aufgehoben durch
das Grundgesetz über die Reichsvertretung vom 26.
Februar 1861 (R.G.Bl. 20/1861)
Wir Franz Joseph der Erste,
von Gottes Gnaden Kaiser von Oesterreich;
haben beschlossen, Unseren Reichsrath, welcher auf Grund Unseres Patentes vom 13. April 1851 (RGBl. 92/1851) und Unserer Handschreiben vom 20. August 1851 (RGBl. 195/1851 und 196/1851) fortzubestehen hat, durch außerordentliche Reichsräthe, die Wir periodisch einberufen werden, zu verstärken. Zu den Ende verordnen Wir nach Vernehmung Unserer Minister und Anhörung Unseres Reichsrathes, wie folgt:
§ 1. Zu außerordentlichen
Reichsräthen, welche diesen periodischen Berathungen beizuwohnen haben, werden
Wir ernennen:
1. Erzherzoge Unseres kaiserlichen Hauses;
2. einige der höheren kirchlichen Würdenträger;
3. einige Männer, welche sich in Unserem Civil- und Militärdienste oder in
anderer Weise ausgezeichnet haben;
4. achtunddreißig Mitglieder der Landesvertretungen, und zwar:
aus dem Königreiche Ungarn sechs,
aus dem Königreiche Böhmen drei,
aus dem lombardisch-venetianischen Königreiche zwei,
aus dem Königreiche Dalmatien Einen,
aus dem Königreiche Kroatien und Slawonien zwei,
aus dem Königreiche Galizien und Lodomerien und dem
Großherzogthume Krakau drei,
aus dem Erzherzogthume Österreich unter der Enns zwei,
aus dem Erzherzogthume Österreich ob der Enns Einen,
aus dem Herzogthume Salzburg Einen,
aus dem Herzogthume Steiermark Einen,
aus dem Herzogthume Kärnthen Einen,
aus dem Herzogthume Krain Einen,
aus dem Herzogthume Bukowina Einen,
aus dem Großfürstenthume Siebenbürgen drei,
aus der Markgrafschaft Mähren zwei,
aus dem Herzogthume Schlesien Einen,
aus der Gefürsteten Grafschaft Tirol zwei
und für Vorarlberg Einen,
aus der Markgrafschaft Istrien sammt der Gefürsteten
Grafschaft Görz und Gradiska Einen, und aus der reichsunmittelbaren Stadt Triest
und Gebiet Einen,
aus der serbischen Wojwodschaft und dem Temeser Banate zwei.
Die Landesvertretungen in diesen Kronländern werden für jede der hienach zu vollziehenden Ernennungen je drei Mitglieder aus ihrer Mitte wählen und Uns in Vorschlag bringen.
Die unter 1., 2. und 3. bezeichneten außerordentlichen Reichsräthe werden auf Lebenszeit ernannt. Die unter 4. Bezeichneten werden für sechs Jahre gewählt und scheiden nach Verlauf dieser Frist aus dem verstärkten Reichsrathe wieder aus. Bei der, nach Ablauf der sechsjährigen Wahlperiode von den Landesvertretungen neu vorzunehmenden Wahl sind sie jedoch von der Wiederwahl nicht ausgeschlossen.
Sollte während des Verlaufes dieser sechsjährigen Periode eines dieser Mitglieder mit Tod abgehen, die persönliche Fähigkeit verlieren, Mitglied der Landesvertretung, von der es vorgeschlagen wurde, zu bleiben oder dauernd verhindert seyn, sich an den Berathungen des verstärkten Reichsrathes zu betheiligt sein, so werden Wir aus den bereits Vorgeschlagenen einen Ersatzmann für die noch nicht abgelaufene Dauer der sechsjährigen Periode ernennen.
In Betreff der von den Landesvertretungen für den verstärkten Reichsrath vorzunehmenden Wahlen werden Wir besondere Vorschriften erlassen.
Der verstärkte Reichsrath ist nur einmal (unvollständig), und zwar vom 31. Mai 1860 bis zum 27. September 1860 zusammengetreten.
§ 2. Der verstärkte Reichsrath wird von Uns periodisch zur Berathung der im folgenden Paragraphe ihm zugewiesenen Gegenstände einberufen werden.
§ 3. Der Berathung in dem
verstärkten Reichsrathe sind zu unterziehen:
1. Feststellung des Staatsvoranschlages, Prüfung der Staats-Rechnungsabschlüsse,
die Vorlagen der Staats-Schuldencommission;
2. alle wichtigen Entwürfe in Sachen der allgemeinen Gesetzgebung;
3. die Vorlagen der Landesvertretungen.
Wir behalten Uns vor auch andere Angelegenheiten den Berathungen des verstärkten Reichsrathes zuzuweisen.
§ 4. Dem verstärkten Reichsrathe steht eine Initiative zur Vorlegung von Gesetz- oder Verordnungsvorschlägen nicht zu. Sollte er jedoch bei Berathung einer ihm zugewiesenen Vorlage Anlaß finden, Lücken, Mängel oder Bedürfnisse in der auf dieselbe bezüglichen Gesetzgebung hervorzuheben, so ist er berufen, sie gleichzeitig mit der Abgabe seines Gutachtens bei Uns zur Sprache zu bringen.
§ 5. Die Mitglieder Unseres ständigen Reichsrathes haben Sitz und Stimme bei den Berathungen des verstärkten Reichsrathes.
§ 6. Unsere Minister und die Chefs Unserer Centralstellen sind berechtigt, an allen Berathungen des verstärkten Reichsrathes theilzunehmen und ihre Vorlagen persönlich oder durch einen Abgeordneten zu vertreten.
§ 7. Andere als die in den §§ 3 und 4 bezeichneten Angelegenheiten, über welche Wir Unseren Reichsrath einzuvernehmen finden, sind von den ständigen Mitgliedern desselben in der bisher vorgeschriebenen Weise zu behandeln.
§ 8. Wir behalten Uns vor, für den verstärkten Reichsrath eine Geschäftsordnung zu erlassen.
§ 9. Die außerordentlichen Reichsräthe haben als solche keine Bezüge aus dem Staatsschatze.
§ 10. Alle durch gegenwärtiges Patent nicht aufgehobenen Bestimmungen Unseres Patentes vom 13. April 1851 über den Reichsrath bleiben, mit Ausnahme der in den §§ 13, 16, 17 und 37 enthaltenen, auf die zeitlichen Theilnehmer bezüglichen Anordnungen in Wirksamkeit.
Gegeben in Unserer Haupt- und Residenzstadt Wien am 5. des Monats März im Eintausend achthundert sechzigsten, Unserer Reiche im zwölften Jahre.
Franz Joseph
Erzherzog Wilhelm, F. M. L.
Graf von Rechbarg
Graf Thun
Freiherr von Bruck
Graf Nádasdy Graf Goluchowski
Freiherr von Thierry
Auf Allerhöchste Anordnung
Freih. v. Ransonnet