälfte der Gesammtzahl der Mitglieder und zur Giltigkeit eines Beschlusses ist die absolute Stimmenmehrheit der Anwesenden erforderlich, nur bei Verleihungen und Wahlen ist dann die relative genügend, wenn nach zweimaliger Abstimmung die absolute nicht erzielt worden ist.

§ 15. Anträge auf Abänderungen im Allerhöchsten Patente über die Landesvertretung und der Wahl- und Geschäftsordnung können nur bei dem Landtage eingebracht werden, und müssen, in soferne sie sich auf das Allerhöchste Patent beziehen, von der absoluten Majorität, rücksichtlich der Wahl- und Geschäftsordnung von fünfzehn Mitgliedern unterstützt werden.

Solche Anträge können nur durch Zustimmung von wenigstens zwei Dritteln der Gesammtzahl aller Mitglieder zum Beschlusse werden.

§ 16. Der erste Landtag ist jedoch berechtiget, durch die gewöhnliche Beschlußfassung jene Ergänzungen der Geschäftsordnung vorzunehmen, welche ihm in den §§ 5, 6 und 11 ausdrücklich vorbehalten werden.

§ 17. Dem Landtage ist weder gestattet, in seinen Versammlungen Deputationen zu empfangen, noch selbst Deputationen ohne Allerhöchste Genehmigung an das Allerhöchste Hoflager abzusenden.

§ 18. Weder der Landtag noch der ständige Landtagsausschuß dürfen mit der Landesvertretung eines anderen Kronlandes in Verkehr treten.

Kundmachungen darf nur der ständige Landtagsausschuß, und zwar nur in den, ihm übertragenen Verwaltungsangelegenheiten erlassen.

§ 19. Der Landeshauptmann ist, wenn er glaubt, daß ein vom Landtage gefaßter Beschluß den bestehenden Gesetzen oder dem öffentlichen Wohle zuwiderläuft, berechtigt und verpflichtet, die Ausführung desselben, in soferne er nicht ohnedieß einer höheren Genehmigung bedarf, zu sistiren; er hat jedoch Fälle dieser Art stets unverzüglich der Allerhöchsten Schlußfassung zu unterziehen.

 


Quellen:  Reichs-Gesetz- und Regierungsblatt für das Kaiserthum Österreich Jg. 1860 Nr. 254
© 11. April 2006 - 19. Juni 2012


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